Heaven or Hell?

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Halli hallo meine lieben,
Ich bin genauso erstaunt wie ihr, dass ich es geschafft habe heute ein Kapitel hochzuladen. Aber da wir dieses Wochenende einen kleinen Ausflug nach Italien machen, kam mir die Autofahrt doch ganz gelegen! Ich hoffe es war nicht zu tragisch für euch, dass Jonas gestorben ist. Ähm ja. Wie es weiter geht erfährt ihr übrigens jetzt.
Das Kapitel widme ich übrigens einem Menschen der in meinem Leben eine wichtige Rolle spielt.
Meine kleine Schwester Ann-Kathrin. Ich hab dich total lieb und bei uns ist fast so wie bei Julien und Charly in diesem Kapitel. Ein Gespräch kann viel ausmachen...
Hab dich lieb!
Ab jetzt wird es übrigens immer einen "Soundtrack" zu jeden meiner Kapitel geben. In diesem Fall ist es
"Überleben" von Eisblume.

Eure

Anna-Lena

Es wunderte mich nicht, dass Jass erlaubt hatte, dass ich heute wieder nicht nach Hause kam. Wahrscheinlich war sie froh, dass ich mal etwas mit jemand anderem als Emilia unternahm. Der Gedanke war ihr ja auch nicht zu verübeln. Ganz im Gegenteil. Und ich? Wie ging es mir dabei? Julien hatte mir eben eine Seite an ihm gezeigt, die mir echt Angst machte. Ich meine, er feuert einen einzigen Schuss ab und trifft! Und das ganze während er mit 280 Sachen über die Autobahn brauste.
Das konnte doch kein Zufall gewesen sein. Zwischen Julien und mir lag ein kaltes Schweigen, dass just in diesem Moment von meinem Handy unterbrochen wurde. Bevor ich ranging, warf ich einen Blick auf meine Hände. Das meiste Blut hatte ich bereits mit ein paar Taschentüchern abgewischt und trotzdem blieb ein rötlicher Rest übrig der nicht nur an meinen Fingern haftete, sondern auch an meiner Seele.
Mit zitternden Händen nahm ich den Anruf entgegen.
"Oh Gott Charly! Endlich erreiche ich dich. Geht es dir gut?", brabbelte Em gleich panisch los.
"Ich hab die Schüsse gehört und dich mit Julien draußen gesehen... Du glaubst gar nicht was für Sorgen ich mir gemacht habe. Selbst Samantha hat mich gefragt ob es euch gut geht. Sie war ganz bleich."
Ich räusperte mich still um meine Stimme wiederzufinden, dann antwortete ich: "Em! Mir und Julien geht's gut. Uns ist nichts passiert. Wie... Was... Ist Jonas...?"
Schon wieder sammelten sich Tränen in meinen Augen, aber ich wollte nicht mehr weinen. Nicht solange ich nicht wusste, was hier eigentlich los war.
"Jo hat's nicht geschafft... Er ist tot.", berichtete sie mit dünner Stimme.
"Okay Em... Ich weiß noch nicht wann ich wieder komme. Ich muss erst mal... eine kleine Auszeit nehmen. Und bitte, tu mir den Gefallen und sag Jass nichts. Sie würde ausrasten.", entschied ich dann langsam und kniff die Augen zusammen.
"Ist doch klar! Süße, wenn du irgendwas brauchst rufst du mich an, versprochen?"
Mitleid war gerade das letzte was ich brauchte aber das sagte ich ihr nicht.
"Versprochen!", meinte ich und legte auf.
Julien warf mir einen Blick zu. Darin konnte ich Schmerz erkennen aber das interessierte mich momentan nicht. Ich versuchte weiterhin ihn zu ignorieren.
Inzwischen waren wir schon lange nicht mehr auf der Autobahn, geschweige denn, irgendwo wo ich mich orientieren konnte. Jonas hatte mich vor Julien gewarnt. Ich hätte ihm glauben sollen. Vielleicht wäre es dann alles ganz anders verlaufen.
"Nein, wäre es nicht.", flüsterte Julien neben mir und fuhr auf einen kleinen Parkplatz mitten im Wald. Vor uns führte ein kleiner Wanderweg zu einer alten Burgruine.
Verwirrt blickte ich ihn an. Woher wusste er, was ich gedacht hatte?
"Man sieht es dir an.", erklärte er gleich. Und da war es wieder. Dieses Ding, dass uns so tief mit einander verband. Ich fühlte, dass er aufgebracht und... nervös war. Nervös? Ja tatsächlich. Danach schwiegen wir wieder. Julien drehte den Schlüssel in der Zündung und der Motor erstarb. Genauso wie Jonas.
"Die Kugeln waren für mich bestimmt, nicht wahr?", fragte ich nach einiger Zeit leise und blickte vor mir in den Wald. Julien antwortete nicht sofort. Aber das brauchte er auch gar nicht. Ich wusste wie die Antwort lautete.
"Ja, sie hätten dich treffen sollen.", sagte er dann emotionslos. Vorsichtig sah ich ihn an. Er hatte den Kopf auf die Kopfstütze gelegt und die Augen geschlossen. Er war wunderschön.
"Warum?", wisperte ich nach drei, vier Minuten des Schweigens.
Er seufzte. "Charly, dass ist kompliziert und alles schon lange vor deiner Zeit beschlossen worden."
Seine Antwort machte mich wütend. Wir waren hergekommen um uns auszusprechen und was tat er? Er redete in irgendwelchen epischen Rätseln! Okay vielleicht war ich zu dem Zeitpunkt auch ein bisschen mit allem überfordert.
"Wenn es deswegen ist, könnt ihr sie gerne haben.", sagte ich scharf und zerrte die Kette unter meiner Kleidung hervor.
Julien musterte erst mich, dann die Kette.
"Lass mich raten: Du kriegst sie nicht mehr ab, oder?" Seine Stimme war müde und drang nur knapp bis in meinen Kopf vor.
"Nein, das tue ich nicht. Aber ich würde einiges dafür tun, es zu können.", schrie ich und türmte aus dem Auto. Von meinen Gefühlen erdrückt ging ich einige Schritte in Richtung Wald. Hinter mir schlug Julien seine Autotür zu und folgte mir. Natürlich.
"Was bist du?", Schrie ich wütend und spürte, dass mir Tränen in den Augen brannten.
"Wenn ich das selber genau wüsste, würde ich es dir sagen." Ich wusste, dass er ziemlich nah hinter mir stand.
Denn ich konnte seinen Atem in meinem Nacken spüren. Die feinen Haare auf meinen Armen stellten sich auf.
"Das heißt Jo hatte Recht?"
"Ja.", gestand er direkt.
Vorsichtig drehte ich mich zu ihm um und war mit seiner Brust auf einer Höhe. Langsam kletterte mein Blick an ihm empor, bis ich mich in seinen Augen verlor. Es war als spiegelte das ganze Universum sich darin. In meinem ganzen Leben war ich noch nie jemandem begegnet der so einzigartige Augen hatte.
"Was war dein Job hier?", fragte ich und legte meine Hände auf seine Brust und fixierte sie mit meinen Augen.
"Die Trägerin der Kette zu beseitigen."
Mein Blick zuckte zu seinem Gesicht und ich musste schlucken. Er sollte mich töten? Schmerz fraß sich in mein Herz. Unheilbar für immer.
"Okay. Dann tu es. Was habe ich schon zu verlieren?", fasste ich meinen Entschluss. Wenn ich damit den Rest der wenigen Menschen retten konnte, die mir etwas bedeuteten so würde ich es tun. Sofort.
Etwas kaltes tropfte auf mein Gesicht. Ich sah in den grauen Himmel über uns und wieder fiel ein Tropfen auf mich hinab.
Mutig blickte ich wieder zu Julien. Der Regen durchnässte seine Kleidung und seine Haare fielen ihm in die Stirn. Er zog die Pistole aus seinem Hosenbund und zielte auf meine Stirn. Es war das zweite Mal das heute jemand auf mich zielte. Man könnte meinen, ich hätte mich dran gewöhnt. Aber das würde ich mich wohl nie.
Ich schloss die Augen, ließ die Arme entspannt sinken und wartete. Dort oben würde ich wieder mit Jo vereint sein und mich bei ihm entschuldigen. Der Regen war schon fast angenehm auf meiner Haut. Meine Haare klebten mir im Gesicht und ich war nass bis auf die Unterwäsche. Ob man wohl so vor Gott trat, wie man im Augenblick seines Todes aussah? Vielleicht würde ich Gott auch nie kennenlernen, weil ich in die Hölle kam. Ach so ein Quatsch! Ich glaubte nicht an die Hölle.
Warum passierte nichts mehr? War ich schon tot? Beunruhigt öffnete ich meine Augen.
Julien stand mit gegenüber. Seine Lippen waren ein dünner Strich und die Hand, mit der er die auf mich gerichtete Waffe hielt, zitterte. Ich lebte also noch.
Drück doch einfach ab, dachte ich und sah ihm in die Augen.
Ich hatte keine Ahnung, wie lange wir so voreinander standen und Julien mit sich rang. Aber Zeit war egal. Spätestens wenn ich im Himmel war.
"Shit!", schrie Julien dann plötzlich und warf mit einer schnellen Bewegung die Pistole weit von sich weg. Dann sank er auf dem Boden zusammen.
"Ich kann das nicht!", flüsterte er und fuhr sich aufgebracht durch die Haare.
"Was kannst du nicht?", wollte ich wissen, ging zu ihm und nahm seine Hände. Er sah mich an und schüttelte den Kopf. Waren das Tränen in seinen Augen? Wahrscheinlich nicht! Das waren nur Regentropfen, von dem Gewitter, dass inzwischen erbarmungslos auf uns niederprasselte.
"Die Frau umbringen die ich liebe!", sagte er heiser.
Ich lächelte heiser. Das musste der Himmel sein. Definitiv.
"Ich muss tot sein.", philosophierte ich und suchte in Juliens Gesicht nach Beweisen dafür, dass ich es nicht war. Er legte seine Hände um mein Gesicht, als wir beide aufgestanden waren. Über uns donnerte es laut.
"Ich werde alles dafür tun, dass du es nie sein wirst.", schwor er und küsste mich. Seine Händen hielten mich ganz fest, als wollten sie mich nie wieder freigeben. Währenddessen fuhr ich mit meinen Händen durch seine nassen schwarzen Haare. Nach einer halben Ewigkeit lösten wir uns voneinander. Julien rannte zum Wagen, holte einen großen Rucksack hervor, kam zurück, nahm meine Hand und gemeinsam liefen wir durch den Wald hoch zur alten Burgruine.
Wenn ich die Wahl zwischen Himmel und Hölle hätte, würde ich mich dafür entscheiden, genau dort zu bleiben wo ich gerade war:
An Juliens Hand, im strömenden Regen, mitten im Nirgendwo...

Schattenkette (PAUSIERT!)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt