07. August 2008 - Cottage an der Küste

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Sein Schädel brummte gewaltig, als er am nächsten Morgen aufwachte. Er lag in dem Gästebett, das Beedy für ihn zurecht gemacht hatte. Durch die Fensterläden drang bereits so viel Tageslicht herein, dass er sich problemlos umsehen konnte. Sein Umhang lag gefaltet über einer Stuhllehne und darunter waren seine Schuhe ordentlich nebeneinander abgestellt worden. Wie er hier her gekommen war, wusste er allerdings nicht. Das letzte, woran er sich erinnern konnte, war, wie Susan ihn vor dem Troll angesprochen hatte. Danach war alles nur noch verschwommen.

Es kostete ihm einige Kraft, um aufzustehen und in das angrenzende Bad zu schlurfen, wo er langsam etwas wacher wurde. Er hatte einen Kratzer am Hals, den er nicht zuordnen konnte, aber das war nichts ungewöhnliches. Seit er ein Werwolf war, tauchten ständig Wunden an seinem Körper auf, die er sich wohl im Schlaf zugefügt hatte. Eine halbe Stunde später fühlte er sich zwar immer noch etwas mitgenommen, aber deutlich besser. Frisch geduscht ging er hinunter in die Küche. Ein Blick auf die Wanduhr verriet ihm, dass es bereits kurz nach 11 Uhr war. Von Beedy fehlte jede Spur, daher ging er ins Wohnzimmer, um nach ihr zu suchen. Dort saß aber nicht die Hauselfe, sondern Susan, die ihn unsicher anlächelte.

„Was machst du denn hier?", fragte er verwirrt und blieb im Türrahmen stehen.

„Ich habe dich gestern Abend hergebracht und wollte lieber nach dem Rechten sehen. Du warst ganz schön neben der Spur."

„Achso. Na, mir geht es gut, dann kannst du ja wieder gehen."

Er hatte keine große Lust auf Gesellschaft und wollte sie am Liebsten gleich wieder loswerden.

„Ich würde mich gerne mit dir unterhalten, wenn das für dich okay ist", sagte sie und stand auf, „ich weiß nicht, mit wem ich sonst darüber reden kann."

Draco runzelte die Stirn und zuckte dann mit den Schultern: „Wenn du meinst. Ich hole mir nur schnell etwas zu essen. Willst du auch?"

„Nein, danke."

Susan folgte ihm und setzte sich an den Tisch, während Draco im Kühlschrank nach Resten suchte. Er fand ein Stück Pastete, das noch von seinem Willkommensessen übrig geblieben war, und nahm es heraus. Mit einer Gabel bewaffnet gesellte er sich zu Susan, die gerade nervös ihre Fingernägel inspizierte.

„Also?", fragte er mit vollem Mund und wartete darauf, dass sie damit herausrückte, was sie besprechen wollte. Er hatte natürlich schon so eine Ahnung, worum es gehen könnte, aber er wartete lieber ab.

„Hast du auch das Gefühl, dass sich vor ein paar Tagen etwas in dir verändert hat?"

„Was meinst du?"

„Ich weiß nicht genau, ich habe mich auf einmal so frei gefühlt. Als hätte ich jahrelang Druck auf den Ohren gehabt, der endlich weg ist. Verstehst du, was ich meine?"

Er nickte langsam: „Ich denke schon."

„Dann ist es dir auch so gegangen? Denkst du es hat etwas mit dem Großmeister zu tun?"

„Wie kommst du darauf?", fragte er und dachte bei sich, dass doch eigentlich niemand wusste, was in Azkaban passiert war.

„Ich arbeite mit Buck im Troll, da kriege ich allerhand mit", sagte sie und sah ihn ernst an. Waren ihre Augen schon immer so anziehend gewesen? Nicht, dass er sich jemals für die Augen einer Hufflepuff interessiert hätte. Susan fuhr fort: „Ich habe gehört, dass der Großmeister tot sein soll. Stimmt das?"

„Warum denkst du, dass ich das wissen könnte?"

„Du warst an dem Tag selbst noch in Azkaban, oder nicht? Das hast du gestern Abend jedenfalls erzählt. Kannst du dich nicht erinnern?"

Er schüttelte den Kopf.

„Naja, du warst auch ziemlich betrunken. Das ist sowieso nicht so wichtig. Ich wollte dich nur fragen, ob du auch gespürt hast, dass etwas anders ist, und was das bedeuten könnte? Waren wir auch, ich meine..."

„Ich denke schon. Ich hoffe es fast. Sonst müsste ich mir eingestehen, dass ich das alles aus eigener Überzeugung gemacht habe und auch so ein Wahnsinniger bin, wie er", sagte er schnaubend.

Susan nickte nachdenklich: „Ja..."

„Alles in Ordnung?"

„Ja, ich habe nur gerade an John und Gemmy gedacht. Wir hatten Glück, dass wir überlebt haben. Die beiden hatten es nicht."

„Ich weiß nicht, ob ich das als Glück bezeichnen würde", sagte Draco tonlos, „es kommt mir nicht wirklich wie ein Leben vor. Vielleicht haben sie es besser getroffen als wir."

„Sag das nicht!", rief Susan und sprang auf, Tränen in den Augen.

Er erinnerte sich, dass Susan und John Mayhem sich immer gut verstanden hatten, vielleicht war sogar mehr zwischen ihnen gewesen, als er mitbekommen hatte. Sie vier, Susan, John, Gemmy und er, waren nicht lange nacheinander zu Werwölfen geworden und hatten die schwierigen ersten Phasen der Verwandlung gemeinsam erlebt. Das schweißte natürlich zusammen. Draco war dennoch von den anderen dreien immer ein wenig isoliert gewesen, was vermutlich an seiner familiären Verbindung zu der Unternehmung lag.

„Tut mir leid, ich wollte dir nicht weh tun", sagte er und stand ebenfalls auf.

Susan hatte die Arme um sich geschlungen und sah so verloren aus, wie er sich fühlte. Er wusste nicht, wie er reagieren sollte, denn mit Frauen und deren Gefühlen konnte er genauso wenig umgehen, wie mit seinen eigenen. Zaghaft tätschelte er ihre Schulter und hoffte, dass sie sich schnell wieder beruhigte.

Er räusperte sich, dann sagte er: „Ich fühle mich auch schuldig, seit der Zauber weg ist. Irgendwie dringt das alles erst jetzt zu mir durch."

„Ich weiß nicht, was ich tun soll", schluchzte sie, „es fühlt sich alles so falsch an."

„Hey", flüsterte Draco und legte den Arm um sie, „das wird schon. Wir kriegen das hin."

„Warum bist du denn auf einmal so nett?"

Es schien fast so, als wäre sie deswegen sauer auf ihn, zumindest hatte sie die Augenbrauen leicht verärgert zusammengezogen.

„Wir sitzen im selben Boot, du und ich. Da sollten wir wohl das Beste daraus machen, oder?"

Susan lehnte ihren Kopf gegen seine Schulter und atmete tief durch. Draco spürte, dass sie immer noch sehr angespannt war und strich vorsichtig mit der Hand über ihren Rücken. Sie roch gut, ein wenig blumig, aber nicht zu intensiv und künstlich, wie so manche Hexe, die er getroffen hatte. Langsam löste sie ihre Selbstumarmung und legte eine Hand auf seine Brust. Das wurde ihm jetzt doch ein wenig zu viel.

Wie zur Erlösung klingelte es in diesem Moment an der Haustür und erleichtert hastete Draco hin, um zu öffnen. Susan blieb ein wenig bedröppelt drein blickend zurück. Als er den Gast erkannte, verdrehte er genervt die Augen. Konnte dieser Tag eigentlich noch schlechter werden?

„Weasley", sagte er knapp.

„Malfoy?", fragte Ron verblüfft, „was suchst du denn hier?"

Lumine III - FeuerprobeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt