Teil 22 - Verzweifelt

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YN sog scharf die Luft ein.

Was will der denn hier? Es ist noch vor 9 Uhr, da kann ich sowas nicht gebrauchen.

Sie wartete trotzig ab, dass er zuerst das Schweigen brach, schließlich hatte er sie gestern einfach stehen lassen, nachdem er sie so sehr gekränkt hatte.

"YN, es tut mir Leid, was ich gestern gesagt habe." Seine Entschuldigung klang aufrichtig und dass er ihr dabei nicht in die Augen sah, zeigte seine Reue. "Ich weiß nicht, was mit mir los war. Es tut mir Leid, dass ich so gemein war." Er hatte sich ihr genähert und stand jetzt vor ihrem Schreibtisch. YN war verunsichert, was sie sagen sollte, aber dass er auf sie zugekommen war und sich entschuldigt hatte, ließ ihre schlechte Laune verschwinden. Sie wollte nicht, dass etwas derart Negatives zwischen ihnen stand und verzieh ihm. Schlagartig änderte sich die Atmosphäre zwischen ihnen, wofür sie dankbar war. Sie ertrug es nicht, wenn ein unausgesprochener Konflikt in der Luft lag, egal ob sie daran beteiligt war oder nicht.

Für eine Weile stand er am Tisch, verlagerte zögernd sein Gewicht von einem Bein zum anderen, als YN sah, wie ihm ein Einfall gekommen war.

"Aber was wäre denn", fing er wieder an, "wenn du mit mir ausgeht? Du bist doch nicht wirklich mit Hisoka zusammen, oder? Ich beweise dir, dass ich die bessere Wahl bin." Er setzte ein überhebliches Grinsen auf und versuchte, ihre Hand zu berühren.

Nein!

Entsetzt - dass er seine eigene Entschuldigung so schnell zunichte gemacht hatte, indem er erneut in die Offensive gegangen war - wich YN zurück.
Seine Worte befreiten eine stille Angst, die sie tief in sich verborgen hielt.

"Nein!" Ihre Stimme war weniger bestimmt gewesen, als sie gehofft hatte. Seine Worte machten sie fassungslos und ihr Kopf schlug Alarm, doch ihr Körper machte nicht mit. Es fühlte sich wie eine Blockade an, die sie daran hinderte, ihm ihre Meinung zu sagen.

"Hisoka ist nicht der für den du ihn hältst, YN. Was kann er dir bieten? Sobald er seinen Spaß mit dir hatte, verschwindet er. Meinst du wirklich, dass er dir geben kann, wonach du suchst?" Sein maskenhaftes Lachen ließ sie erschaudern.

Tränen stiegen ihr in die Augen und sie versuchte krampfhaft, dagegen anzukämpfen, doch die erste lief bereits ihre Wange herunter.

Warum sagt er das? Verdammt hör auf!

"Du suchst nach der einzig wahren Liebe", fuhr er in arrogantem Ton fort, "doch Hisoka wird früher oder später gelangweilt sein und dich fallen lassen. Dann wirst du dich an meine Worte erinnern, aber es wird zu spät sein." Seine Stimme war eine scharfe Klinge.

Scheiße!

"Ich kann dir geben, was du.."

"Hör auf!" Sie schrie ihn an, immer und immer wieder, dass er aufhören sollte.
Er sollte endlich aufhören, die Wahrheit zu sagen. Weitere Tränen strömten aus ihren Augen und tiefe Traurigkeit machte sich in YN breit.

Er soll verdammt nochmal aufhören!

Sie sank in sich zusammen, doch Kaito hörte nicht auf; ihm fielen weitere Gründe ein, warum Hisoka YN aus heiterem Himmel verlassen könnte und jedes seiner Worte traf sie mitten ins Herz. Er hätte genauso gut ein Messer in sie hineinrammen können. Sie ließ es über sich ergehen und ertrug stumm seine Aussagen. Derweil brannten die Tränen auf ihrer Haut und tropften auf ihren Schoß, sie war wie benommen und wollte sich nicht mehr wehren.

Irgendwann war Kaito aus dem Büro gegangen und hatte YN in ihrem Kummer zurückgelassen. Wie lange sie regungslos dagesessen und geweint hatte, wusste sie nicht.
Mit jeder Träne, die sie verlor, fiel sie immer tiefer in das Loch, das Kaito aufgetan hatte.
Das Licht im Büro blendete sie und ihre Hände zitterten unkontrolliert, wie ein nasses Handtuch hing sie auf dem Stuhl. Zu erschöpft um sich zu beruhigen.

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