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"Malia, kommst du heute Abend auch zu der Party bei Elias?", fragt meine Freundin Bella. Der Name ist Programm, denn sie ist einfach nur wunderschön mit ihren blonden langen Haaren und den strahlend blauen Augen.

Ich hingegen bin zwar auch hübsch, aber eher unscheinbar. Ich habe schulterlanges, haselnussbraunes Haar und blau-graue Augen.

Ich bin auch schlank wie meine Freundin, aber habe schon einen viel fraulicheren Körper durch mein breites Becken und die großen Brüste.

"Ich weiß noch nicht. Meine Mutter erlaubt es bestimmt nicht", antworte ich zögernd während wir durch den Schulflur entlang zum Ausgang laufen.

Endlich Wochenende! Zwei Tage ausschlafen, Freunde treffen und einfach chillen. Kein frühes Aufstehen, keine ätzenden Hausaufgaben und keine nervigen Lehrer.

"Ach komm schon, Mali. Schleich dich einfach raus wenn deine Mum schläft", schlägt sie vor. Ich verdrehe hinter ihrem Rücken die Augen.

Im Grunde interessiert es meine Mutter sowieso nicht wo ich bin. Aber das muss Bella ja nicht wissen. Sie ist zwar meine beste Freundin, aber vor ihr schäme ich mich für die Umstände, in denen ich lebe.

Bella, eigentlich Isabella, lebt mit ihrer kleinen Schwester und ihren jahrzehntelang verheirateten reichen Eltern in einem großzügigen Einfamilienhaus in Düsseldorf Golzheim, einen hübschen Viertel in Rheinnähe. Sie wächst behütet und sorgenfrei mit Tanzunterricht, eigenem Pferd und viel Taschengeld auf.

Mein Leben hingegen spiegelt den totalen Kontrast zu ihrer Prinzessinenidylle.

Ich lebe mit meiner alkoholabhängigen alleinerziehenden arbeitslosen Mutter in einem asozialen Hochhaus in Düsseldorf Garath, einem der ärmsten und schlechtesten Viertel der Stadt.

Wir haben kaum Geld um über die Runden zu kommen und meine Mutter schert sich auch ansonsten wenig um mich, unsere Wohnung oder auch nur um ihr eigenes Leben.

Es ist ein kleines Wunder, dass ich es aus eigener Kraft, ohne jegliche Unterstützung und mit all dem Mist, der bei mir im Hintergrund läuft, aufs Gymnasium geschafft hab.

Ich bin sehr stolz darauf - ganz im Gegensatz zu meiner Mutter. Sie findet, dass das Abitur eine totale Verschwendung ist und ich mit meinen 16 Jahren lieber endlich arbeiten gehen und Geld verdienen sollte.

Mit ganzer Kraft stößt die zierliche Bella die schwere Eingangstür der Schule auf. "Nach dir", sagt sie und deutet mir mit ausladender Geste und einem fetten Grinsen den Weg nach draußen.

Ich zeige ihr einen Vogel und schlüpfe schnell vor ihr heraus. Sie folgt mir und lässt die Tür hinter uns ins Schloss knallen.

Ich ziehe eine Schachtel Malboro Gold Zigaretten aus meiner Jackentasche und stecke mir eine Kippe an. Bella verzieht angewiedert das Gesicht. "Du solltest das echt lassen, Malia", tadelt sie mich.

Wieder verdrehe ich die Augen, doch diesmal bemerkt sie es und boxt mir zur Quittung leicht auf den Oberarm.

"Also, wann treffen wir uns heute Abend?", fragt sie und wackelt mit den Augenbrauen. Ich muss grinsen. "Hör auf damit, das sieht bescheuert aus!" "Das ist keine Antwort", erwidert sie schnell.

"Ach Bella, was willst du denn da? Ich kann Elias nicht ausstehen, das weißt du doch!", jammere ich. "Ja und? Ich auch nicht. Aber wir feiern die Party doch nicht zu dritt", kontert sie grinsend.

Plötzlich geht mir ein Licht auf. "Ist er auch da?", frage ich genervt. Sofort schleicht sich ein verräterisches Grinsen auf ihr Gesicht. "Du brauchst nicht zu antworten, dein Gesicht hat das längst für dich getan", lasse ich sie wissen.

Er ist Jonah, Bellas Traum ihrer schlaflosen Nächte. Er ist wie auch Elias, der Gastgeber der heutigen Hausparty, im Abiturjahrgang unser Schule.

Jonah spielt relativ erfolgreich Fusball in der U21 Mannschaft des BVB und ist mit seinem durchtrainierten Körper, den blauen Augen und den dunkelblonden Haaren der Schwarm nahezu aller Mädchen.

Aller Mädchen - außer mir. Jonah ist echt nett, aber absolut nicht mein Typ. Er ist mir zu glatt. Mir gefallen eher die bösen Jungs.

"Bitte, Malia!", bettelt Bella nun mit ihrem herzerweichendsten Hundeblick. "Ich hab nicht mal was zum Anziehen!", knurre ich wohlwissend, dass ich mich sowieso gleich geschlagen gebe.

"Dann komm um 18 Uhr zu mir und such dir was aus meinem Kleiderschrank aus. Was du willst", bietet Bella nun an. Wir sind mittlerweile an der Bahnhaltestelle angekommen.

"18 Uhr", wiederhole ich, drücke ihr einen Kuss auf die Wange und jogge mit schnellen Schritten zu meiner in diesem Moment einfahrenden Bahn.

Rot wie die LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt