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Samu POV

„Oh Gott Samu." Riku schaut mich ebenfalls fassungslos an. Es selber gesagt zu haben, holt mich mit einem Mal zurück in die Wirklichkeit. Wie ein Schlag ins Gesicht trifft es mich mit voller Wucht. Miina. Sie ist schwer verletzt und ich weiß nicht mal wie schwer. Alles dreht sich in meinem Kopf, als ich versuche einen klaren Gedanken zu fassen. Schnell stehe ich auf, fahre mir mit der Hand durchs Haar und versuche mich zu sammeln.

„Ich nehme den nächsten Flug nach Helsinki! Erklär bitte alles den andern." Sage ich zu Riku und ohne eine Antwort abzuwarten gehe ich los.
Ich habe Glück und der nächste Flug geht keine Stunde später. Nervös und Angespannt starre ich abwechselnd aus dem Fenster und auf die letzte Nachricht meiner Freundin. Je näher wir Helsinki kommen, desto größer wird meine Angst. Die Angst um meine Miina. Als ich wenig später im Taxi sitze bin ich mit meinen Nerven völlig am Ende. Was ist wenn sie es nicht geschafft hat? Ihre Verletzungen zu schwer waren? Nein dann hätten sie schon längst angerufen! Versuche ich mich selber irgendwie zu beruhigen. Aber es gelingt mir nicht. Vor der Klinik drücke ich dem Fahrer sein Geld in die Hand und renne zur Anmeldung. Die Dame an der Anmeldung erkennt mich und weiß sofort, zu wem ich möchte.
„Ich muss sie leider bitten, noch zu warten. Frau Valkonen ist immer noch im OP."

Ich setze mich auf eine kleine Bank und fange an zu schluchzen. Nach dem anfänglichen Schock, kommen jetzt alle Gefühle auf einmal hoch und ich fange an bitterlich zu weinen.

Nachgefühlt endlos langen Stunden, kommt endlich ein Arzt zu mir.
„Wie geht es ihr? Wird sie wieder gesund werden?" frage ich hektisch und springe von meinem Platz auf.
„Frau Valkonen hat die OP soweit gut überstanden. Einige Knochen sind gebrochen und sie hatte schwere innere Verletzungen. Wie durch ein Wunder sind jedoch die lebenswichtigen Organe soweit unversehrt geblieben, sodass sie nicht mehr in Lebensgefahr schwebt." antwortet der Arzt ruhig.
„Kann ich zu ihr?"
„Selbstverständlich. Sie ist auf der anästhesiologischen Intensivstation. Seien sie sich aber bewusst, dass sie nicht ansprechbar ist."
Ich nicke stumm und frage mich zu Miinas Station durch. Eine Schwester holt mich am Eingang zur Station ab und führt mich zu ihrem Zimmer, das am Ende des Ganges liegt.
„Sie müssten noch einen Moment hier warten!" sagt die Schwester höflich und ich nicke nur.

Wenige Minuten später darf ich schließlich zu ihr. Vorsichtig gehe ich an ihr Bett und muss schlucken, als ich meine Freundin so sehe. Überall sind Schläuche und Kabel, die Herz- und Lungenfunktion ständig überwachen. Außerdem wird sie immer noch sicherheitshalber beatmet. Rechts neben ihrem Kopf steht ein Infusionsgerät, durch welches sie mit Medikamenten versorgt wird. Von ihren Verletzungen selbst sieht man fast gar nichts, da sie bis zur Brust zugedeckt ist. Ich nehme mir einen Stuhl und setze mich einfach neben sie. Unter der Decke suche ich ihre Hand und so sitze ich einfach schweigend da und halte ihre zarte Hand.
„Bitte wach auf!" schluchze ich leise und frage mich immer wieder warum ausgerechnet sie? Warum musste ihr das passieren? Eine Schwester reist mich aus meinen Gedanken.
„Herr Haber? Ich muss sie leider bitten zu gehen. Die Besuchszeit ist vorbei. Sie können gerne morgen früh wieder kommen."
„Bitte, kann ich bei ihr bleiben?" flehe ich die junge Frau an.
Nach kurzem Zögern nickt sie schließlich.
„Na gut. Sie können hier bleiben. Aber andere Freunde und Verwandte, sollen bitte nur zu den Besuchszeiten vorbeikommen."
„Danke!" flüstere ich leise und weiche Miina nicht mehr von der Seite. In regelmäßigen Abständen kommt die Schwester und überprüft die Geräte und notiert sich die Werte. Still neben ihr sitzend betrachte ich sie, bis ich schließlich irgendwann auf meinem Stuhl einschlafe. Es ist ein unruhiger Schlaf und nach nicht mal drei Stunden bin ich wieder wach.

„Guten Morgen Herr Haber!" begrüßt mich die Schwester freundlich, die gerade die Frühschicht übernommen hat. Gegen 9 Uhr, kommt Teija leise ins Zimmer. Als sie Miina sieht wird sie ganz blass im Gesicht. Wortlos geht sie zru anderen Seite des Bettes und streichelt ihr sanft die Hand. Die ersten Tränen laufen über ihre Wange. Ich stehe auf und streiche ihr sanft über den Rücken. Sie dreht sich zu mir und lehnt sich weinend gegen mich.
„Warum? Samu warum sie?" schluchzt sie leise.
Ich umarme sie einfach und versuche nicht auch schon wieder zu weinen. Teija bleibt bis die Besuchszeit vorbei ist und abwechselnd reden wir mit Miina. Falls sie uns hört, soll sie wissen, dass wir sie nicht alleine lassen.
„Ich komme morgen früh wieder vorbei!"
Sie geht und ich bleibe wieder alleine im Zimmer zurück. Da in der Station zweimal am Tag für drei Stunden Besuchszeit ist, kommen die Ärzte immer um die Mittagszeit, um nach den Patienten zu sehen
„Seien sie beruhigt. Herz und Lunge arbeiten sehr gut. In den nächsten Tagen wird auch der Tubus aus der Luftröhre entfernt." Ich nicke stumm.
„Wann wird sie aufwachen?"
„Herr Haber, ihre Freundin hat bei dem Unfall ein Schädel Hirn Trauma erlitten. Wir können ihnen leider nicht sagen, wie lange das dauert. Es kann Tage, Wochen oder Jahre dauern. Es kann aber auch sein, dass sie nie wieder aufwacht. Wir müssen sehen was die Zeit bringt. Aber die Chancen, dass sie wieder vollständig genesen wird, stehen gut."

Ich unterdrücke die aufsteigenden Tränen und nicke stumm.
„Es tut mir Leid. Ich würde Ihnen sehr gerne sagen, dass sie morgen aufwacht, aber das kann ich nicht."
Der Arzt verabschiedet sich und wieder bin ich alleine mit Miina. Am Abend kommt schließlich auch noch Riku vorbei.
„Hei Riku!"
„Hei Samu. Du, Jukka wartet draußen. Die Schwester sagt, es dürfen immer nur zwei Besucher rein. Wir dachten uns, er bleibt die nächsten zwei Stunden hier und ich fahr dich nach Hause. Du musst mal wieder was Essen und kannst dir was anderes anziehen!"
Widerwillig stehe ich auf und gehe mit Riku in den kleinen Raum, der mit „Besucherschleuse" ausgeschildert ist. Jukka schaut mich traurig an und ohne viel zu sagen, erklärt Riku ihm, wo Miinas Zimmer ist und dann gehen wir. Seit knapp 36 Stunden sehe ich wieder Tageslicht. Riku fährt mich nach Hause, wo ich nach einer schnellen Dusche, versuche eine Kleinigkeit zu Essen. Aber so wirklich Hunger hab ich eigentlich nicht. Riku erzählt mir in der Zeit, dass Mikko alles Regeln konnte, wegen dem ausgefallenen Tourabschluss und die Fans da scheinbar auch größtenteils Verständnis für hatten. Wenigstens ein Problem weniger.

Schließlich fahren wir schweigend wieder zurück in die Klinik. Ich setze mich auf den Stuhl neben Miina und dann müssen auch Jukka und Riku wieder die Klinik verlassen. Ich erzähle Miina von der Tour und streichle dabei sanft ihre Hand. Als die Schwester wieder kommt, höre ich auf zu reden.
„Lassen sie sich von mir nicht stören. Das ist genau richtig was Sie machen. Reden sie mit ihr. Und wenn sie ihr nur irgendwas vorlesen. Wichtig ist, dass sie ihre Stimme hört."
Sie lächelt mich aufmunternd an und geht wieder ins Nachbarzimmer.
„Sie wissen ja, wenn was sein sollte, ich bin nebenan!"
Als ich wieder alleine mit Miina bin, fange ich an leise für sie zu singen.
„I can give you this sweet Symphony, and i hope it makes you feel fine..."

Jeden Tag kommt Jukka vorbei und auch Teija und die anderen Jungs sind so oft es geht hier.
Mittlerweile sind schon einige Tage vergangen, seit Miina hier ist.
„Hei Samu. Wie geht's ihr heute?" fragt Jukka, als er reinkommt und sich einen Stuhl neben Miinas Bett stellt.
„Unverändert. Die Ärzte sagen, ihre Wunden verheilen sehr gut. Wenigstens etwas." Antworte ich leise.
„Das ist gut. Aber mal was anderes. Du sahst auch schon mal besser aus, Samu!"
„Danke!" entgegne ich und ringe mir ein leichtes Lächeln ab.

In den letzten fünf Tagen habe ich weder richtig geschlafen, noch habe ich was Ordentliches gegessen. Wenn ich so aussehe, wie ich mich fühle, wundert es mich nicht, dass Jukka das bemerkt hat.
„Er hat leider Recht, Herr Haber. Sie sehen wirklich nicht gut aus." bemerkt auch die Schwester, die wieder nach Miina schaut. Gemeinsam schaffen sie es tatsächlich mich zu überreden, endlich nach Hause zu fahren und erst am nächsten Tag wieder zu kommen. Zusammen mit Jukka verlasse ich am Abend schließlich die Klinik und er fährt mich nach Hause. Zuhause angekommen, gehe ich ohne noch etwas anderes zu tun in mein Bett. Erst am nächsten Morgen fange ich an, meine Mails zu checken, die Post aus dem Briefkasten zu holen und einzukaufen. Als ich gerade wieder zu Miina in die Klinik fahren will, stehen zwei Polizisten vor meiner Tür.

Was wollen die denn schon wieder hier?
„Kann ich ihnen helfen?" frage ich höflich und bleibe vor meinem Auto stehen.
„Herr Haber, hat ihre Freundin in letzter Zeit irgendwelche Probleme gehabt?"
„Wie bitte?" frage ich überrascht.
„Der Unfall. Das war kein Zufall. Die Bremsschläuche an dem Fahrzeug von Frau Valkonen wurden durchgeschnitten. Jemand wollte, dass sie verunglückt."

Nothing Is Over - Sunrise Avenue FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt