09. August 2008 - Abendpost

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Am Abend brachte ein untersetzter Zauberer einen ganzen Stapel Briefe herein. Alle bis auf einen waren an Hermine gerichtet und es war unschwer zu erraten Kondolenzpost. Die Nachricht von Lucius Tod hatte sich wohl wie ein Lauffeuer verbreitet. Sein Brief trug einen Stempel des Zaubereiministeriums. Draco öffnete ihn und begann zu lesen.

Sehr geehrter Mr. Malfoy,

anbei finden Sie ein an Sie adressiertes Schreiben, das wir im Rahmen der Wiederherstellung der Räumlichkeiten «Winkelgasse Nr. 47a» bergen konnten.

Wir freuen uns, es Ihnen heute zukommen lassen zu können und verbleiben mit freundlichen Grüßen

i.A.
Uther MacCoy
Magisches Unfallumkehr-Kommando

Er legte das Stück Pergament beiseite und entfaltete den Brief, der dabei lag.

Lieber Draco,

wenn du das hier liest, bin ich tot. Ich denke nicht, dass du sehr traurig darüber sein wirst. Spätestens dann nicht mehr, wenn du gelesen hast, was ich dir jetzt schreibe. Ich hoffe aber, dass du mich dann wenigstens ein bisschen verstehen kannst und mir vielleicht sogar vergibst.

Zuerst mein Geständnis: Ich habe Hermine entführt, verwandelt und versteckt. Und ich habe versucht, dich zu töten.
Ich würde nun gerne schreiben, dass ich nicht ich selbst war, dass ich unter dem Imperiusfluch stand oder etwas in der Art, aber nein. Es war meine Entscheidung und ich bin dafür verantwortlich. Bitte glaub mir, ich bereue es zutiefst, aber ich kann es nicht mehr ungeschehen machen. Ich kann nur versuchen, es wieder gut zu machen - so gut das eben noch geht.

Du möchtest sicher eine Erklärung für das alles haben und ich denke auch, dass ich dir das schuldig bin. Also hier ist sie. Vor etwa sieben Jahren habe ich auf einer Reise nach Paris einen jungen Mann kennen gelernt. Wie sich bald herausstellte, war er auch Engländer und ein Zauberer. Er hatte Hogwarts gerade verlassen, als wir eingeschult wurden. Sein Name war John. Er war ein sehr offener Mensch, immer für einen Spaß zu haben, zuvorkommend, kultiviert... Ich könnte ewig weitermachen und seine vielen wunderbaren Eigenschaften aufzählen, aber ich denke es genügt, wenn ich sage, dass er für mich perfekt war. Wir wussten es beide sofort. Wir hatten einander nicht gesucht, aber gefunden. Du kanntest John und wirst jetzt sicher denken, dass ich verrückt bin und er ganz und gar nicht so war. Aber du kanntest ihn eben nur nachdem er verwandelt wurde. Wir alle haben unter der Wandlung gelitten, haben uns verändert. Bei ihm konnte ich es am deutlichsten sehen. Vielleicht, weil wir schon ein Jahr zusammen waren und ich ihn gut kannte.

Wir wurden gebissen, als wir unseren Jahrestag feierten - in Frankreich, weil das mit uns dort begonnen hatte. Du weißt selbst, dass wir danach fast vier Monate mit dem Rudel gelebt haben, ohne Kontakt nach außen. Und als wir wieder zu Hause waren, hat es nicht lange gedauert, bis John seinen Eltern von der Verwandlung erzählt hat. Der Großmeister wusste davon, er hat die Mayhems immer wieder für seine Zwecke eingespannt. Ich weiß nicht, warum er sie nicht getötet oder gebissen hat, wahrscheinlich waren sie durch das Schicksal ihres Sohnes schon gebrochen genug.

Dann ist John gestorben. Auroren haben uns in Finlarig angegriffen. Ich habe gesehen, wie ein Schockzauber durch das Fenster seine Brust getroffen hat und wie er nach hinten gekippt und unten am Fuß der kaputten Wendeltreppe aufgeschlagen ist. Er war sofort tot und der Zauberer, der den Fluch abgefeuert hat, hat es nicht einmal bemerkt, weil es hinter den Mauern geschehen ist. Ich habe genau gesehen, wer es war: dein Vater. Ich war so wütend. So unsagbar wütend, ich hätte ihn am liebsten sofort umgebracht. Du warst mit deiner Mutter und dem Großmeister unterwegs, als es geschehen ist. Greyback war daher der Anführer und er hat ihn einfach davonkommen lassen. Hat sich von seinem Gerede über die alte Zeit einlullen lassen und ich konnte nichts tun.

Als ich später in Azkaban einsaß, hat Frank mich besucht, Johns Vater. Er wollte eigentlich nur mit mir über seinen Sohn reden, doch nachdem er dann die ganze Geschichte gehört hatte und vor allem, wer sein Kind auf dem Gewissen hatte, schwor er Rache. Rache an Lucius, an deiner Familie, am Großmeister, an allen, die seiner Meinung nach dafür verantwortlich waren. Bei mir rannte er damit offene Türen ein, das muss ich leider gestehen. Die Wut in mir war noch nicht ansatzweise abgeklungen und ich war mehr als bereit, ihm bei seinem Vorhaben zu helfen, sobald ich frei sein würde. Er übertrug seiner Frau weitestgehend die Geschäfte im Eulenkaufhaus, half nur noch ab und an dort aus, und übernahm die Arbeit als Gefängniswärter. So konnte er dich, Narzissa und den Großmeister ein wenig quälen, bis wir einen Plan hatten, und eben diesen mit mir schmieden. Die anderen Wärter haben keinen Verdacht geschöpft, aber ich denke, sie hätten einfach nie damit gerechnet, dass einer der ihren auf einem Rachefeldzug sein könnte. Als deine Mutter das Gift genommen hatte, gingen alle davon aus, dass sie es irgendwie selbst beschafft haben musste. Als man dir deinen Wolfsbanntrank nicht verabreichte, glaubten alle an ein Versehen. Frank hat es immer sehr geschickt angestellt, dass er ja nicht damit in Verbindung gebracht wurde.

Nachdem ich endlich entlassen wurde, bin ich bei den Mayhems eingezogen. Ohne sie hätte ich vermutlich nicht lange überlebt, ich bin nicht für ein Leben auf der Straße geschaffen. Ich habe trotzdem zu viel getrunken und mich immer weiter eingeigelt, bis Buck Mitleid mit mir hatte und mir einen Job gegeben hat. Frank hatte nichts dagegen und wie sich bald herausstellte, konnte ich so einige Informationen über Lucius sammeln, denn er und Hermine kamen regelmäßig in den Blinden Troll.

Schon kurz nach meiner Entlassung habe ich einen Unbrechbaren Schwur geschworen. Ich würde nicht eher ruhen, bis ich jeden Malfoy, der auf Erden wandelte, vernichtet hätte. Du warst mit deiner Mutter verantwortlich dafür, dass die ganze Unternehmung überhaupt stattgefunden hat. Der Grund für das alles. Davon waren wir überzeugt. Wir entwarfen den Plan, eure eigenen Methoden gegen euch zu benutzen. Du solltest den Todeskuss bekommen und dein Vater sollte erst so richtig leiden, indem wir Hermine vor seinen Augen quälen, bevor wir auch ihn erledigen würden. Als die beiden geheiratet haben, umfasste mein Schwur natürlich auch sie, was uns sehr gelegen kam. Ich wusste nicht genau, wann du entlassen werden solltest, nur dass es nicht mehr lange dauern dürfte. Immer wieder habe ich Buck danach gefragt, aber ich musste aufpassen, denn ich durfte ihn nicht misstrauisch werden lassen. Ich habe Extraschichten gearbeitet, um ja nicht den Moment zu verpassen, in dem du den Troll betrittst. Ich war so fokussiert auf meinen Hass. Und dann war es von einem Augenblick auf den anderen vorbei damit. Wie ausradiert. Das war der Zeitpunkt, an dem der Großmeister gestorben ist. Hinter diesem Tod steckten wir übrigens nicht. Frank hatte die Schutzzauber deaktiviert und Caroline sollte ihn erledigen, doch als sie an seiner Zelle ankam, lag er schon in einer Blutlache.

Ich war wieder Herrin meiner Sinne, war immer noch wütend auf deinen Vater, aber die Mordlust, die mich so lange angetrieben hatte, war verschwunden. Und ich wollte aussteigen. Wollte keine Mörderin sein. Wollte frei sein von den ganzen schlimmen Gedanken. Du hast mir selbst gesagt, dass es dir ähnlich erging, also wirst du verstehen, was ich meine. Frank hat mich ausgelacht, als ich ihn darum bat, von dem Schwur entbunden zu werden. Er bestand darauf, dass ich mein Werk weiterführe und dich, deinen Vater und Hermine töte. Und ich war zu feige, um mich ihm zu widersetzen. Denn wenn ich es tat, würde ich selbst sterben. Davor hatte ich zu große Angst. Also habe ich Hermine aufgelauert und entführt. Ich habe sie in eine Schneekugel verwandelt und habe sie verborgen gehalten, selbst vor Frank. Ich habe ihm erzählt, dass ich Lucius erst einmal durch ihr Verschwinden quälen will und mich langsam steigern werde, um es voll auszukosten. In Wirklichkeit habe ich mir so Zeit erkauft. Sie war immer sehr nett zu mir.

Als nächstes warst du an der Reihe. Ich sollte dir den Todeskuss geben, den deine Mutter für Lucius vorgesehen hatte. Ich habe dich endlich im Blinden Troll gesehen und Kontakt zu dir aufgenommen. Ich habe dir über Kratzer an deinem Hals das Gift verabreicht und hätte es schon an dem Abend vollenden können. Du warst total betrunken und hättest nichts mitbekommen. Aber ich habe es nicht über mich gebracht. Frank habe ich erzählt, dass ich warten wollte, bis du wieder bei Sinnen bist. Also musste ich am Morgen wieder zu dir. Aber du warst nicht mehr der selbe Draco, den ich in der Schule und später im Rudel erlebt habe. Du standest auch nicht mehr unter dem Zauber des Großmeisters und hattest dich auch sonst zum Besseren verändert. Und ich konnte es einfach nicht. Als Ron dann ankam, war das meine Rettung, denn ich konnte den Plan nicht mehr unbemerkt durchführen.

Ich habe dich erlebt, wie du mich getröstet hast, wie du dir Sorgen um andere gemacht hast. Ich habe lange mit Ron über Hermine gesprochen. Und auch mit seiner Mutter, die wir zusammen besucht haben. Und das hat mich zu diesem Moment geführt, in dem ich mich dazu entschließe, endlich mutig zu sein. In meinem Leben gibt es nichts lebenswertes mehr. Deshalb werde ich jetzt Hermine retten. Das wird mich umbringen, aber das macht nichts. Ich werde wieder mit John vereint sein und ich kann ihm dann noch in die Augen sehen. Das ist doch etwas Gutes.

Du fragst dich vielleicht, warum ich dir diesen Brief schreibe, schließlich hätte ich es auch einfach durchziehen können, ohne dass jemand davon weiß. Aber ehrlich gesagt, das wollte ich nicht. Ich wollte mich wenigstens ein bisschen rechtfertigen. Und da ich das nicht konnte, ohne den Schwur zu brechen, musste ich es auf diese Art tun. Ich hoffe, dieser Brief erreicht dich - ich versiegle ihn, sodass nur du ihn öffnen kannst. Er wird neben mir liegen. Jetzt werde ich Hermine zurückverwandeln und ihr von Franks Plänen erzählen. Mach es gut, Draco. Es tut mir leid, dass ich dir Kummer bereitet habe. Es tut mir leid, dass ich Hermine das angetan habe. Bitte vergebt mir.
Susan


Draco ließ den Brief sinken und schluckte. Arme, mutige Susan. Er hatte Mitleid mit ihr. Eigentlich hätte er wütend sein müssen, weil sie versucht hatte, ihn zu töten, doch er empfand nichts dergleichen. Er wünschte ihr nur, dass sie ihren Frieden gefunden hatte.

Lumine III - FeuerprobeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt