06. August 2008 - Nebelrauschen

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Sie wusste nicht, wo sie war, als ihr Verstand langsam wieder zu arbeiten begann. War sie denn überhaupt? Um sie herum gab es keine Welt, jedenfalls konnte sie sie mit keinem ihrer Sinne wahrnehmen. Sie roch nichts, spürte nichts, hörte nichts, schmeckte nichts und sah nichts. Nein. Das stimmte nicht. Es war nicht schwarz um sie, also sah sie etwas. Sehr dichter Nebel vielleicht? Sie wollte den Kopf drehen, aber sie hatte gar keinen Kopf. Genau genommen hatte sie auch keinen Körper. War sie tot? War das eine transzendente Erfahrung? Lebten ihre Seele und ihr Geist in diesem Wirbel weiter? In diesem Wirbel aus, ja, woraus eigentlich? Um sie herum vermischten sich alle Farben der Welt miteinander und teilten sich wieder. Wenn sie sich auf eine Stelle konzentrierte, konnte sie abertausende Schattierungen von Goldgelb bis Königsblau, Muschelweiß bis Magmarot, Wurzelbraun bis Kürbisorange identifizieren, doch wenn sie ihren Blick schweifen ließ, kam es ihr vor, als wäre alles einfach grau und verschwommen. Hermine versuchte, sich in Erinnerung zu rufen, wie sie an diesen Ort, wenn es überhaupt ein Ort war, gekommen war, aber das wollte ihr nicht so recht gelingen. Sie hatte ohnehin Schwierigkeiten damit, sich etwas bestimmtes vorzustellen. Ab und an glaubte sie, schattenhafte Umrisse hinter den bunten Schlieren zu erkennen, doch die wilden Farbkreise lenkten sie immer schnell davon ab und ließen sie nicht in Ruhe. Wenn das das Jenseits war, dann hatte sie jetzt schon genug davon.

Lumine III - FeuerprobeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt