Kapitel 39: „Loyalität"

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„Sie hasst, wenn ich besoffen bin, ich bin ein Gossenkind."
                                                           ~Purple rain
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Ich musste grinsen, als ich in das selbstsichere Gesicht der Polizistin sah. Sie dachte, sie hätte mich überredet. Sie dachte, sie hätte gewonnen. Aber ich hatte durch meine Erfahrungen gelernt.

„Von mir erfahren Sie nichts."

Ihr Lächeln verschwand sofort und sie seufzte laut. „Das werde Sie bereuen. Spätestens dann, wenn er eine langjährige Haftstrafe bekommt. Im Moment hat er einfach nur Glück, aber das Blatt kann sich ganz schnell wenden. Merken Sie sich das."

Unbeeindruckt sah ich sie an. „Ich rede nicht."

Die Polizistin nickte, ehe sie die Wohnzimmertür öffnete und ihren Kollegen ein Zeichen gab, Hussein aus der Wohnung zu führen. Als sein Blick meinen traf, füllten wieder Tränen meine Augen. Ich hatte nicht mal mehr die Chance gehabt, ihm was letztes zu sagen. Er wurde gepackt und direkt nach draussen gezerrt.
Sobald die Wohnungstür mit einem lauten Krachen zu flog, war ich alleine in der Wohnung. Ich stolperte ins Wohnzimmer und liess mich zitternd auf das Sofa fallen.

Erst jetzt bemerkte ich, dass mein Herz viel zu schnell schlug. Diese ganze Sache hatte all meine Energie geraubt. Ich atmete tief ein und versuchte mich etwas zu entspannen. Mein Blick fiel auf die Schüsseln mit Cornflakes, die noch auf dem Esstisch standen. Kaum zu glauben, dass noch vor zehn Minuten alles normal war. Die Polizisten hatten die ganze Wohnung auf den Kopf gestellt und ein riesigen Chaos hinterlassen. Es war hier schon genug unordentlich gewesen, doch die Polizisten hatten es auf ein neues Level gebracht.
Ich musste genervt ausatmen, als mir bewusst wurde, dass ich das ganze aufräumen durfte.

Ich wollte gerade nach meinem Handy greifen, als mir einfiel, dass ich ja Capi anrufen sollte. Schnell wählte ich seinen Kontakt und hielt mir anschliessend das Handy an mein Ohr. Es klingelte lange und ich wollte schon genervt auflegen, als plötzlich eine verschlafene Stimme erklang. „Was willst du?"

„Hussein wurde festgenommen." Rückte ich direkt mit der Sprache raus und hielt die Luft an.

Capi schwieg eine Weile, ehe er seufzte. „Schon wieder? Kann sich dieser Junge nicht einmal benehmen?"

„Was machen wir jetzt?" Ich war etwas verwirrt von seiner Reaktion, aber gerade hatten andere Dinge mehr Bedeutung.

„Ich kann gerade nicht zur Polizeiwache." Gestand er. „Ich bin noch in Hamburg. Hatte gestern kein Bock mehr zurück zu fahren und hab mir hier darum ein Zimmer gebucht."

„Dann beweg deinen Arsch aus dem Bett und fahr hierhin." Fauchte ich ihn an, ehe ich einfach auflegte. Ich war mit meinen Nerven deutlich am Ende.

Ob ich ihn heute noch überhaupt sehen würde? Was wenn die Polizistin Recht hatte und er mal für Jahre sitzen würde? Ich wusste nicht, ob ich in der Lage wäre, Jahre auf ihn zu warten. Kopfschüttelnd vergrub ich mein Gesicht in meinen Händen, bis mich das Klingeln der Haustüre aufschrecken liess.

Capi war das sicher nicht und ich hatte keine Ahnung, wer das sonst sein könnte. Stirnrunzelnd griff ich nach dem Hörer und fragte, wer da sei.

„Cem." Hörte ich den Türken sprechen und öffnete nach kurzem zögern die Türe. Es dauerte noch eine Minute, bis er mit dem Fahrstuhl in meine Etage fuhr und ich nutzte die Zeit, um meine dunklen Haare ordentlicher zu binden. Niemand sollte sehen, wie sehr mich Husseins Festnahme eigentlich mitgenommen hatte.

Cem zog noch seine Schuhe aus, ehe er die Wohnung betrat und mich in eine kurze Umarmung zog. „Wie geht es dir?" Seine Augen musterten mich aufmerksam und ich deutete ihm an, mir ins Wohnzimmer zu folgen, um uns zu setzen.

Erschöpft rieb ich mir die Augen. „Eigentlich viel besser, wenn sie Hussein nicht festgenommen hätten."

Cems Augenbrauen zuckten nach oben. „Das erklärt dann wohl das ganze Chaos hier."

Ich nickte bestätigend und beschloss, das Thema zu wechseln. Hussein schien Cem nicht wirklich zu mögen und ich wollte darum nicht irgendwas falsches sagen. „Was machst du hier?"

„Ich wollte sehen, wie es dir nach dem Unfall geht." Gestand mir der Braunhaarige und lehnte sich etwas zurück.

Ich nickte wieder. Da er ja jetzt wusste wie es mir ging, konnte er eigentlich wieder gehen, doch es gab da eine Frage, die mich brennend interessierte. „Warum hasst ihr euch gegenseitig so sehr?"

„Wer?" Tat Cem auf ahnungslos und ich verdrehte die Augen.

„Du und Hussein."

„Warum fragst du ihn nicht?" Entging er wieder meiner Frage.

Ich warf ihm einen genervten Blick zu. „Weil ich jetzt dich frage."

Cem verzog seine Miene und presste seine schmalen Lippen zusammen. „Das ist eine lange Geschichte."

„Die ich gerne hören würde." Ergänzte ich seinen Satz.

„Ich kann sie dir nur kurz zusammen fassen." Er setzte sich etwas auf. „Ich habe vielleicht seiner Ex die Idee in den Kopf gesetzt, ihn zu verraten."

„Jamila?" Fragte ich gespannt.

Cem nickte. „Genau. Er hat mir verziehen, aber jetzt denkt er wohl, dass ich das selbe bei dir abziehen würde."

Ich schüttelte den Kopf. „Ich habe aus meinen Fehlern gelernt. Ich würde ihn niemals verraten."

„Das merkt man." Grinste Cem. „Ich bete für dich, dass Jamila dir deine Kehle nicht durchschneidet."

„Wie bitte?" Bitte lieber Gott, lass mich das verhört haben.

„Glaub mir dieses Mädchen ist krank. Keine Ahnung, was Hussein an ihr fand." Zuckte Cem die Schultern.

„Bin ich in Lebensgefahr?"

Er sah mich kurz schweigend an, bevor er den Kopf schüttelte. „Ich denke nicht, dass Hussein dich alleine rumlaufen lassen würde, wenn du ernsthaft in Gefahr wärst. Er weiss am besten, wozu die fähig ist."

„Ich will sie kennenlernen." Sagte ich entschlossen und stand auf. „Und du hilfst mir dabei."

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Nur für dich | SAMRA FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt