Mühsam und erledigt erhebe ich mich aus meinem Bett. Es ist düster im Raum und ich höre, wie der Regen sanft gegen die Scheibe meines Fensters prasselt. Als ich mich im Badezimmer herrichten möchte, erblicke ich mein Gesicht im Spiegel. „Gott siehst du scheiße aus Nicolai!" Bei diesen Satz muss ich leicht grinsen. Ich konnte mein Gesicht am Morgen noch nie leiden. Doch heute versuche ich alles mit ein wenig Humor zu nehmen. Heute wollen die Ärzte das künstliche Koma von Megan beenden. Und genauso knittrig sehe ich auch aus. In meinem Kopf sind nicht einmal mehr Fragen. Es ist wie eine vollkommene Leere aus Angst und Sorge, welchen jeden normalen Gedanken abfängt und in ihre tiefe Dunkelheit zerrt. In die tiefe Dunkelheit, welche man auch in meinen leeren, glasigen Augen erkennen kann. Normalerweise sollte ich vor Freude strahlen, kann ich doch bald meine geliebte Megan wieder in die Arme schließen. Doch kann ich das wirklich? Ich habe Angst. Schreckliche Angst, dass sie nicht wieder aufwacht oder es irgendwelche Komplikationen auftreten und ich sie endgültig verliere. Ich habe keinen Hunger und meinen Kaffee lasse ich auch stehen, nachdem ich einen Schluck getrunken habe. Nichts bekomme ich runter. Alles fühlt sich merkwürdig und falsch an.
Im Krankenhaus angekommen sehe ich Dasha und Lucius im Wartezimmer sitzen. Sie halten sich an den Händen und sehen sichtlich nervös aus. „Hey..." „Nicolai. Der Arzt war gerade bei uns und sagte, dass es bald losginge. Ich bin nervös." „Ich auch Dasha...ich auch..." Schweigend sitzen wir nun nebeneinander. Angespannt warten wir darauf, dass endlich ein Arzt zu uns kommt und das Startsignal gibt. Aber minutenlang passiert nichts. Das einzige Geräusch ist lediglich das monotone Prasseln des Regens, welcher unermüdlich scheint. So als würde er für uns unsere Angsttränen zum Vorschein bringen. Die Tür des Zimmers geht auf und ein weißer Kittel kommt herein. „Wir können anfangen." Ohne einen Ton zu sagen begleiten wir den Arzt in das Zimmer von Megan. Jedes Mal wenn ich sie so erblicke sammeln sich in meinen Augen kleine Tränen und mein Magen zieht sich schmerzhaft zusammen. Doch diesmal ist da nichts. Ich spüre nur den nasskalten Schweiß an meinen Händen. Eine Schwester steht schon bereit, um alles zu überwachen. Seit einigen Tagen wurde das Narkosemittel Megans langsam herabgesetzt und heute sollte das Narkosemittel komplett abgesetzt werden. Dennoch kann es einige Tage dauern, bis sie vollkommen da ist. Und in diesen Tagen werde ich ihr nicht von der Seite weichen. Das steht für mich fest, denn ich will der Erste sein, den sie sieht, wenn sie wieder aufwacht. Und dann ist es so weit. Der Arzt entfernt den Tropf mit dem letzten Narkosemittel. Auch der Intubationsschlauch wird entfernt. „Jetzt liegt es an Frau Shelter. Aber wir sind zuversichtlich. In den letzten Tagen waren ihre Werte immer stabil." Danach verlässt er das Zimmer. Ich setze mich an Megans Bett und greife mir ihre Hand. Eine Schwester berührt sanft meine Schulter. „Nicolai? Bist du wach?" Ich schrecke hoch und spüre ein Ziehen in meinem Rücken. Fragend blicke ich in das Gesicht von Schwester Melanie. „Wie spät ist es?" „Es ist 7 Uhr." „Ich muss eingeschlafen sein. Aber wann? Ich saß noch mit Lucius und Dasha an Megans Bett. Und dann hörte ich nur noch den monotonen Regen, wie er langsam sein Klagelied an das Fenster schrieb." Melanie lachte. „Es ist so früh am Morgen. Wie kannst du da nur so poetisch sein?" Ich kratze mich am Kopf und strecke mich. „Wie sind die Werte?" „Megans Puls und Sättigung ist im Grünen Bereich. Auch ihr Herz schlägt stark. Alles sieht gut aus." „Das ist doch gut oder?" „Natürlich. Du solltest etwas Essen. Du siehst ziemlich erschöpft aus. Ich bin hier, wenn etwas ist." Ich nicke und stehe auf um meinen Magen zu füllen.
So streichen die nächsten Tage dahin. Ich komme kaum nach Hause. Nur um mir saubere Kleidung zu holen oder für eine schnelle Dusche. Ich ernähre mich von Krankenhausessen und Automatensnacks. Dasha bringt mir ab und an etwas selbstgemachtes mit. Aber das war es auch schon. Ich sitze Tag ein und Tag aus neben der Liebe meines Lebens und rede mit ihr. Erzähle ihr alles, was mir durch den Kopf geht, nur um die Stille im Raum zu füllen. Selbst der Fernseher zeigt nur Mist, weswegen ich ihn am dritten Tag gar nicht mehr anstelle.
Der sechste Tag bricht an und auch dieser ist wieder gekennzeichnet von Regen und Dunkelheit. Ich halte wie immer ihre Hand und drücke meine Stirn daran. Zärtlich küsse ich ihre Hand und lege sie zurück, stehe auf und will mir ein neues Getränk holen, doch irgendwie komme ich nicht vom Fleck, als würde ich festhängen. Und dann höre ich ein leises „Nicolai...". Ruckartig drehe ich mich um, glaube ich doch im ersten Moment ich würde halluzinieren. Doch da ist sie. Megans Hand hält mich zärtlich fest. Mein Atem kommt nur ruckweise aus meiner Lunge und jeder einzelne Zug, welchen ich versuche in meine Lunge zu saugen schmerzt wie tausend einzelne Nadelstiche. Ich spüre den Puls in meinem Kopf schlagen und das Zimmer beginnt langsam sich zu drehen.

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Azurit
Romance(EROTIK/ROMANCE) Megan ist Domina und hat sich gerade für einen neuen Sklaven entschieden. Sie will ihn trainieren, doch sie verliert die Kontrolle. Die Kontrolle über ihre Gefühle. Alles gerät aus den Fugen. Sie beginnt ihr Leben und ihre Bestimmun...