Kapitel 46 ~Muttersöhnchen~

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Als wir an Sams Tür klopften, ertönte von innen nur ein bedrücktes: "Wer ist da?"
Sam war wirklich fertig und kam allgemein kaum noch aus seinem Zimmer heraus. Ich konnte mir vorstellen, wie er sich fühlen musste und hatte plötzlich mehr denn je ein schlechtes Gewissen, weil ich Wayne im Stich gelassen hatte...

"Sam, ich bin's. Mach die Tür auf, alter Freund!", entgegnete Brandon und wir alle schauten erwartungsvoll auf das massive Holz.
Sam öffnete die Tür ein kleines Stück und schaute hinaus.
"Hi großer Bruder. Was geht?", fragte Marcel schmunzelnd und im nächsten Moment stand Sam im Flur und umarmte seinen Bruder.
"Tu mir das nie wieder an, du Idiot!", murmelte Sam.
"Hey, Mann jetzt werd mal nicht sentimental!", entgegnete Marcel eher emotionslos.
Offenbar hatte er noch nicht wirklich realisiert, dass wir wirklich alle gedacht hatten, er sei tot...

Daraufhin ließ Sam ihn los und schaute ihn fassungslos an.
"Hast du eine Ahnung, was ich durchgemacht habe?! Und Mum? Sie will jetzt mehr denn je, dass ich nach Hause komme!", erklärte Sam aufgebracht.
"Warte... Du hast Mum erzählt, ich wäre tot?! Was ist los mit dir?!", rief Marcel, der nun offenbar auch ziemlich wütend war.
"Was hätte ich denn bitte machen sollen?! Sie hat mich gefragt, wie es uns geht. Und weißt du, Marcel, mir ging es tatsächlich ziemlich scheiße! Und du weißt, dass ich unsere Mutter nicht anlüge!", schrie Sam seinen Bruder an und ich ging schutzsuchend ein Stück näher zu Brandon.
Die zwei Brüder steigerten sich nämlich immer weiter in ihre Wut hinein und das Gebrülle wurde immer lauter.
Brandon beobachtete den Streit aufmerksam und sein Blick folgte dabei jeder kleinsten Bewegung von Marcel und Sam.
Selbst mein Freund wirkte angespannt und war bereit, einzugreifen, falls das ganze eskalieren würde...

"Ach ja?!", brüllte Marcel, "Du erzählst unserer Mutter also immer alles über die Leute, die du umbringst, und über die illegale Scheiße, in die du verwickelt bist?!"
"Du bist doch der Drogenabhängige von uns beiden! Du bist also kein Stück besser als Ich! Du arbeitest genauso für Brandon wie ich und auch du hast schon einige Leute auf dem Gewissen!", verteidigte sich Sam.

"Aber ich tue wenigstens nicht so scheinheilig. Mum hat dich sowieso immer mehr geliebt als mich. Wann hat sie überhaupt das letzte Mal mit mir gesprochen?! Es wundert mich, dass sie mein angeblicher Tod überhaupt interessiert hat! Ich bin ihr doch egal! Ihr ist es egal, dass ich für Brandon arbeite, aber bei dir ist sie noch nie damit klargekommen. Du warst immer der tolle Vorzeigesohn, ein Eins A Muttersöhnchen und dann sowas... Aber ich könnte ihrer Meinung nach ruhig mein Leben ruinieren! Und außerdem weißt du genauso gut wie Ich, dass ich Clean bin und nie wirklich abhängig war! Also hör auf, so eine Scheiße zu reden!", erwiderte Marcel unfassbar wütend, was Sams Aggression nur noch weiter steigerte.

"Halt endlich die Schnauze, Marcel! Und wage es nicht, noch einmal so über unsere Mutter oder über mich zu sprechen! Es ist mir ein Rätsel, wie jemand so respektlos sein kann wie du! Ich schwöre dir, ich...", schmetterte Sams wütende Stimme durch den Flur und ich packte verängstigt Brandons Arm.

"Hey!", schrie Brandon und sofort hatte er die gesamte Aufmerksamkeit von Sam, Marcel und mir auf sich gezogen.
"Hört sofort auf mit der Scheiße! Ihr macht meiner Prinzessin Angst! Klärt das von mir aus unter euch, aber reißt euch gefälligst zusammen, wenn Lyana dabei ist!", befahl er und Sam und Marcel wirkten plötzlich ganz kleinlaut.
"Sorry, Hübsche. Du weißt hoffentlich, dass du keine Angst vor mir haben musst...", meinte Marcel entschuldigend und schaute mich vorsichtig an.
Ich wusste nicht, was ich von der ganzen Situation halten sollte...
War Marcel wirklich drogenabhängig gewesen?

"Tut mir wirklich leid, Lyana. Du solltest nicht auch noch mit unseren Problemen konfrontiert werden... Das hast du nicht verdient...", erklärte Sam und mit diesem gefühlvollen Blick in seinen Augen musste man ihm einfach verzeihen.

"Ist schon okay", entgegnete ich mit noch immer zittriger Stimme, da ich wirklich große Angst gehabt hätte und schaute die beiden an, "Aber bitte hört auf, so sauer auf euch zu sein... Wir müssten dankbar sein, dass es uns allen gut geht und zusammenhalten... Es gibt nur sehr wenige Menschen, denen ich wirklich vertraue und ich glaube, euch geht es ähnlich. Also lasst uns bitte einfach füreinander da sein und uns nicht gegenseitig fertigmachen..."
Nach dieser Ansage atmete ich erst einmal tief durch, doch im nächsten Moment wurde meine Atempause von Brandons Lippen unterbrochen.
Er küsste mich ganz sanft und schaffte es, so viel Liebe in diesen Kuss zu packen, dass die Worte Ich liebe dich überflüssig gewesen wären.

Als wir den Kuss beendet hatten, konnte ich sehen, wie Marcel seinen Blick abgewandt hatte. Das versetzte mir einen regelrechten Stich ins Herz.
Marcel tat mir einfach nur leid. Er hatte offenbar keinen Halt in seiner Familie, sondern hatte nur Sam, auf den er sich stützen konnte...
Ich hatte ihn bisher als guten -als sehr guten- Freund gesehen, aber seine offenbare Liebe konnte ich nicht erwidern...
Ich sah, wie sehr ihn das verletzte und ich wollte einfach nicht der Grund seiner psychischen Schmerzen sein. Er sollte sich nicht wegen mir schlecht fühlen...
Ich musste wohl mal dringend mit ihm reden...
Aber ohne Brandon...
Denn selbst wenn er an sich gearbeitet hatte und seine Eifersucht einigermaßen im Griff zu haben schien, wollte ich mir gar nicht vorstellen, welche Ausmaß sein Wutausbruch annehmen würde, wenn er erfahren würde, dass Marcel versucht hatte, mich zu küssen...

Oha, Marcel und Sam sind wohl doch nicht so ganz das traumhafte Geschwisterpaar.
Was sagt ihr zu dem Streit zwischen den beiden?

Außerdem würde ich mich über ein paar Anregungen für Hundenamen freuen. :)
Mehr wird hier nicht verraten... ;)

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