05. August 2008 - Cottage an der Küste

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Sie atmete erst einmal tief durch, als Draco außer Sicht war. Das Gespräch mit Lucius hatte ihr eine Menge Kraft gekostet und sie hoffte, dass sie dabei deutlich selbstsicherer gewirkt, als sie sich gefühlt hatte. Als sie in Azkaban angekommen war, hatte man sie gefragt, ob sie wegen Dracos Entlassung hier sei. Sie hatte vollkommen vergessen, dass es heute so weit sein sollte, und sich spontan dazu entschlossen, ihm ihre Hilfe anzubieten. Beedy hielt das gesamte Cottage und damit auch die zwei Gästezimmer, die irgendwann einmal zu Kinderzimmern werden sollten, jederzeit für Besuch bereit. Erst hatte sie überlegt, ihn nach Malfoy Manor zu bringen, doch sie hatte das unbestimmte Gefühl, dass es vielleicht besser war, wenn er Gesellschaft hatte. Auch wenn er auf die ihre sicher keinen gesteigerten Wert legte. Sie war ehrlich gesagt überrascht, dass er sie überhaupt begleitet hatte. Eigentlich hatte sie vielmehr damit gerechnet, dass er ihre Hilfe ausschlagen würde. Aber vielleicht war er am Ende doch nicht so stolz, wie er immer tat.

„Der arme Junge ist ganz ausgemergelt", jammerte Beedy, als sie wieder in die Küche kam, und begann sofort damit, etwas für ihn zu kochen.

Er hatte wirklich furchtbar ausgesehen, einen armen Jungen würde Hermine ihn allerdings dann doch nicht nennen. Die Strafe, die er erhalten hatte, war mit fünf Jahren relativ mild ausgefallen, weil er unter dem Einfluss des Kultes gestanden hatte, aber die fünf Jahre waren verdient. Sie hatte kein Mitleid mit ihm, sie wollte ihm jedoch eine Chance geben, sich zu beweisen. Das hatte sie damals auch vom Zaubereiminister für Lucius verlangt, als dieser ihn unter ihre Obhut gestellt hatte. Draco hatte seine Strafe abgesessen, es hatte keinen Sinn, ihn nun weiterhin büßen zu lassen. Sie würde mit ihm über die Werwolfzentren reden müssen und über seinen Vater, der des Mordes beschuldigt wurde.

Als Draco etwas später zu ihnen stieß, sah er wieder mehr wie er selbst aus. Er hatte sich rasiert und gewaschen, die Schatten unter seinen Augen waren deswegen aber noch nicht verschwunden. Beedy tischte eine dampfende Kürbispastete auf und strahlte, als Draco sich eine große Portion davon auftat. Hermine nahm sich nur ein bisschen, sie war wohl zu nervös, um Appetit zu haben. Sie aßen schweigend und obwohl er so viel mehr auf seinem Teller hatte, war er schneller fertig, denn er schlang alles hinunter, als hätte er seit Tagen nichts mehr zu Essen bekommen. Sie hatte gerade einmal eine Gabel voll heruntergebracht und sogar das bisschen war für ihren Magen, der momentan sehr empfindlich war, schon fast zu viel gewesen. Sie überlegte noch, ob sie von sich aus über Lucius und alles andere sprechen oder auf seine Fragen warten sollte, da nahm er ihr die Entscheidung ab.

„Also, Granger, was für ein Haus ist das hier? Wird das mein neues Gefängnis? Sperrt ihr mich hier weg, damit ich eurem Glück nicht im Wege stehe?", fragte er mit einem abschätzigem Blick.

„Du weißt genau, dass ich nicht mehr Granger heiße."

„Und wenn schon? Soll ich dich vielleicht Mum nennen?"

Sie rollte mit den Augen und schüttelte den Kopf. „Wie wäre es denn mit Hermine? Oder müssen wir die Situation schwieriger machen, als sie ohnehin schon ist? Was das Haus angeht, es gehört uns. Also deinem Vater und mir. Und du kannst natürlich gehen, wann und wohin du möchtest, ich halte dich nicht auf. Ich dachte nur, du hast vielleicht lieber etwas Gesellschaft, als allein auf der Straße zu sitzen."

„Und wo ist er? Hat sicher etwas besser zu tun, als sich mit mir abzugeben."

„Er wäre sicher gerne für dich da, aber..."

„Natürlich. Lass mich raten. Dringende Geschäfte zwingen ihn..."

„Dein Vater ist im Gefängnis. Er wurde vor zwei Tagen festgenommen, weil man ihm vorwirft, Amando Witherfork ermordet zu haben."

„Ja, klar", schnaubte Draco, „Moment. Wie bitte?"

„Du hast mich schon verstanden."

„Aber...", er starrte sie ungläubig an, „Das ist doch verrückt! Der sitzt in einer Hochsicherheitszelle, wie soll Vater das geschafft haben?"

„Das ist die Frage, die gerade scheinbar niemand beantworten kann. Viel mehr weiß ich auch nicht, man hat mich nicht einmal darüber informiert, dass er verhaftet wurde. Durch Zufall habe ich es am nächsten Tag von einem ehemaligen Kollegen aus dem Ministerium erfahren."

„Warst du denn nicht dabei, als man ihn festgenommen hat?"

„Nein. Wir... hatten uns gestritten."

„Doch nicht alles heile Welt, oder was?"

„Doch nicht alles... Sag mal, hast du mir überhaupt zugehört?", sie sprang auf, „Dein Vater wurde wegen Mordverdachts verhaftet! Denkst du, außer dir hat niemand Probleme? Denkst du, es fällt mir leicht, dich hier zu haben, wo deine Freunde das letzte Mal, als wir uns begegnet sind, versucht haben, mich zu foltern und zu töten? Denkst du auch nur einen Moment lang darüber nach, dass das alles für mich genauso merkwürdig ist? Ich habe mir sicher nicht ausgesucht, mich in Lucius zu verlieben, das weißt du ja wohl um Einiges besser als ich. Aber falls es dich tröstet, der Zauber wirkt nicht mehr. Futsch. Weg. Und er ist wieder der Alte und will mit mir nichts mehr zu tun haben."

„Ich habe nicht... Ich meine, ich war nicht ich selbst."

„Oh natürlich. Du wusstest nicht, was du tust. Es ist sehr einfach, das zu behaupten. Aber ob du es glaubst oder nicht, es ist mir egal. Die Vergangenheit interessiert mich nicht, sonst wärst du sicher nicht hier."

Draco schwieg und auch Hermine hatte das Gefühl, das gerade eigentlich alles gesagt war. Sie sammelte sich einen Moment, dann fügte sie betont ruhig hinzu: „Ich habe es vorhin ernst gemeint. Fühl dich wie zuhause. Aber wenn du gehen willst, kann und will ich dich sicher nicht aufhalten."

Sie schnappte sich ihre Tasche und verließ das Cottage, denn sie hielt es für sie beide besser, ihm jede Menge Freiraum zu lassen.

„Warte!", rief Draco und kam hinterher, „Wohin gehst du?"

„Ich habe etwas in der Winkelgasse zu erledigen."

„Ich komme mit."

„Nein. Das mache ich allein. Nutze die Zeit lieber, um ein wenig Spaß zu haben. Hinter dem Garten führt ein Pfad runter ans Meer, falls du schwimmen möchtest", sie deutete auf einen kleinen Schuppen am Haus, „dort drin sind zwei, drei Rennbesen, dreh ein paar Runden damit. Im Wohnzimmer gibt es hunderte Bücher, die nur darauf warten, gelesen zu werden. Oder frag Beedy, ob sie mit dir Koboldstein spielt, du findest sicher eine Beschäftigung, die dir gefällt."

Hermine ging noch ein paar Schritte, dann disapparierte sie und ließ einen ziemlich verloren wirkenden Draco zurück.


Lumine III - FeuerprobeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt