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Keine vierundzwanzig Stunden nach meiner kurzfristigen Abreise aus Amsterdam stehe ich wieder im Rouge, was sich bei aller Grausamkeit immer noch besser anfühlt, als im Paradise irgendwo in Amsterdams Rotlichtviertel zu hocken. Mein Alltag holt mich schnell ein und auch wenn jeder Tag demselben gleicht, ist kein Kunde wie der andere. Deshalb habe ich angefangen, mir die kuriosesten, schlimmsten, außergewöhnlichsten aber auch schönsten Erlebnisse mit Freiern in mein Tagebuch zu schreiben, um sie nicht zu vergessen, während ein Tag nach dem anderen an mir vorbeizieht.

Tag 1
Ich hatte heute einen Freier, der sich Fridolin nannte, aber jedes Mal, wenn ich ihn mit diesem Namen ansprach, nicht reagierte. Ich konnte verstehen, wenn man aus Scham oder Angst anonym bleiben wollte, da war Fridolin ja kein Einzelfall, aber wie erregt kann man schon werden, wenn man beim Sex die ganze Zeit das Gefühl hatte, die Frau sprach mit einem anderen?

Tag 2
Heute hatte ich mal wieder ein ganz neues Erlebnis, und auch wenn es etwas war, auf das ich gut hätte verzichten können, so bin ich daran gewachsen.

Besucht hatte mich Mirko, von dem ich zuerst dachte, er würde genau wie Fridolin am Tag zuvor einen Decknamen benutzen, denn er sah eher aus wie ein Südländer mit seinen streng nach hinten gegelten dunklen Haaren und den braunen Augen. Er trug ein hellblaues Hemd mit irgendeinem weißen Print, Palmen oder Hibiskusblüten oder so; irgendwas, was ganz laut Hawaii schreien sollte, aber doch eher an den Ballermann erinnerte.

Das Hemd trug er so weit aufgeknöpft, dass neben seiner Königskette auch sein krauses Brusthaar zum Vorschein kam.
Mirko war laut, fordernd und unhöflich, was leider nichts neues in dieser Branche war, aber er unterbot alle seiner männlichen Artgenossen, die mir bisher begegnet waren, noch mal und brachte mein Bild von Männern auf ein ganz neues Level. Kurz gesagt: Sein Niveau hätte im Keller noch Höhenangst.

Optisch war er nichts besonderes, er würde in der Masse maximal durch sein schlechtes Outfit auffallen, aber er schien das anders zu sehen, denn er war wahnsinnig von sich selbst überzeugt.

Ich hatte gelernt mit schwierigen Männern umzugehen, mich ihnen anzupassen, sie auszugleichen. Ich kam mit den aufbrausenden klar, mit den egozentrischen, den arroganten, den leisen und lauten, den schüchternen, den frigiden und frivolen, aber ich hatte herausgefunden, dass ich nicht mit Männern wie Mirko klar kam.

In den ersten Minuten biss ich meine Zähne zusammen, schluckte seine dummen Sprüche und sein selbstverliebtes Gehabe, aber als er dann anfing, mich klein zu reden um sich über mich zu erheben, wurde ich sauer.

Schlussendlich war es "Jetzt zick hier nicht so rum wegen 'nem scheiß Gummi, die anderen Weiber hier machen auch alles ohne. Du führst dich auf wie meine Ex, und an diese verklemmte Zicke will ich nun wirklich nicht erinnert werden, wenn ich im Puff 'ne Nutte ficke", was mich platzen ließ.

Ich baute mich vor dem Mann auf, der kaum größer war als ich und sah ihm tief in die dunklen Augen. Dann antwortete ich mit ruhiger Stimme: "Das tut mir leid, denn jetzt kommt noch mehr, was dich an deine Ex erinnern wird. Ich werde dich nämlich genau so abservieren, wie sie es tat und du wirst mich genauso wenig ficken, wie du sie noch fickst."

"Was erlaubst du dir? Ich habe dich schon bezahlt, du Fotze!", schrie er und kam drohend auf mich zu.

"Und ich will dich auch nicht um dein Geld bringen, keine Sorge. Das Geld kriegst du natürlich wieder, damit du dir damit eine andere Frau kaufen kannst, denn anders kriegst du wohl keine ins Bett, richtig? Du hast bestimmt irgendwann mal so 'nen richtig fiesen Korb kassiert und versuchst seitdem mit deinem affigen Gehabe bei Frauen, die ohnehin nur gegen Geld mit dir schlafen, deine Komplexe zu kompensieren", schmiss ich ihm an den Kopf.

Rot wie die LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt