05. August 2008 - Azkaban

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Dieses Weibsbild hatte wirklich Nerven. Er war davon überzeugt, dass die Idee, Draco abzuholen und unter ihre Fittiche zu nehmen, nicht gut ausgehen konnte. Die Vorstellung der beiden unter einem Dach beunruhigte ihn mehr als ihm lieb war und er war sich nicht sicher, um wen er sich mehr sorgte. Natürlich um Draco. Natürlich. Um. Draco. Immer wieder versuchte er, es sich einzureden, doch wenn er ganz ehrlich mit sich war, wusste er, dass sein Sohn ihm gerade kein Kopfzerbrechen bereitete.

„Ich dulde keinen Ungehorsam!", brüllte sein Vater mit vor Wut gerötetem Gesicht. Er hatte sich die Haare gerauft, die nun merkwürdig abstanden und ihn zusätzlich bedrohlich wirken ließen. Wieder und wieder ließ er seinen Stock durch die Luft peitschen und ein Ende schien noch lange nicht in Sicht.

Es war Heiligabend 1969 und sie waren zum großen Festessen der Familie Black im Grimauld Platz Nr. 12 eingeladen gewesen. Lucius hatte diese Feiern früher schon nicht gemocht, denn mit den ganzen anderen Kindern, manche noch nicht in Hogwarts, andere schon fast wieder draußen, hatte er nie viel gemeinsam gehabt. Evan Rosier, die Schwestern Bellatrix, Andromeda und Narzissa, deren Cousins Sirius und Regulus Black, Molly, Gideon und Fabian Prewett und Rabastan und Rodolphus Lestrange waren nur einige davon. Dieses Jahr fehlten freilich fünf von ihnen. Bellatrix und Rodolphus befanden sich auf Hochzeitsreise und auch Molly hatte geheiratet, doch ihre Ehe war kein Anlass zur Freude für die Versammelten, sondern eine große Schmach. Ihr Mann, Arthur Weasley, war mitnichten ein Zauberer, den man hier mit offenen Armen empfangen würde, sondern ein Freigeist, ein Muggelfreund, ein Verrückter. Fabian und Gideon, ihre Brüder, hatten sich geweigert, sie aus der Familie zu verstoßen, und waren nun ihrerseits aus diesem erhabenen und erlauchten Kreis der alteingesessenen Zaubererfamilien verbannt worden. Lucius kannte Arthur flüchtig. Er hatte nicht viel mit ihm zu tun gehabt, aber der ältere Schüler war immer freundlich zu ihm gewesen.

Gerade als sich das Gespräch einmal mehr um die Blutschande gedreht hatte, die diese unsägliche Verbindung der Prewetts und der Weasleys bedeutete, hatte sich Andromeda zu Wort gemeldet. Sie war in ihrem letzten Jahr in Hogwarts und Lucius wusste, dass sie sich regelmäßig mit dem muggelstämmigen Edward Tonks traf, den alle nur Ted riefen. Ihr Versuch, die Wogen zu glätten, ging allerdings gründlich schief.

„In Hogwarts haben wir ständig mit Muggelstämmigen oder Halbblütern zu tun und die sind nicht weniger begabt, als wir. Oder was meinst du, Lucius? Deine Freundin, wie heißt sie noch gleich, Jane oder so? Ist sie nicht auch ein Halbblut?"

„Joan Galloway?", fragte Abraxas mit eisiger Stimme.

„Ja, genau! Du kennst sie doch auch, oder Evan?"

Lucius versank in seinem Sessel und hoffte, dass das Gespräch ganz schnell in eine andere Richtung verlief. Evan sagte gerade unter dem strengen Blick seiner Eltern: „Ne. Aber ich kenne auch keine Hufflepuffs. Oder Gryffindors. Oder Ravenclaws."

Narzissa, die neben ihrer Schwester saß, hatte Lucius den ganzen Abend lang angestarrt, wenn sie glaubte, dass er es nicht bemerkte. Jetzt kaute sie allerdings nervös auf ihrer Unterlippe und sah zwischen ihrer Schwester und ihren Eltern hin und her. Druella hatte pikiert eine Augenbraue erhoben und Cygnus sah aus, als würde er jeden Moment platzen.

„Ich will ja nur sagen, dass..."

„Schweig!", brüllte ihr Vater und alle am Tisch zuckten zusammen.

„Aber..."

„Andromeda, lass es gut sein", sagte ihr Onkel Alphard und schüttelte warnend den Kopf.

„Das ist..."

„Halt den Mund, du missratene Göre!"

Cygnus stand nun und zitterte vor Wut über seine Tochter.

„Ich bin erwachsen, du kannst mich nicht behandeln wie ein Kind!", schrie Andromeda nun zurück.

„Ich behandle dich wie ich will, solange du von meinem Tisch isst und unter meinem Dach schläfst, und jetzt setz dich gefälligst und glaube ja nicht, dass solches Gerede keine Konsequenzen hat!"

„Wisst ihr was? Ich verschwinde!"

Die junge Hexe sprang auf und rannte davon, ihr Vater dicht auf ihren Fersen. Ein lauter Knall ertönte und ein paar von ihnen liefen hinaus, um zu sehen, was geschehen war. Später stellte sich heraus, dass Andromeda disappariert war und Cygnus aus Zorn eine Mülltonne in die Luft gejagt hatte. Andromeda renkte wider Erwarten aller damals Anwesenden die Beziehung zu ihren Eltern wieder ein, wenn auch nicht für allzu lange, denn bald nach ihrem Abschluss heiratete sie Ted Tonks. Noch in der Nacht der Hochzeit brannte ihr Großvater Pollux ein kreisrundes Loch in den Wandteppich, der von jeher den Stammbaum des Hauses Black zeigte, und fortan erinnerten im Kreis der Unantastbaren Achtundzwanzig nur noch die verschmorten Überreste neben den Namen von Narzissa und Bellatrix an deren Schwester.

Die Hoffnung, dass dieser handfeste Skandal seinen Vater vergessen ließ, dass Lucius sich trotz der Anweisung, sich von Joan fernzuhalten, weiterhin mit ihr getroffen hatte, war leider vergebens gewesen. Noch während des ganzen Trubels hatte ihn auf einmal eine Hand fest im Nacken gepackt und ihn nach draußen geschleift, von wo sie ebenfalls disappariert waren. Die Argumente, die Abraxas diesmal genutzt hatte, um seinen Sohn davon zu überzeugen, dass er ihm in Zukunft besser gehorchen sollte, hatten ihre Wirkung nicht verfehlt. Es fiel ihm zwar immer noch schwer, aber auf der Rückreise nach Hogwarts brach Lucius den Kontakt zu Joan ab. Vorerst.

Lucius schüttelte sich und schlug sich mit der Hand gegen die Stirn. Was sollte das? Warum erinnerte er sich an all diese Dinge, die er schon längst hinter sich gelassen hatte? Er hatte mit diesen Geschichten abgeschlossen und er hatte kein Interesse daran, sie wieder hervorzukramen. Joan war tot. Lange schon. Und es war besser so.


Lumine III - FeuerprobeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt