07. August 2008 - St.-Mungo-Hospital

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Draco saß mit starrem Blick auf einem Behandlungstisch und bekam kaum etwas von dem Trubel mit, der um ihn herum stattfand. Man hatte seinen Ellbogen geheilt und ihm irgendwelche Tränke verabreicht, die ihn wohl beruhigen sollten. Er hatte nicht darauf geachtet, sondern sie einfach getrunken. Sein Kopf war leer. Er machte sich keine Sorgen, er trauerte nicht, er fühlte einfach gar nichts.

Susan war tot. Sie war in seinen Armen gestorben und er hatte es nicht einmal bemerkt. Er hätte ihr helfen müssen. Hätte sie direkt ins Krankenhaus bringen müssen, als sie ohnmächtig wurde. Aber er war so gebannt gewesen von dem Feuer, das immer mächtiger zu werden schien, und von seinem Vater, der sich einfach mitten in die Flammen gestürzt hatte und nicht wiederkam, dass er nicht auf sie geachtet hatte. Sie hatten sich gerettet, davon war er überzeugt gewesen. Doch als endlich, nach vielen elendig langen Minuten, die Fluchbrecher und ein paar Notheiler vor Eeylops auftauchten und ihnen aufhelfen wollten, hatte er nur noch ihren leblosen Körper umklammert. Der Schock saß ihm noch immer tief in den Knochen und würde sicher auch eine Weile bleiben. Dass Susan hinter Hermines Verschwinden und dem ganzen Schlamassel steckte, änderte nichts daran. Er hatte sie gemocht und wünschte sich, sie hätte ihm eine einfache Erklärung für das alles geben können. Sie hätte nicht sterben sollen.

Jemand legte die Hand auf seine Schulter und er sah müde auf.

„... nach Hause."

„Hm?"

Er rieb sich die Stirn und versuchte, sich auf die Stimme des Heilers zu konzentrieren, der vor ihm stand.

„Gehen Sie lieber nach Hause. Ruhen Sie sich aus. Wir können nicht mehr für Sie tun und Sie können in diesem Zustand auch niemandem helfen."

Draco nickte langsam. Der Mann hatte Recht. Er musste nach Hause und dort auf ein Wunder hoffen. Aber wo war er zu Hause? Im Cottage, wo Beedy auf Neuigkeiten wartete? In Malfoy Manor? Weder das eine noch das andere fühlte sich danach an. Schwerfällig machte er sich auf den Weg. Man hatte ihm einen provisorischen Zauberstab überlassen, bis er sich einen neuen beschaffen konnte. Der Stab fühlte sich ungewohnt an, falsch, nicht gemacht für seine Hand. In seinem Zustand, wie der Heiler es genannt hatte, und mit einem unbekannten Zauberstab wäre es fahrlässig gewesen, zu apparieren, und da er ohnehin kein bestimmtes Ziel hatte, wanderte er einfach durch die Straßen Londons. Ab und an drehte ein Muggel den Kopf nach ihm, scheinbar verwundert über seine abgerissene Erscheinung, doch die meisten trotteten an ihm vorbei, ohne auch nur aufzusehen. Sie starrten auf kleine leuchtende Geräte oder sprachen mit sich selbst. Draco nahm seinerseits von den Muggeln keine Notiz. Es war angenehm, dass er unerkannt bleiben konnte - inmitten der Menschenmassen, allein mit seinen Sorgen.

Dracos Füße hatten ihn in einen belebten Park getragen. Touristen fotografierten die vielen Graugänse im Wasser und Streifenhörnchen, die auf den Wegen oder im schattigen Gras herumtollten. Die kleinen, possierlichen Tierchen spielten unbekümmert und hofften offenbar, etwas Essbares von den Spaziergängern zu erbeuten. Er saß auf einer Bank und ein neugieriges Exemplar näherte sich auch ihm und kletterte geschwind an seinem Hosenbein hinauf bis zu seinem gebeugten Knie. Er sah es an, ohne es wirklich zu sehen. Seine Gedanken waren bei seinem Vater, der mit dem Leben kämpfte, und bei Hermine, die noch immer in der Gestalt einer Glaskugel war. Sie war so stark beschädigt worden, dass sich die Fluchbrecher bisher nicht an ihre Rückwandlung getraut hatten.

Er hatte Hermine gefunden. Mehr hatte er sich selbst nicht geschworen, eigentlich sollte er also erleichtert sein. Was interessierte es ihn, ob sie lebte oder nicht? Er trug keine Schuld. Susan hatte sie entführt. Sie steckte hinter allem. Auch wenn er nicht verstand, warum sie es getan hatte. Du darfst nicht hier sein, Draco. Er wird dich umbringen. Wen könnte sie damit gemeint haben? Mr. Mayhem? Da sie die Warnung in seiner Wohnung ausgesprochen hatte, lag der Schluss nahe, aber er kannte diesen Mr. Mayhem ja gar nicht. Warum sollte der ihn umbringen wollen?

„Hallo Draco."

Seine Gedanken wurden jäh unterbrochen, als jemand die Hand auf seine Schulter legte, und ihn direkt ansprach. Vor ein paar Tagen wäre seine Laune noch in den Keller gegangen, doch inzwischen war sie ohnehin schon ganz unten angelangt. Selbst dieser Zauberer konnte es nicht mehr schlimmer machen.

„Potter", brummte er.

„Ich komme gerade aus dem Krankenhaus", sagte der und fuhr mit einer merkwürdig schuldbewussten Note fort, „deinem Vater geht es leider unverändert schlecht."

Draco nickte stumm und wartete. Potter war sicher nicht nur gekommen, um ihn darüber auf dem Laufenden zu halten. Und wie zur Bestätigung fügte er hinzu: „Susan wurde inzwischen untersucht. Sie ist nicht durch das Feuer gestorben."

„Was?"

„Sie ist nicht durch das Feuer gestorben."

„Ja, das habe ich schon verstanden. Willst du mir sagen, dass ich etwas damit zu tun habe, oder was?", fauchte er ihn an. Das hatte gerade noch gefehlt, dass man ihm unterstellte, ihr etwas angetan zu haben.

„Sie hat einen unbrechbaren Schwur gebrochen. Und da du bei ihr warst, als sie gestorben ist, hatte ich gehofft, du kannst uns vielleicht sagen, was sie verbotenerweise verraten hat."

Er musste nicht lange überlegen: „Hermine und Schneekugel. Das waren ihre letzten Worte."

„Ist dir sonst noch etwas an ihrem Verhalten aufgefallen?"

„Nein."

„Wirklich, Malfoy? Ich könnte dich auch offiziell vorladen, wenn dir das lieber ist."

Er wollte mit alledem nicht behelligt und am liebsten einfach in Frieden gelassen werden. Aber er kannte Potter gut genug, um zu wissen, dass er nicht auf sich beruhen lassen würde, bis er alles aus ihm herausgequetscht hatte. Also erzählte er ihm einfach alles, was er wusste und was passiert war, seit er Susan im Blinden Troll getroffen hatte. „Ich verstehe nicht, warum sie sich der Gefahr eines unbrechbaren Schwurs ausgesetzt hat", schloss er seine Ausführungen.

„Ich auch nicht. Er ist nicht ohne Grund verboten."

„Und? Wars das jetzt?"

„Was meinst du?"

„Na, lässt du mich jetzt endlich in Ruhe? Ich hab echt genug von dem ganzen Mist."

„Was hast du denn jetzt vor?"

„Das geht dich einen feuchten Drachendreck an, Potter!"

Harry verdrehte die Augen.

„Weißt du, wo du unterkommst? Soll ich dich irgendwo hinbringen?"

Draco war einfach nur müde und wollte nichts mehr hören und sehen. Beedy würde ihn zwar ein bisschen nerven, aber mit offenen Armen empfangen und ihn versorgen. Da er selbst zum Apparieren immer noch zu schwach war, nickte er und sagte: „Zum Cottage."

Harry stand auf und deutete zu einer Imbissbude: „Dahinter sind wir versteckt genug."

Sie verbargen sich unauffällig hinter der Holzrückwand der Bude und Draco spürte sofort ein Ziehen hinter dem Bauchnabel, als Potter mit ihm Seit-an-Seit-apparierte.

Lumine III - FeuerprobeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt