Am nächsten Tag folgte ich meinem Dad in die Garage. "Wir haben zwei Autos hier. Eins für dich und eins für mich. Welches willst du?", fragte mein Dad. Ich bestaunte den alten, blauen Pickup und begutachtete auch den Mercedes. "Den Pickup. Der hat Charme.", antwortete ich, "Außerdem kann ich Mercedes nicht ausstehen. Sowas fahren immer so hochnäsige Spießer." "Danke.", brummte mein Dad. "Gern geschehen. Ich fahr mal einkaufen.", verabschiedete ich mich und stieg in den Wagen. Als ich die Auffahrt entlang fuhr, fiel mir auf, dass ich nicht mal wusste, wo hier ein Laden war. Kurz hielt ich an und überlegte zurück zu fahren und eine Karte zu holen, doch ich entschied mich dagegen. "Wird schon schief gehen.", murmelte ich und fuhr weiter. Sobald ich über den Fluss fuhr, bemerkte ich auch, dass wir nicht in einer Stadt lebten, sondern in einem Dorf oder einem Kaff. Ich fand schnell den einzigen Lebensmittelladen und parkte davor. Als ich durch die Tür kam, schlug mir ein Weihrauchgeruch entgegen, der mich total benebelte. Ich musste husten und stützte mich an eine Wand. "Trink. Das wird dir gut tun.", sagte auf einmal eine Stimme neben mir. Ich drehte den Kopf und sah eine kleine, alte Frau, mit langen, grauen, geflochtenen Zöpfen. Sie hielt mir ein Glas Wasser entgegen, dass ich dankend annahm und in zwei Zügen austrank.
"Ich hab mich schon gefragt, wann ich euch kennen lernen darf. Ungewohnt die Düfte, nicht wahr? Aber ich seh schon, dass ihr schnell damit zurecht kommt.", lächelte die Dame, "Ich heiße übrigens Nahtanha, aber nennt mich bitte Nana." Verwirrt sah ich die Frau an. Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass wir alleine im Laden waren, sagte ich zu Nana: "Du kannst mich auch duzen. Ich fühle mich noch nicht so alt, als das man mich so förmlich ansprechen müsste." Die Verkäuferin lächelte weiter: "Das tue ich nicht. Ich habe nie etwas von Norm und Form gehalten." Nun war ich komplett neben der Spur. Wenn sie mich nicht Siezen wollte, warum sprach sie mich dann im Plural an. In dem Moment, wo ich das dachte, änderte sich der Gesichtsausdruck von Nana. "Du weißt es nicht.", stellte sie flüsternd fest. "Was weiß ich nicht?", fragte ich. Die Frau legte ihre Hände um mein Gesicht und schloss die Augen. Wie in Trance sprach sie: "Du hast seine Anwesenheit schon gespürt, aber du verstehst noch nicht. Bald wird eine Zeit kommen, in der du erfährst, in der du verstehst und in der du lernst." Dann öffnete sie wieder die Augen und sah mich an. Doch bevor ich etwas sagen konnte, verschwand sie zwischen zwei Regalen. "Was bedeutet das, Nana?", rief ich hinterher. Ich bekam jedoch keine Antwort. Kurz darauf tauchte die Verkäuferin wieder neben mir auf und drückte mir zwei Tüten in die Hand. "Du musst es selbst herausfinden. Deine Einkäufe! Gib mir das Geld einfach am Donnerstag. Vergiss also deine Geldbörse nicht, wenn du losfährst.", mit diesen Worten schob sie mich aus dem Laden raus und verschwand wieder.
Ich stellte die Tüten auf den Beifahrersitz und stieg dann selbst ins Auto. Während der Fahrt nach Hause fieberte ich über den Sinn der Worte nach. Tief versunken in meinen Gedanken stellte ich das Auto in die Garage und räumte wenig später die Einkäufe in die Küche. Danach verschwand ich in mein Zimmer und kam zum Schluss, dass ich mit Kathy reden musste.
Da ich Kathy beim ersten Versuch nicht erreichen konnte, chattete ich erstmal nur mit Julian. Immer wieder erzählte er mir, wie langweilig es hier doch sei und das ich doch wieder zurück kommen sollte. Was nach einigen Stunden zu einer heftigen Diskussion führte, die aber jäh unterbrochen wurde, weil ein Kumpel Julian zu einem Treffen abholte. Nachdem er sich verabschiedet und nochmals entschuldigt hatte, wiederholte ich den Kontaktversuch mit Kathy. Dieses Mal erreichte ich sie und wir vereinbarten einen Videochat. Auch sie beteuerte mir, dass ihr Urlaub nur halb so spaßig sei und sie mich vermisse. Ich konnte sie jedoch ablenken, indem ich nach Typen in Florida fragte und sie mir stundenlang erzählte, was für Sahneschnitten dort vorhanden waren.
"Sky, du hast Besuch.", rief mein Dad von unten. Ich sah auf die Uhr. Es war bereits Abend und Heath war auch schon da. "Schick ihn hoch.", rief ich zurück und widmete mich wieder Kathy. Wir hatten solange geredet, dass wir die Zeit völlig außer Acht gelassen hatten. "Kathy, ich muss Schluss machen. Hab Besuch.", verabschiedete ich mich, doch meine beste Freundin hielt mich auf. "Momentchen, Fräulein. 'Schick ihn hoch'? Wer ist 'ihn'?", forderte sie mich auf. Ich seufzte: "Okay, ja er kommt gleich. Solange darfst du noch on bleiben." Triumphierend grinste sie und machte sich noch schnell die Haare, als es an der Tür klopfte. "Komm rein.", sagten Kathy und ich gleichzeitig. Ich sah sie böse an, doch sie ignorierte mich vollkommen, da sie Heath sah. Nervös strich er sich die Haare zurück. "Heath, das ist Kathy. Kathy, das ist Heath, mein Nachbar.", stellte ich vor. "Dein wirklich heißer Nachbar.", schnurrte Kathy und ich starrte sie mit offenem Mund an und dann Heath. Und dann wieder sie. "Gute Nacht, Kathy.", sagte ich prompt und schaltete den Laptop aus. "Sonst ist sie nicht so.", log ich. Heath grinste nur: "Schon okay. Ich kenn die Reaktion. Andere Sache. Du hast gestern nicht angerufen." Ich sah ihn verdattert an. "Ich hab dir meine Nummer gegeben und du solltest dich melden.", half mir Heath auf die Sprünge. "Oh. Achja, hab ich vergessen. Wie sieht es aus mit der Party?", entschuldigte ich mich. "Wenn du immer noch bereit dafür bist, steht ihr nichts mehr im Wege. Aber schauen wir uns jetzt erstmal deine Schulsachen an.", antwortete mir Heath und setzte sich auf mein Bett. Ich holte meine Ordner und gesellte mich zu ihm.
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Soulwalker
FantasySoulwalker ist eine uralte mystische Kraft und niemand weiß mehr so genau, was diese eigentlich bewirkt. Sicher ist nur, dass Gut und Böse seit Jahrtausenden darum kämpfen. Im größten Teil der Geschichte wurde die Kraft positiv beeinflusst, aber es...