Überraschung

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Im Bad rauschte die Dusche gleichmäßig und Julien pfiff leise eine mir unbekannte Melodie vor sich hin. Auf Socken ging ich um die Kochinsel herum zum Kühlschrank. Ich fischte mir die Flasche Cola zwischen einem Glas Marmelade und der Nutella heraus und schüttelte mir ein Glas voll. Dann nahm ich mir mein Handy und ging auf den Balkon. Die Sonne brannte noch immer ohne Erbarmen auf meine Stadt hinab und malte tiefe Schatten auf Straßen und Gehwege.
Aus einem schnellen Entschluss heraus, wählte ich die Nummer meiner besten Freundin.
Ich stellte auf Lautsprecher und legte das Handy auf den Tisch, neben dem Stuhl auf dem ich saß. Während die Verbindung hergestellt wurde, ging ich noch mal kurz rein und schnappte mir meine Sonnenbrille. Im selben Moment in dem ich mich auf der Sonnenliege zurücklehnte, nahm meine beste Freundin den Anruf entgegen.
"Hey Charly.", begrüßte sie mich.
"Hey Em. Wir geht's?", fragte ich.
"Ging schon mal besser. Ich vermisse Jo."
Ich schluckte trocken. Aber da musste ich jetzt durch. Vielleicht hatte ich Em auch aus dem Grund angerufen, um mit ihr über Jo's Tot zu reden.
"Ich auch.", erklärte ich als ich meine Stimme wiedergefunden hatte.
"Wie geht's dir? Ich meine du warst dabei."
"Was soll ich sagen? Es ist kein schönes Gefühl, wenn jemand in deinen Armen liegt, den du dein ganzes Leben schon kennst und weißt dass er stirbt. Und was noch viel schlimmer ist, ist wenn du weißt dass du absolut nicht helfen kannst."
Auf der anderen Leitung war ein Schluchzen zu hören. Sie atmete tief durch ehe sie weiter sprach:
"Ja, ich kann es mir in etwa vorstellen."
Nein, dass konnte sie nicht. Aber das wollte ich ihr nicht vorwerfen.
"Egal. Erzähl mir was neues.", lenkte ich von Thema ab und wischte mir eine einzelne Träne vom Gesicht.
"Die Polizei hat ja Ermittlungen eingeleitet, ist aber noch nicht sehr weit gekommen. Da man euch momentan nicht antrifft. Aber es wird inzwischen vermutet, dass nicht Jo getroffen werden sollte. Angeblich eher du oder Julien, aber das kann ich mit nicht vorstellen. Julien ist bestimmt nicht in irgendwelche Bösen Machenschaften verwickelt."
Wenn sie wüsste, dachte ich nur und Trank einen Schluck Cola.
"Das heißt ja dann..." Sie unterbrach sich plötzlich selbst. Verwirrt zog ich die Augenbrauen zusammen.
"Oh mein Gott Charly. Was ist wenn es David war? Weil du mit ihm geredet hast? Wenn er sich rächen wollte? Ich weiß, dass er es gar nicht abkann wenn jemand ihn in seine Schranken weist. Vor allem du! Er hatte immer ein Problem mit dir!"
Schlagartig fiel mir die Nacht in der Julien mich vor Em's gewalttätigem Exfreund gerettet hat, bevor dieser mit mir sonst was angestellt hätte, wieder ein.
Verunsichert schob ich mir die Sonnenbrille in die Haare und setzte mich auf. Ems Theorie war gar nicht so weit hergeholt. Was wenn es gar nichts mit Julien oder der Kette zu tun hatte? Wenn es tatsächlich David war, der mir eine reinwürgen wollte?
"Charly, es tut mir so leid. Du solltest zur Polizei gehen und endlich die Aussage machen, die sie eh von dir brauchen.", schlug sie vor.
"Nein Em, das werde ich nicht. Ich will mit dem ganzen Scheiß nichts zu tun haben und erst Recht werde ich niemanden so beschuldigen. Nicht mal so einen Idioten wie David. Und ohne handfeste Beweise machen die so oder so nicht viel.", tat ich ihren Vorschlag ab. Wenn die Polizei etwas von MIR wollte, so sollte sie zu MIR kommen. Nicht anders rum. Fertig aus!
"Wahrscheinlich hast du Recht! Aber...."
"Em!", unterbrach ich sie. "Ich werde nicht zur Polizei gehen und damit Schluss.", sagte ich barsch.
"Charly! Ich mach mir nur Sorgen um dich. Wenn dir etwas passiert, könnte ich mir das nie verzeihen. Immerhin war ich die Person, die dich gebeten hat mit ihm zu reden, also wenn jemand Schuld ist, dann ich.", warf sie sich selber vor. Auch wenn es eventuell stimme, konnte ich nicht hören wie meine beste Freundin mit sich kämpfte.
"Ach Em, sag so was nicht! Ich hab doch gefragt, ob ich mit ihm reden soll. Mach dir keinen Kopf. Es wird alles gut gehen.", beruhigte ich sie.
Ich hörte wie sie stöhnte und schloss die Augen.
"Em, ich glaube Julien ist fertig mit duschen. Wir sehen uns spätestens nächsten Montag in der Schule."
"Oh okay. Ich versteh schon! Versetz deine beste Freundin ruhig für den heißesten Kerl der Schule. Ich kann damit leben." Sie tat gespielt beleidigt.
"Klar mach ich doch immer Schatz. Bis Montag.", lachte ich.
"Ja ja! Geh nur." Sie lachte ebenfalls. "Bis dann, Süße."
Danach beendete sie den Anruf und die Leitung war tot. Seufzend legte ich mich wieder zurück und setzte die Sonnenbrille wieder auf. In der letzten Zeit war so unglaublich viel passiert und ich war irgendwie immer noch der Meinung, dass es einfach nur ein Traum war. Aber als ich mich in den Arm kniff, war der Schmerz dann doch sehr real.
Mit der Hand griff ich nach meinem Glas Cola und leerte es in einem Zug. In der Wohnung wurde das Wasser ausgestellt und Julien kam wenige Minuten später, nur mit einem Handtuch bekleidet, heraus.
Er sah göttlich aus. Die nassen Haare hingen ihm in die Stirn und einige Wassertropfen rannen über seine Brust und verschwanden unter seiner Hüfte im Handtuch. Ich biss mir auf die Lippe um bei einem solchen Anblick nicht aufzustöhnen!
"Charly?", hallte es durch die Wohnung, da er mich noch nicht entdeckt hatte.
Leise kicherte ich kurz. "Ich bin hier.", antwortete ich danach lauter.
Er sah mich und kam raus zu mir auf den Balkon. Vor Aufregung erwärmte meine Kette sich und sandte angenehme Wellen durch meinem Körper.
"Hier bist du also." Julien lehnte sich so über mich, dass er die Sonne verdunkelte. Ein, zwei Wassertropfen aus seinen Haaren fielen auf mich hinab und ich sprang auf. "Ihh! Pass auf, wo du hintropfst, DuCraine!", kreischte ich auf und suchte Schutz hinter der Kochinsel.
"Verzeiht mir, Ma'am! Es war nie meine Absicht, euch zu erzürnen.", sprach er und ich dachte, dass ihm dieses etwas veraltete Sprachbild gut stand.
"Du schaust so nachdenklich, ist alles okay?", fragte er und kam zu mir. Ich löste mich aus meiner Starre und blickte ihn an.
"Klar.", meinte ich knapp. Würde er mir jemals etwas aus seiner Vergangenheit erzählen? Geschichte hatte mich schon immer interessiert und ich konnte es gar nicht erwarten, etwas von ihm zu hören. Immerhin war er bei vielen wichtigen Geschehnissen unserer Historie dabei gewesen.
"Ich sehe doch, dass dich etwas beschäftigt. Hat es etwas mit mir zu tun?" Er ließ nicht locker. Natürlich nicht. Sonst wäre ja nicht Julien DuCraine.
"Es ist nur so... Julien wirst du mir jemals etwas aus deiner Vergangenheit erzählen? Ich möchte so viel wissen. Napoleon. Französische Revolution.", zählte ich auf. "Was du getan hast. Was für andere Welten du gesehen hast."
Für ein paar Minuten blieb er absolut still und sah mich nur skeptisch an.
"Okay. Ich werde dir etwas erzählen. Ich bin in gewisser Weise ja auch froh, mal darüber reden zu können." Er lächelte und ich klatsche begeistert in die Hände. "Super!", quietschte ich.
"Aber erst werde ich mich anziehen.", meinte er entschuldigend und deutete auf seine nackte Brust.
"Mmm. Okay. Wahrscheinlich könnte ich mich sonst nicht mehr richtig auf deine Geschichten konzentrieren.", erklärte ich mich einverstanden.
Julien drehte sich um und verschwand in seinem Schlafzimmer. Ich lächelte und schenkte mir ein Glas Cola nach. Langsam schlich ich zu seinem Raum und öffnete leise die Tür. Julien stand vor seinem Kleiderschrank und überlegte was er anziehen sollte. Gott, er war ja schlimmer als ich. Ich kicherte im gleichen Moment in dem er sein Handtuch fallen ließ. Jetzt konnte ich nicht mehr an mich halten und lachte laut los. Julien fuhr herum und sah mich erschreckt an. Dann schnappte er sich schnell sein Handtuch wieder und hielt es sich vor die Hüfte.
"Raus!", schrie er und als ich nicht reagierte, warf er ein Kissen nach mir. Lachend zog ich die Türe hinter mir zu. Sein Lachen hallte durch die Wände bis zu mir. Als ich mich halbwegs beruhigt hatte, holte ich mein Handy vom Balkon und blickte auf den Bildschirm. Drei Anrufe in Abwesenheit. Kurzer Hand entsperrte ich mein Sony und rief die Anrufliste auf. Unterdrückte Nummer. Das war der Nachteil an unterdrückten Rufnummern: Man konnte sie nicht zurückrufen. Verwirrt zog ich die Augenbrauen hoch und lehnte mich an den Küchentresen. In der letzten Zeit passierten irgendwie viele komische Sachen. Die Blutflecken im Wald, von denen ich immer noch nicht wusste, was Julien mit ihnen zu tun hatte. Der Kerl vorhin in der Stadt. Jonas Tod und jetzt diese komischen Anrufe.
In diesem Moment klingelte es an der Haustüre. Erschreckt fuhr ich auf und blickte zur Tür. Mein Instinkt sagte mir, dass ich lieber nicht aufmachen sollte.
"Charly? Machst du auf?", rief Julien aus dem Schlafzimmer.
Mir blieb ja nichts anderes übrig. Ich schluckte meine Bedenken runter und ging zur Tür. Dann öffnete ich sie und blickte hinaus.
Die Augen die mir entgegen blickten, faszinierten mich und ich kannte sie. Ich wusste nur nicht woher.
"Ach Frau Stone! Welch eine Überraschung Sie doch noch hier anzutreffen." Vor mir stand ein grünuniformierter Polizist und musterte mich interessiert. Was schon recht komisch war. Immerhin war er ein Beamter.
"Minette? Wer ist da?", fragte Julien und kam nur mit einer Jeans bekleidet zu mir und lehnte sich neben mich in den Türrahmen. Als er den Polizisten sah, versteifte er sich plötzlich und schob mich hinter sich.
"Julien.", sagte der Polizist unheimlich vertraut und musterte ihn feindselig.
Julien verschränkte die Arme vor der Brust.
"Maxim."

So Kollegen,
Das war's mal wieder. Ich hoffe es hat euch gefallen. Morgen werde ich höchstwahrscheinlich mal wieder "Schwingen der Nacht" Updaten. Mal sehen.
Der Soundtrack kommt dieses Mal von Paramore und heißt "Daydreaming".
Und sonst bleibt mir so wie immer nur noch zu sagen:
Lässt mir paar Kommentare und Votes da.
Und dieses Mal gibt es mal eine Frage von mir an euch:
Wie seid ihr auf meine Geschichte gekommen und wie gefällt sie euch bis jetzt?
Habt ihr Wünsche oder Kritik?
Meldet euch einfach. Entweder per Kommi oder persönlicher Nachricht.

Eure

Anna-Lena

Schattenkette (PAUSIERT!)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt