Unvollkommen

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Ich steige aus dem Bett und mache so leise wie möglich. Ich will dich ja nicht wecken. Mit nackten Füßen laufe ich über das Parkett in unserem Schlafzimmer und schleiche mich auf den Balkon. Nachdenklich zünde ich mir eine Zigarette an. Der Dampf zieht sich tief in meine Lungen. Eigentlich hatte ich aufgehört mit diesem Zeug aber in solchen Momenten brauche ich das Nikotin in meinen Lungen. Von außen kann ich dich durch die Scheibe beobachten. Ich liebe dich, aber irgendwas fehlt. Es ist so perfekt unperfekt. Ich kann es selber nicht beschreiben. Eigentlich sollte ich glücklich sein. Aber ich bin es nicht. Du opferst dich für mich auf. Du liest mir jeden Wunsch von den Augen ab. Alles würdest du für mich tun. Deine Liebe scheint keine Grenzen zu kennen. Dennoch, ich bin nicht glücklich. Unser Sex ist gut, aber langweilig. Ich ertrage diese Gleichberechtigung nicht. Jedes Mal wenn wir miteinander schlafen habe ich diese Dränge. Gedanken und Zwänge. Phantasien und Wünsche. Träume und Hoffnungen. Aber darüber kann ich nicht mit dir reden. Niemals würde ich das tun. Dafür kenne ich dich zu gut. Und ich weiß, wie provinziell du beim Sex bist. Am liebsten im Dunklen und unter der Decke. Gedankenverloren ziehe ich erneut von meiner Zigarette, während ich dich weiter beobachte. Ich bin verwirrt und komme nicht mehr mit mir selber klar. Was ist richtig und was falsch? Ist es denn der Sinn von meinem Leben, dass immer etwas fehlen wird? Muss ich immer einen Teil von mir verleugnen? Heimlich schaue ich Fetischpornos, suche das, was mich erregt. Ich weiß ja, was ich will. Und ich habe auch jemanden, der es mir geben würde. Doch die Angst ist groß. Die Angst vor dem Neuen. Was, wenn es mir in Wirklichkeit nicht gefällt? Ich drücke meine Zigarette aus und schleiche mich wieder ins Zimmer. Du drehst dich und atmest tief ein. Wie kann ich dich nicht lieben? Du bist so wunderschön und intelligent. Alles ist perfekt, wäre nur nicht der Sex. Ich setze mich auf die Kante unseres Bettes. Laut atmest du und drehst dich zu mir. Langsam schlägst du deine Augen auf und wir blicken einander tief an. "Beobachtest du mich?" Ich nicke. Langsam setzt du dich auf und schlingst deine Arme um mich. Doch ich wehre dich ab. "Was hast du?" Ich halte deinem Blick nicht stand. "Wir müssen reden Anna." Du scheinst noch nicht ganz klar zu sein und nickst schwach mit dem Kopf. Doch bevor ich mit reden beginnen kann, flüsterst du etwas. "Hast du mich betrogen?" "Nein! Wie kommst du darauf?" "Was ist es dann? Verlässt du mich?" Ich stehe auf und blicke aus dem Fenster und dann beginne ich zu sprechen. "Es tut mir leid Anna. Ich kann mit dieser Lüge nicht mehr länger leben." "Was für eine Lüge?" Und dann erkläre ich dir alles. Ich erzähle dir von meinen Fantasien und meinen Wünschen. Ich lasse nichts aus. Du sitzt schweigend da und lauschst meinen Worten. Als ich fertig bin, nickst du. Langsam erhebst du dich und gehst in Richtung unseres Bades. Bevor du hineingehst drehst du dich noch einmal um. "Ich danke dir für deine Ehrlichkeit. Ich weiß das zu schätzen. Verstehen kann ich es zwar nicht, aber ich kann dich nicht zwingen mit mir weiterhin zusammenzuleben. Ich muss es akzeptieren. Mir bleibt keine andere Wahl. Ich werde morgen meine Sachen packen und erst einmal bei einer Freundin wohnen." "Es tut mir leid Anna. Es ist nicht deine Schuld. Du weißt, dass ich dich liebe." Mit Tränen in den Augen siehst du mich noch einmal an. "Ich liebe dich auch Lucius! Das werde ich immer tun!"

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