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Vor der Tür steht Roy und sieht mich aus seinen hellblauen Augen ein wenig erschrocken an.

Augenblicklich schießen mir Tränen in die Augen.

"Was machst du hier?", flüstere ich aufgebracht.

Ich habe nicht mehr damit gerechnet, ihn überhaupt noch mal zu sehen.

Mein Herz trommelt wie wild gegen meine Brust und das Atmen fällt mir schwer.

Roy antwortet mir nicht, sondern drückt die Tür etwas weiter auf und schiebt sich wortlos an mir vorbei.

Der Duft seines schweren Parfums steigt mir in die Nase und ich halte einen Moment inne und lasse ihn auf mich wirken, bevor ich die Tür schließe.

"Dein Handy ist aus", stellt er fest. Seine raue Stimme erzeugt bei mir eine leichte Gänsehaut. Ich habe es so vermisst, seine Stimme zu hören. Selbst sein harscher Tonfall hat mir gefehlt.

Ich nicke zaghaft.

"Ist es wieder kaputt?", fragt er emotionslos.

Ich schüttele den Kopf.

"Wieso ist es dann aus?", fragt er genervt und verschränkt ungeduldig seine Arme vor der Brust.

Er hasst es, sich zu wiederholen oder mir "die Würmer aus der Nase ziehen zu müssen", wie er immer sagt.

"Ich habe es einfach nicht mehr ertragen, es anzustarren und zu warten, dass du dich meldest, obwohl das nicht passiert", gebe ich kleinlaut zu.

Roy zieht eine Augenbraue hoch. "Ich hoffe du hast daraus gelernt. Ich habe dich oft genug vorher gewarnt, aber Worte alleine scheinen bei dir ja nicht zu fruchten. Wer nicht hören will, muss fühlen."

Ich bin so froh ihn zu sehen und seine dunkle Stimme zu hören, dass es fast schon zweitrangig ist, was er sagt.

Ich betrachte ihn wie einen wertvollen Schatz, bedacht darauf, alle Details in mir aufzusaugen, damit ich mich daran erinnern kann, falls es das letzte Mal sein sollte, dass ich ihn sehe.

Ich studiere jeden Millimeter seines Gesichts, präge mir jede Falte und jede einzelne Linie seiner vielen Tattoos ein.

Roy kommt einen kleinen Schritt auf mich zu und hebt mein Kinn leicht an. Seine Berührung hinterlässt ein warmes Brennen auf meiner Haut.

"Du siehst scheiße aus", bemerkt er. Ich nicke still. "Dann brauch ich ja gar nicht zu fragen wie es dir geht, oder?", fragt er und fixiert mich mit einem durchdringenden Blick.

"Scheiße", raune ich heiser. Roy nickt und ein leichtes Lächeln umspielt seinen Mund.

"Du bist dünn geworden", sagt er ernst. "Ich konnte nichts essen", gebe ich leise zurück.

"Ein wenig leid tust du mir schon, wenn ich dich jetzt so sehe, aber du hast es verdient", sagt er schulterzuckend.

Traurig nicke ich. "Ich weiß. Ich habe es verdient. Es tut mir unendlich leid, Roy", setze ich an, doch er unterbricht mich mit einem Handzeichen und bringt mich zum Schweigen.

"Ich kann das jetzt nicht, okay? Zumindest noch nicht. Du hast mich verarscht und verraten, das muss ich erstmal sacken lassen. Aber du musst dein Handy wieder anmachen und wieder zur Schule gehen", befiehlt er.

Überrascht sehe ich ihn an. "Woher weißt du.." "Ich weiß es einfach", schneidet er mir das Wort ab.

"Ich hole dich morgen von der Schule ab. Schreib mir, wann du aus hast", fährt er fort.

"Willst du schon wieder gehen?", frage ich traurig und sehe ihn aus großen Augen an. Ich habe im Stillen gehofft, dass er länger bleibt. Diese wenigen Minuten waren mir noch lange nicht genug.

Rot wie die LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt