08. August 2008 - Feuer

86 9 2
                                    

Draco saß im Gästezimmer und starrte gedankenverloren auf das Schreiben des St.-Mungo Hospitals. Immer wieder hatte er die wenigen Zeilen gelesen, die ihm den Tod seines Vaters mitteilten, und inzwischen hatten sie sich schon vor seinem inneren Auge eingebrannt. Von draußen wehte eine leichte Brise herein und brachte das Geklapper von Geschirr mit sich. Beedy werkelte bereits den ganzen Tag unermüdlich, um sich von ihrer Trauer abzulenken. Sie hatte jeden Zentimeter des Hauses mehrfach gereinigt und poliert, die Gardinen gewaschen, den Garten gepflegt, die Eulen versorgt und Essen für eine ganze Quidditch-Mannschaft gekocht. Er beneidete sie um ihren Tatendrang, denn er selbst fühlte sich nach seinem waghalsigen Flug einfach nur antriebslos und ausgelaugt.

Ein lautes Klirren und ein dumpfes Geräusch ließen ihn aufhören. Vermutlich hatte die Hauselfe eine Schüssel oder so etwas fallen lassen - kein Wunder, so fahrig wie sie war. Er seufzte und ging hinunter, um nach ihr zu sehen. Nicht, dass sie sich die Hände in die Ofentür klemmte, so wie früher. Diese Zeiten waren vorbei.

„Beedy, warum machst du nicht mal eine..."

Das Wort Pause blieb ihm im Hals stecken, als er in die Küche trat und die Hauselfe leblos mit weit aufgerissenen Augen auf dem Boden liegen sah, winzige Glasscherben um sie herum und auf ihr verteilt. Das Küchenfenster hatte ein faustgroßes Loch, durch das ihn ein bekanntes Gesicht anstierte. Gerade noch rechtzeitig duckte er sich hinter die Kücheninsel, als ein grüner Lichtblitz an der Stelle einschlug, an der er noch Sekundenbruchteile zuvor gestanden hatte. Hastig fingerte er seinen Zauberstab aus der Hosentasche und spürte sofort, dass er eigentlich nicht für ihn bestimmt war. Dieser provisorische Stab war ein Fremdkörper in seiner Hand, eine Waffe, die ihm kaum Großes ermöglichen würde, aber die ihm immerhin eine Chance gab. Er warf einen kurzen Seitenblick auf Beedy und fühlte die Wut in sich aufsteigen. Dieser Frank war ein Monster. Er hatte Susan auf dem Gewissen, seinen Vater, den Großmeister, wahrscheinlich Hermine und jetzt die alte Hauselfe, die ihn seit seiner Kindheit begleitet hatte. Und wenn er darüber nachdachte, war er sich nun auch sicher, wer seiner Mutter vor ein paar Jahren in ihrer Zelle Gift verabreicht hatte. Er hatte in ihm den schnauzbärtigen Wächter erkannt, der ihm in Azkaban das Leben zur Hölle gemacht und ihn beinahe umgebracht hatte, als er ihm den Wolfsbanntrank verweigerte. Das endete jetzt.

Draco hörte, wie die Tür in den Garten aus ihren Angeln gesprengt wurde, und wappnete sich. Als Werwolf hielt er auch in seiner menschlichen Form mehr aus als normale Zauberer, aber darauf war Frank mit Sicherheit vorbereitet, immerhin hatte er es sich zur Mission gemacht, das Rudel auszulöschen. Deshalb durfte er sich erst gar nicht treffen lassen, schon gar nicht, wenn dieser Irre mit dem Todesfluch um sich schoss. Er schloss die Augen und sofort schärften sich all seine Sinne. Der Duftfaden des Eindringlings bewegte sich langsam. Offenbar versuchte er, so leise wie möglich zu sein, denn er hatte den Atem angehalten. Draco lächelte in sich hinein. Das führte nur dazu, dass Franks Herz schneller und lauter schlug, und er wusste ganz genau, wo er sich aufhielt. Mit vollstem Vertrauen in seine Sinne und seine Reaktionsgabe schnellte er hinter der kühlen Küchentheke hervor, hinter der er sich versteckt gehalten hatte. Mühelos duckte er sich unter einem vibrierenden Lichtblitz weg, feuerte seinerseits drei schnelle Salven ab und ging wieder in Deckung. Seine Zauber waren von einem Schild abgeprallt und kläglich zischend erloschen. Er roch, wie der Eindringling langsam die Kücheninsel umkreiste, und bewegte sich mit ihm im Einklang. Beinahe wäre er auf Beedys leblosen Körper getreten und sein Magen verkrampfte sich schmerzhaft. Er stieg vorsichtig über sie hinweg und setzte die Runde fort, bis er kurz darauf das Fenster im Rücken hatte und Frank die Küchentür. Das Glas hinter ihm zersplitterte, als es von einem Fluch getroffen wurde, und Draco umhüllte sich mit einem Schutzschild, der die vielen spitzen Scherben pulverisierte, die wie Pfeile auf ihn zugeschossen kamen. Der Boden um ihn herum und wahrscheinlich auch er selbst waren von feinstem Glasstaub bedeckt, denn es knirschte leise, als er sich rührte. Franks Duftfaden bewegte sich keinen Millimeter und sein Herzschlag hatte sich inzwischen wieder etwas beruhigt. Beeindruckend, wie er sich im Griff hatte, Dracos eigenes Herz dagegen schlug wie wild und das Adrenalin schoss nur so durch seine Adern. Auf einmal spitzte er die Ohren, als ein ganzes Stück entfernt mehrere Personen apparierten. Sie waren so weit weg, dass Frank sie sicher noch nicht bemerkt hatte. Draco feuerte aus seiner Deckung heraus zwei Schockzauber auf die andere Seite der Küche, um die Aufmerksamkeit seines Gegners weiter auf sich ruhen zu lassen.

„Ich hätte nicht gedacht, dass du ein Feigling bist, Wolf. Deine Dienerin hat mir mutig in die Augen geschaut, als ich sie getötet habe."

Lass dich nicht provozieren, aber halte ihn bei Laune, dachte Draco sich. Er war sich sicher, dass diejenigen, die sich inzwischen um das Haus in Stellung brachten, auf seiner Seite waren, denn einer von ihnen war Potter. Wie auch immer sie hiervon Wind bekommen hatten, offenbar war er mit einem halben Dutzend Auroren angerückt, um Frank endlich dingfest zu machen.

„Komm schon, steh auf und bring es hinter dich", sprach der derweil weiter.

„Das hättest du wohl gerne."

„Ich hab es nicht eilig, Wolf. Du bist der letzte auf meiner Liste. Dich nehm ich noch mit, egal was es mich kostet. Und wenn du es nicht auf die leichte Tour willst, dann eben auf die schwere."

„Mich bekommst du sicher nicht."

„Ach nein? Denkst du das wirklich? Ich erwische alle. Am einfachsten war es bei deiner Mutter. Sie war so schwach und feige, sie hat das Gift, das ich ihr angeboten habe, genommen, ohne auch nur darüber nachzudenken. Eigentlich hätte ich sie noch ein wenig hinter Gittern schmoren lassen sollen, aber es war zu verlockend."

Direkt neben Draco krachte die Deckenlampe auf den Boden. Er musste auf der Hut bleiben, Frank wollte ihn offenbar mit seiner Geschichte einlullen.

„Susan war letztlich auch schwach. Sie hat sich gegen mich gewandt und so hat mir der gebrochene Unbrechbare Schwur die Arbeit abgenommen. Dummes Mädchen. Hat mich angefleht, damit aufzuhören oder wenigstens selbst aufhören zu dürfen. Pah, als ob! Bombarda!"

Die Spüle explodierte und ein kräftiger Wasserstrahl schoss Draco entgegen. Innerhalb von Sekunden breitete sich das Wasser auf dem Boden aus und rauschte in seinen Ohren.

„Dabei war sie anfangs so erpicht darauf, Rache zu nehmen. Deine kranke Familie war schuld daran, dass sie und John zu Mondheulern wurden. Die beiden waren ganz frisch verliebt, als sie gebissen wurden, wusstest du das? Sie hätten so glücklich werden können, wenn dieser Verrückte nicht gewesen wäre und sie nicht in diese ganze mystische Scheiße hineingezogen hätte. Er hat meinen armen John für sich kämpfen und sterben lassen."

So furchtbar Franks Taten waren, Draco hatte Mitleid mit ihm. Die Wandlung und der Tod seines Sohnes hatten ihn in den Wahnsinn getrieben.

„Ich habe mir so sehr gewünscht, eurem Meister selbst den Hals umdrehen zu können. Aber da ist mir jemand zuvor gekommen. Ich war so wütend, ich hätte fast die Nerven verloren, das kannst du mir glauben."

Wie um seine Wut zu demonstrieren, riss er den großen Küchentisch vom Boden und ließ ihn an der Wand zerschellen. Draco drückte sich mit dem Rücken gegen die Theke, um nicht von den herumfliegenden Splittern getroffen zu werden. „Du hättest nur fast die Nerven verloren?", fragte Draco sich selbst.

„Dafür habe ich dann deinen Vater und sein Mädchen mit meinem Feuer erwischt. Caroline hat mich ja für verrückt gehalten, als ich die Falle in unserer Wohnung installiert habe, aber ich wollte eben sicher gehen, dass kein Malfoy jemals unsere Schwelle übertritt und das überlebt. Du bist mir dann natürlich doch entwischt, das hätte nicht passieren sollen", Frank klang nachdenklich und hatte die letzten Sätze mehr zu sich selbst gesprochen als an Draco gerichtet, „Aber das lässt sich ja ändern. Pyrgatorius!"

Eine rotleuchtende Lichtkugel schlug nicht weit von ihm entfernt ein und strömte eine beinahe unwirkliche Hitze aus. Draco riss entsetzt die Augen auf, die er bisher noch geschlossen gehalten hatte. Der Flammenball hatte Beedys leblosen Körper getroffen, der bereits lichterloh brannte. Das Feuer breitete sich rasend schnell auf dem Wasser aus und schien dadurch noch wütender zu züngeln. Er sprang auf und wollte auf die Terrassentür zustürmen, doch ein grüner Lichtblitz rauschte so dicht an seinem Ohr vorbei, dass es einen Moment lang taub wurde. Schnell duckte er sich wieder.

„Avada Kedavra!"

Frank feuerte Todesflüche um sich und stellten Draco vor die Wahl eines schnellen Todes oder eines langsamen durch die magischen Flammen.

„Protego!"

Er hüllte sich in eine Schutzblase, die das Feuer allerdings mehr schlecht als recht abhielten, denn sie bekam schon erste Risse. Es war langsam an der Zeit für die Auroren zuzugreifen. Worauf warteten die denn so lange?

„Avada Kedavra! Avada Ke...! Ahhhhh!"

Ein durchdringender Schrei unterbrach Franks Zauber. Draco lugte um die Ecke, soweit es sein Schutz zuließ, und sah, dass der Zauberer von seinen eigenen Flammen verschlungen wurde. Das war seine Chance. Er rappelte sich auf und ging langsam auf die kaputte Glastür zu, um seinen Schild so lange wie möglich am Leben zu erhalten, doch es dauerte genau einen halben Schritt, bis er unter der Macht des Griechischen Feuers zerbarst.

„Petri", hörte er Frank seinen Schrei unterbrechen, „Petrificus... Totalus!"

Draco hatte sofort einen neuen Schutzzauber gewirkt, doch dieser vermaledeite Aushilfszauberstab hatte ihn im Stich gelassen. Der Schild, wenn man ihn denn so nennen konnte, flackerte kläglich auf und verschwand dann wieder, um freie Bahn für Franks Ganzkörperklammer zu lassen. Er spürte, wie Arme und Beine an den Körper und aneinander gepresst wurden und wie er steif wie ein Brett wurde. Er hatte diesen Fluch selbst oft genug an Longbottom ausprobiert, um zu wissen, dass man sich nicht einfach daraus befreien konnte und eine ganze Weile vollkommen hilflos war.

Er kippte um, sah die Flammen an allem lecken und alles verschlingen, spürte die unerträgliche Hitze und den Schmerz, der ihn lauthals hätte schreien lassen, wenn der Klammerfluch es nicht verhindern würde, hörte, wie Frank selbst brüllte wie am Spieß. Das war es jetzt also. Er würde in den Flammen sterben - wie sein Vater. Naja, immerhin waren sie bald wieder vereint. Sie beide und auch Mutter. Im Jenseits war vielleicht alles wieder wie früher.

„Ahhhhhhhh!"

Frank schrie noch einmal aus Leibeskräften. Und dann war es plötzlich still. Und das letzte, was er sah, war die Decke, die auf ihn herabstürzte.

Lumine III - FeuerprobeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt