Tausend Gedanken schossen ihr durch den Kopf, als sie mit dem Briefumschlag in der Hand die Haustür schloss und sich auf den Boden davor setzte.
Ganz ruhig, es ist nur ein Brief. Da wird nichts Schlimmes drin stehen, aber es ist gruselig, dass er an mich gerichtet ist.
Wer weiß, wo wir wohnen? Ich habe es niemandem gesagt.Ihr kamen unwillkürlich zwei Menschen in den Sinn, denen sie zutrauen würde, eine unheimliche Nachricht zu hinterlassen. Zu der ersten Option war Hisoka unterwegs, den anderen würde sie später bei der Arbeit sehen und weder der eine noch der andere potentielle Kandidat verhießen etwas Gutes.
Sie schluckte. Das Kuvert in ihrer Hand wurde mit jeder Sekunde, die sie verstreichen ließ, schwerer. Mit tauben Fingern tastete sie den Rand des Briefumschlages ab, als wartete sie darauf, dass es ihr wie Schuppen von den Augen fiel, wer als drittes in Frage käme, ihr so etwas zu hinterlassen. Doch je länger sie darüber nachdachte, desto weniger fiel ihr jemand ein, dem sie so etwas zutrauen würde.
YN versuchte, tief durchzuatmen, dass sich ihr Puls normalisierte. Vorsichtig öffnete sie, als würde sie eine Bombe entschärfen, die verklebte Lasche.Das Papier darin war sorgsam und präzise gefaltet und enthüllte eine Nachricht, die in einer schönen, verschnörkelten Handschrift verfasst war. Es war eindeutig die Schrift eines Mannes; woran sie das erkannte, konnte sie nicht genau sagen, aber es war deutlich zu sehen.
Bedauerlich, dass du mich bisher nicht aufgesucht hast, dabei habe ich die Hoffnung noch nicht aufgegeben.
Eventuell muss ich dir einen Anreiz schaffen.C. L.
YN betrachtete die Initialien, die das Ende der Botschaft markierten. Die beiden Buchstaben C und L waren ineinander geschwungen, dass man daraus ein Herz ablesen könnte. Doch YN erkannte die Provokation, die dahinter steckte: Chrollo setzte die Hoffnung darauf, dass sie Hisoka den Brief zeigen würde, damit er etwas Unüberlegtes täte. Hisoka diesen Brief jedoch nicht zu zeigen, kam allerdings auch nicht in Frage und egal wie sie es drehte und wendete, Chrollo würde mit seinem Vorhaben zu seinem Ziel kommen.
Was soll ich jetzt tun? Ist das eine versteckte Botschaft? Oder will Chrollo mich nur verrückt machen? Ganz sicher will er, dass ich zu ihm komme. Ich habe nicht vergessen, dass er mir noch einige Antworten schuldet und dass er... Dass er mich geküsst hat.
Die Wut von damals, die sich hartnäckig in ihr manifestiert hatte, loderte schwach auf. YN musste sich zügeln, damit sie sich nicht allzu sehr hineinsteigerte. Sie umschlang ihre Knie und platzierte ihre Stirn auf dem Unterarm.
Er will unbedingt, dass ich ihn aufsuche. Warum kann er es nicht gut sein lassen? Ich muss mit Hisoka darüber reden.
Die Erkenntnis, dass sie zur Arbeit musste, traf sie wie ein Blitz. Schweren Mutes drückte sie sich aus der kauernden Position von der Tür ab, faltete den Brief und verstaute ihn in ihrer Tasche, ehe sie die Wohnung verließ.
Die morgendliche Ruhe und die kühle Luft waren genau das richtige, um ihre Gedanken zu beruhigen, doch dass der Brief sich in ihrer Tasche befand, machte es ihr unnatürlich schwer, den Tag sorglos zu beginnen. Das Gewicht zog immer wieder an ihrer Schulter und sie war froh, als sie den Ballast in ihrem Spind einschließen konnte.
Just in dem Moment, in dem sie zwischen die Bücherregale trat und sich auf die Leiter schwang, um die Liste eines Geschichtsprofessors abzuarbeiten, war sie gedanklich in einer anderen Welt. Ihre Hände griffen automatisch zu den Titeln, die sie zusammen suchen musste, was ihr erlaubte, nachzudenken.
Chrollos Nachricht wollte einfach nicht aus ihrem Kopf verschwinden, doch was sie mehr beschäftigte, war Hisokas mögliche Reaktion. Das Dilemma, in dem sie sich befand, wurde immer größer, denn Chrollo brachte sie unweigerlich in Zugzwang und drängte sie derart in die Ecke, dass ihr schwindelig wurde.
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Gelegenheit macht Liebe
Fiksi PenggemarFanfiction in Arbeit. Hisoka × Reader Du führst ein völlig normales Leben - fast schon ein langweiliges. Bis plötzlich Hisoka in dein Leben tritt und einiges durcheinander bringt. Es beginnt ganz harmlos, aber früher oder später könnt ihr nicht me...