2. Chance

3.6K 63 7
                                    

Ich sehe Nicolai in die Augen. Noch immer bin ich verwirrt und weiß mit meinen Gefühlen nicht wohin. Am liebsten würde ich ihn in den Arm nehmen und sagen, dass ich ihm alles verzeihe, aber das würde unsere jetzige Situation und auch die Zukunft nicht verbessern. Aber bin ich denn noch wütend auf ihn, oder ist es einfach nur Kränkung? Er hat mir wehgetan. Nicolai hat mich verletzt. Er hat dieses Spiel zu weit getrieben. Ich muss stark bleiben. Darf mich einfach nicht von seinem traurigen Blick einfangen lassen. Vielleicht spielt er das Ganze auch nur? Vielleicht treibt er wieder ein perfides Spiel mit mir? Die Zeit verstreicht und ich merke, dass Nicolai auf eine Antwort von mir wartet. Ich straffe meine Schultern und lehne mich an die Küchenzeile in meinem Rücken. "Das ist alles? Ein 'es tut mir leid'? Denkst du, dass macht alles wieder gut? Denkst du, damit kannst du alles was war aus der Welt schaffen? Du hast mich verletzt! Du bist auf meinen Gefühlen herumgetrampelt. Du hast mich behandelt, als wäre ich dein Eigentum. Und nicht wie eine Sub, sondern wie einen Haussklaven. Warum?" Nicolas Blick wirkt verzweifelt. Seine Augen halten meinem Blick nicht mehr stand und er senkt ihn. Nicolais Hände krallen sich in die Arbeitsplatte. "Megie ich..." "Nenn mich nicht so. Dazu hast du kein Recht mehr." "Du hast recht. Tut mir leid. Megan ich kann nicht mehr gutmachen was damals passiert ist. Das weiß ich! Aber ich kann dir beweisen, dass ich mich geändert habe. Du musst mir nur eine 2. Chance geben." Ich verschrenke die Arme. "Ich weiß nicht ob ich das kann!" Nun tritt er auf mich zu. Seine Hände legen sich auf die Meinen. Sie sind feucht. Nicolai scheint ziemlich unsicher zu sein. Irgendwie koste ich diesen Moment aus. Ich genieße die Macht, welche ich über ihn habe. Jetzt wollte ich ein Spiel spielen. "Wie kann ich sichergehen, dass du es diesmal ernst meinst?" Nicola sieht mir in die Augen. Noch immer sind sie feucht. "Ich tue alles was du willst Megan." "Alles?" "Ja!" Ich grinse süffisant in sein Gesicht. "Okay es gibt da einen Typen den ich zum Tod nicht ausstehen kann." "Ja?" "Bring ihn um!" "Was? Aber...aber warum?" "Weil er mir mehr wehgetan hat, als du." "Und was hat er getan Megan?" "Das hat dich nichts anzugehen!" Nicolai geht wieder einen Schritt zurück. Sein Blick hat sich verändert. "Ich will es wissen Megan!" "Warum Nicolai? Hast du mir jemals von deinem Leben berichtet? Du hast dich immer nur verschlossen. Aber ich...über mich weist du so viel! Ich weiß nach all den Jahren nicht einmal, wo genau du geboren wurdest!" Ich höre auf zu reden, denn ich habe das Gefühl, dass sich meine Stimme überschlägt, wenn ich weiter spreche. Er hat kein Recht darauf, mich so etwas zu fragen. Jeder, aber nicht er. Ich merke, wie Tränen in mir hochsteigen. Nein! Ich will diese Erinnerung nicht. Ich will einfach nicht an ihn erinnert werden. Nicht einmal Alice hatte ich das damals erzählt. Ich tat einfach so, als wäre alles in Ordnung. Keiner merkte, wie ich mich fühlte. Und das war auch immer gut so. Warum muss Nicolai denn jetzt so nachhaken? Er nimmt mich in die Arme und ich lege meinen Kopf auf seine Brust. "Also geboren wurde ich in Leningrad dem heutigen Sankt Petersburg. Mein Vater war ein sehr aufbrausender Mann...und streng..Er war bei der Armee...naja irgendwann ist er gestorben. Ich glaub da war ich 13? Ja genau...das war kurz vor meinem 14. Geburtstag. Meine Mutter war Kellberin und arbeitete meist Abends. Deswegen musste ich schnell selbständig werden. Meine Oma passte zwar auf mich auf. Bis sie die Treppe in unserem Haus runterstürzte und starb. Da war ich übrigens 9." Ich blicke Nicolai an. Das hatte er mir nie erzählt. Ich wollte gerade zum reden ansetzen, als er mir einen Finger auf den Mund legte. Ein Grinsen trat auf sein Gesicht. "Jetzt rede ich. Also meine Mam lebt mittlerweile in Deutschland. In Berlin um genau zu sein. Sie hat dort ein kleines Atelier. So jetzt darfst du." Er löst den Finger von meinem Mund. Ich lehne mich zurück und sehe ihm tief in seine Augen. Sein Blick ist voller Liebe. Mein Herz macht einen Sprung. Es schreit: 'Er öffnet sich juhu!'. "Wie kamst du nach Deutschland?" "Das ist leicht gesagt. Meine Mam hatte eine Affäre mit einem Deutschen Mann. Als mein Dad starb, nutzte sie unsere Chance und wir zogen zu ihm nach Deutschland. Ich bin dann irgendwann ausgezogen und hier nach Frankfurt gekommen. Und bis heute liebe ich diese Stadt." Ich kann Nicolai verstehen. Frankfurt ist auch schon immer meine Leidenschaft. Ich zog nach Frankfurt, weil ich diesen Flavour liebe. Man läuft durch die Straßen und wenn man den Blick gen Himmel richtet, sieht man Glasfassaden, Gebäude und Flugzeuge. Gut Flugzeuge sieht man nicht nur in Frankfurt, aber hier hat es seinen eigenen Charme. Alles wirkt so groß und amerikanisch. Viele mögen es zwar nicht, aber ich finde es schön in der Masse unterzugehen. Niemandem auffallen. Als ich das erste Mal in Frankfurt war, stieg ich aus meinem Wagen, nach ewiger Parkplatz suche,  und wurde prompt von jemandem nach einer Zigarette gefragt. Ich war fasziniert und wusste nicht, wo ich als erstes hinlaufen sollte. So viel gab es zu entdecken. Der erste Tag in Frankfurt raste davon. Und ich wusste, hier wollte ich bleiben. Doch hatte ich nicht die finanziellen Mittel dafür. Als ich mit Nicolai eine Beziehung führte, wohnte ich irgendwann bei ihm. Das Pendeln von Frankfurt nach Nürnberg wurde mit der Zeit Kräfte zerrend. Und als das zwischen mir und ihm zuende war, wollte ich hier nicht mehr fort. Anfangs blieb mir keine andere Wahl, bis an diesem einen Tag. Nicolai lächelt mich an. "Wo bist du gerade?" "Entschuldige. Du hast Recht Frankfurt ist und bleibt die schönste Stadt." "Sagt die Frau aus Nürnberg." Nicolai weiß noch nicht, dass ich hier wohne? Aber von Lucius wusste er doch auch. "Ich wohne hier. Weist du das nicht?" "Natürlich weiß ich das, aber du bist und bleibst eine Bayerin." Ich verschrenke meine Arme vor der Brust und schnaube verächtlich. "Ich bin doch keine Bayerin. Mein Vater ist Brite und meine Mutter Französin. Ich bin natürlich hier geboren, aber ich habe keinen bayrischen Dialekt." Nicolai stuppst auf meine Nase und lacht herzhaft und schelmisch zugleich. "Ich weiß Kleines. Aber sag, wie du es hierher geschafft hast. Vor allem ins Westend Nord. Das schaffe nicht einmal ich." Ich drehe mich im Kreis und deute auf den Raum. "Du hast es doch auch weit geschafft." "Ja, das schon aber nicht so wie du. Wie hast du das geschafft." Ich zwinkere und zucke mit den Schultern. Auch ich möchte mir ein kleines Geheimnis schaffen. Außerdem geht es in diesem Gespräch gerade nicht um mich. Ich drehe mich von Nicolai weg und ziehe mir einen Barhocker heran. Und wie immer muss ich mehr auf den Hocker klettern als steigen. Wieso muss ich auch so klein sein. Ich messe gerade einmal 1 Meter 60. Mit meinem Fuss schiebe ich den anderen Hocker von der Tischkante, damit Nicolai sich setzen kann. "Es geht hier nicht um mich Nicolai." "In gewisser Weise schon. Sag mir, was der Mann, den ich töten werde getan hat." "Er hat mich vergewaltigt." Nicolai stand wütend auf und ballte die Fäuste. "Wer war es? Sag mir welches Schwein das getan hat!" "Mein erster Freund." Nicolai sieht mich fragend an. Er setzt sich wieder an den Tisch und lehnt sich mit einem tiefen Seufzer zurück. Er greift nach meiner Hand und ich sehe sie an. "Es war kurz vor Ende unserer Beziehung. Ich wollte ihn aus Spass beherrschen. Naja er hat es nicht als Spass angesehen, dass ich ihn ans Bett fesselte. Als ich ihn losband, griff er mir an die Gurgel und beschimpfte mich. Ich verstand gar nicht warum er so böse war. Lange war er nicht angebunden. Er drückte mich aufs Bett und zog an meiner Kleidung. 'Du magst es also hart und dreckig. Ich werde dir zeigen, wie hart es sein kann du miese Bitch.' Und das zeigte er mir dann auch. Ich wehrte mich aus Leibeskräften. Ich schrie, kratzte und biss, aber ich konnte mich gegen ihn nicht wehren. Es fühlte sich schrecklich an. Er tat mir so weh. Ich habe geschwiegen und niemandem etwas gesagt." Stille liegt im Raum. Wir blicken uns in die Augen. Es ist einer dieser Blicke, wo keine Worte gebraucht werden. Jeder weiß, was der andere denkt und fühlt. Man spürt das Verständnis und die Wärme, die diese Blicke aussenden. Und dann setzt Nicolai zum Reden an. "Ich war ein Arsch. Ich hatte Angst mich zu sehr auf dich einzulassen. Das mit uns wuchs mir über den Kopf. Ich merkte zunehmends die Gefühle und wollte mich dagegen wehren. Ich dachte, wenn ich dich schlecht behandle, dann vergehen auch die Gefühle. Ich wollte dich als Sache betrachten. Irgendwann verlor ich selber den Überblick und wurde immer wütender, auf dich und mich. Du, weil du die Gefühle ausgelöst hast und ich weil ich keine Kontrolle hatte. Ich hätte dich nicht so behandeln dürfen. Es tut mir so leid Megan." "Warum wird es diesmal anders?" "Weil ich weiß, was ich empfinde." "Das wäre was?" Nicolai steht vom Tisch auf und dreht sich weg. "Bitte verlange das nicht von mir!" Ich gehe auf ihn zu und umarme ihn von hinten. "Ist okay." Nicolai dreht sich um und lächelt. "Also wie kommst du in diese Gegend, und außerdem zu einer alten Jugendstilvilla?" Ich kichere. "Ganz einfach. Ich bekam ein Schreiben, dass man die Wohnung meines Großonkels oder so in Paris geöffnet hatte. Sie stand Jahrzehnte leer. Er ist damals im Krieg verschwunden und keiner hatte es bemerkt, dass diese Wohnung leer steht. Das muss man sich mal vorstellen. Naja und meine Mutter ist nicht mehr fähig irgendwas zu regeln und schon gar nicht mehr geschäftsfähig. Also holte ich die Sachen und dort fand ich einige Gemälde von Giovanni Boldini. Naja ich verkaufte 3 von ihnen und dann plötzlich war ich reich. Ich kann es bis jetzt nicht glauben. Aber nun zu uns. Ich dachte, du hättest mir im Auto etwas versprochen." Ich lache und ziehe ihn an seinem Hemd aus der Küche. Ich stolpere über die Couch. Nicolai fällt auf mich. Wir lachen und dann blicken wir uns in die Augen und küssen uns voller Leidenschaft. Nicolai greift auf den Tisch und plötzlich ertönt Musik. Der Moment ist romantischer als alles was ich bisher erlebt habe. Ich schließe die Augen und lasse mich fallen.

So mal wieder ein kurzes Kapi zwischen Arbeit, Putzen, Kochen, Ummeldesachen und Arztterminen erledigt....Ich hoffe es gefällt...

Lilly ❤❤❤❤

AzuritWo Geschichten leben. Entdecke jetzt