Eine Windböe fegte durch die Straße und ließ YN für einen kurzen Moment erschaudern. Als sich eine Haarsträhne in ihren Wimpern verfing, strich sie diese beiläufig zur Seite und starrte ins Leere. In ihren Gedanken herrschte ein großes Durcheinander, ohne dass sie sich dagegen wehren konnte.
Wie durch einen Vorhang hörte sie ein Kleinkind im Kinderwagen singen, als eine Mutter an ihnen und der Parkbank, auf der sie saßen, vorbeiging.Mr. & Mrs. Morrow?
YNs Herz wurde schwer und es fühlte sich an, als hätte ihr jemand ununterbrochen Bücher auf den Arm geladen. Jeden Augenblick würden ihr die Arme unter der Last wegbrechen, nur dass es sich um ihr Herz handelte.
Irritiert wechselte YNs Blick zwischen ihrem Liebsten und der Karte in ihrer Hand. Es war ihr gestern Abend in der schumrigen Atmosphäre des Mafiapalastes nicht aufgefallen. Gedankenverloren fuhren ihre Finger über die Schrift auf der Karte und ihr wurde langsam klar, was jenes, was dort eingraviert war, wirklich bedeutete; gleichzeitig wollte ihr Verstand es nicht begreifen, es war unmöglich.Sie wohnte mehr oder weniger seit gestern mit dem Mann an ihrer Seite zusammen und jetzt eröffnete er ihr, wie er an die Wohnung gekommen war. Er hatte sie als verheiratetes Paar ausgegeben. YN musste zugeben, dass ihr der Gedanke auf eine gewisse Art und Weise gefiel und nur mühsam konnte sie sich ein Grinsen verkneifen, indem sie sich auf die Unterlippe biss.
Ein Teil in ihr, der irrationale, verträumte und romantische Teil, wünschte sich aus tiefstem Herzen genau das, was jetzt eingetreten war. Ein anderer Teil in ihr, der rationale, überlegte und nüchterne Teil, trat auf die Bremse und warnte sie vor überstürzten Handlungen. Und egal wie paradox diese Denkweise war, überschlugen sich in ihrem Kopf die einzelnen Argumente für und wider die Inschrift auf der Karte, die sie krampfhaft umklammert hielt.
Sie atmete tief durch, bevor sie ihn bitten wollte, ihr die Situation zu erklären, aber wenn sie ehrlich war, wollte sie keine Erklärung im eigentlichen Sinne hören. Sie wollte hören, was ihm dabei durch den Kopf gegangen war - wie er sich ihre Zukunft vorstellte.
Es war offensichtlich, dass er ihren verdutzen Ausdruck erheiternd fand. Sein Blick haftete an ihren zuckenden Lippen. Hisoka rutschte näher und legte einen Arm um ihre Taille. "Dass du seit fünf Minuten nichts mehr gesagt hast, beunruhigt mich jetzt schon ein wenig." Er kicherte leise und nippte an seinem Kaffeebecher. Belustigt strich er ihr eine weitere Strähne, die sich verfangen hatte, aus dem Gesicht.
Daraufhin nahm er ihr Kinn und drehte ihr Antlitz in seine Richtung. Seine Lippen waren zu einem sanften Lächeln geformt, aber in seinen Augen blitzte ein ehrgeiziger Funke. Sein Kampfgeist war geweckt."Ich weiß gerade wirklich nicht, was ich sagen soll." Mehr konnte und wollte sie nicht sagen, sie brachte ihre eigentliche Frage nicht über die Lippen, denn sie wusste nicht, ob sie die Antwort würde ertragen können. Wie sollte sie den Aufdruck auf der Karte deuten? War es nur ein Mittel zum Zweck oder war das indirekt genau das, was sich jedes Mädchen wünschte?
Er drückte ihre Hand, die er immer noch festhielt, und verschränkte seine Finger mit ihren. In sein Gesicht stieg eine untypische Röte und YN spürte, wie seine Handfläche feucht wurde. Ihre Reaktion auf sein Verhalten konnte sie ebenfalls nicht leugnen: ihr Herzschlag war unregelmäßig und ihre Intuition sagte ihr, dass da noch mehr war - etwas, das unausgesprochen zwischen ihnen stand.
Ist er verlegen? Woran denkt er? Kann er bitte etwas sagen?!
Doch so schnell wie seine Unsicherheit gekommen war, so schnell war sie auch verflogen und diese flüchtige Sekunde seines weichen Kerns ließ sie daran zweifeln, ob das, was sie gesehen hatte, real war.
"Mir reicht für den Anfang, dass wir zusammen wohnen." Er musterte sie mit seinen durchdringenden Augen und fing an zu lachen. "Ich liebe dich, ist das nicht alles, was zählt?" Er küsste sie hastig, bevor sie es überhaupt realisieren konnte. Doch YN war sich sicher, dass er genau jetzt etwas zurückhielt. Er hatte bewusst beschlossen, etwas Anderes auszusprechen als das, was ihn tatsächlich beschäftigte.
Seine lässige Art kehrte wieder zurück und er lehnte sich unbeschwert an YN. "Du bist so leicht aus dem Konzept zu bringen, weißt du das? Aber wie bereits an anderer Stelle erwähnt, wenn ich etwas will, nehme ich es mir."
Hisokas Sturheit erleichterte sie, auch wenn sie noch nicht bereit für den nächsten Schritt war, bedeutete es, dass er nicht aufgeben würde.YN entschied, dass sie nicht wollte, wie ihre Gedanken die Oberhand über sie hatten, sie wollte einfach nur die Gegenwart mit ihrem Liebsten auskosten und um ihre aufgewühlte Stimmung zu vertreiben, warf sie kühn in den Raum: "Wer sagt denn, dass ich deinen Namen annehmen würde?"
"Weil YN Morrow einfach verdammt sexy klingt!" Seine Antwort kam prompt und sein angriffslustiges Lächeln verriet, dass er mit der Aussage gerechnet hatte. Hisoka ließ sich zu ihrem Leidwesen nicht aus der Reserve locken, er war sich seiner Ausstrahlung vollends bewusst; insbesondere wusste er, welche Wirkung er bei seiner Liebsten erzielte.
YN schnaubte, sie würde es ihm mit gleicher Münze zurückzahlen. "Und wer hat überhaupt gesagt, dass ich mit dir zusammen ziehe? Ich habe nur gesagt, dass mir die Wohnung gefällt, mehr nicht."
Für einen kurzen Moment erstarrte Hisokas Gesicht und er vergaß seine Gelassenheit, denn es stimmte: YN hatte bisher nur erwähnt, was sie von der Wohnung hielt, nicht dass sie seine Überraschung annahm.
Auch wenn sie es nur tat, um ihn zu ärgern, konnte sie ihn nicht lange zappeln lassen. Nur zu gut wusste sie, wie es sich anfühlte, wenn man gegen jemanden stichelte. "Ach Hisoka, ich kann...", sie zögerte. "Ich kann mir nichts Besseres vorstellen, als mit dir zusammen zu wohnen. Tut mir Leid, wenn ich dir das Gefühl gegeben habe, dass ich mich nicht darüber freue."
Sie hatte den Eindruck, dass er innerlich erleichtert aufatmete, obwohl er keine Miene verzogen hatte. Stattdessen grinste er nur und, so unbekümmert wie er war, umarmte er sie.
Das ist seine weiche Seite, von der Agatha mir bei unserer ersten Begegnung erzählt hatte. Er wirkt nach Außen sehr stark und unnahbar, aber eigentlich ist er im Inneren...
"Wann ziehen wir ein?" Seine Frage unterbrach sie in ihren Überlegungen und sein aufgeregter Tonfall erregte ihre Aufmerksamkeit. Nachdem die Handwerker die letzten Schönheitsreparaturen erledigt haben würden, sprach nichts dagegen, in den nächsten Tagen das Vorhaben in die Tat umzusetzen.
YN stand auf und zog ihn mit sich hoch. "Meinetwegen sofort, aber es muss auf jeden Fall wohnlicher werden als deine Bleibe in der Himmelsarena. Sonst glaubt niemand, dass da 'Mr. & Mrs. Morrow' einziehen." Sie zwinkerte ihm zu.
Hisokas Handy klingelte plötzlich. Seufzend starrte er auf das Display und wartete, bevor er ranging und sich wieder geistesabwesend auf die Bank setzte. "Ja, bitte?"
YN war nicht entgangen, dass in seiner Stimme ein ironischer Unterton lag, während er sprach.
Mehrere Male schloss er seine Augen, als müsste er sich zurückzuhalten, nicht die Selbstbeherrschung zu verlieren.Das ist kein erfreuliches Telefonat. Er ist wieder in der beängstigend gleichgültigen Stimmung.
Der Anruf war ein einseitiges Gespräch, wenn man es denn so nennen konnte, da Hisoka so gut wie nichts sagte, außer einige widerwillig zustimmende Geräusche von sich zu geben. Sobald er aufgelegt hatte, lehnte er sich vor und stützte seine Unterarme auf den Knien ab. YN wartete, bis er etwas sagte, sie wollte ihn keineswegs ansprechen, da sie nicht wusste, worum es in dem Gespräch ging; war es besser, wenn sie sich zurückhielt.
"Mein Chef hat angerufen. Es gibt ein Problem mit meiner letzten Mission, der Auftraggeber ist mit dem Verlauf unzufrieden und deshalb hat er mich zu sich bestellt."
YN zog ihre Stirn in Sorgenfalten. "Wann musst du denn zu ihm?"
"Sofort."
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Gelegenheit macht Liebe
Fiksi PenggemarFanfiction in Arbeit. Hisoka × Reader Du führst ein völlig normales Leben - fast schon ein langweiliges. Bis plötzlich Hisoka in dein Leben tritt und einiges durcheinander bringt. Es beginnt ganz harmlos, aber früher oder später könnt ihr nicht me...