Teil 26 - Geständnisse

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Sie lagen eine Weile eng umschlungen auf seinem Bett, Hisoka lag auf dem Rücken, YN hatte ihren Kopf zwischen seine Brust und seinem Oberarm platziert. Sein Herzschlag und sein gleichmäßiges Atmen hatten eine beruhigende Wirkung auf sie ausgeübt, sodass sie langsam wegdämmerte. Draußen war der entfernte Großstadtlärm der Nacht zu hören, ansonsten war es still.
In Gedanken versunken streichelte er über ihre Wange und starrte an die Decke.

"Wir hatten einen Deal, YN", riss er sie aus dem Halbschlaf, "ich muss dir noch von meiner Mission erzählen, das habe ich dir versprochen. Deal ist Deal." Er setzte sich auf und zog YN unsanft in die aufrechte Position. Noch ein wenig desorientiert rieb sie sich die Augen und als die realisiert hatte, was er gerade gesagt hatte, war ihr Verstand mit einem Mal wieder aufnahmefähig.

Hisoka saß neben ihr und wirkte ein bisschen beunruhigt, was untypisch für ihn war, denn sie kannte ihn nur, wie er vor Selbstbewusstsein strotzte und immer ein lässiges Grinsen aufgesetzt hatte. Dass er einen nachdenklichen Eindruck machte, ließ ihn verletzlich erscheinen.

"Wo fange ich nur an?" Er lachte und fuhr sich unsicher durch seine Haare. "Ich bin mehr oder weniger Mitglied in einer Bande namens Phantom Troupe. Offiziell handelt es sich um eine Diebesbande. Wir führen Aufträge aller Art aus: Beschaffung von Kunst- und Sammlerstücken oder..." Hisoka geriet ins Stottern, er wollte nicht zu sehr ins Detail gehen. "Jedoch gibt es gelegentlich auch Kollateralschäden, die sich nicht vermeiden lassen."

Die allgemein gehaltene Aussage war unmissverständlich. Hisoka suchte ihren Blick und wartete auf ihre Reaktion, er wusste, dass YN verstanden hatte, was er diplomatisch umschrieben hatte und er hatte erwartet, dass sie entsetzt und verständnislos reagieren würde oder dass sie wütend geworden wäre. Doch keine seiner Prognosen trat ein, stattdessen musterte sie ihn nur und übte sich in Geduld bis er fortfuhr.
"Die letzte Mission bestand darin, dass wir einen bestimmten Gegenstand von einem Mafiaboss stehlen sollten." Hisokas Stimme wurde ein wenig forsch, es irritierte ihn, dass sein Gegenüber ihm noch nichts entgegnet hatte. Er kniff seine Augen zusammen, suchte ihren Blick, wandte ihn jedoch sofort wieder ab, da er es nicht ertragen konnte, wie YN reagieren würde.
"Mehr musst du erst einmal nicht wissen", schob er patzig hinterher und schaute aus dem Fenster in die Dunkelheit.

Zu seiner Verwunderung nahm YN seine Hand, rückte näher an ihn heran und lehnte ihren Kopf an seine Schulter. "Danke, dass du es mir erzählt hast", murmelte sie. Sie merkte, wie die Unruhe aus Hisokas Haltung wich und er seufzte.

"Warum bist du nur so?" Er nahm ihr Gesicht in seine Hand und küsste sie auf die Stirn. "Bevor ich dich getroffen habe, wusste ich nicht, dass es so etwas gibt." Er zögerte, seine Worte auszuführen und dachte nach. Sein nächster Satz könnte alles zerstören, wenn er ihn falsch rüberbrachte.

"Bisher kannte ich nur die Begierde aber keine Liebe, mit dir habe ich zum ersten Mal", er schluckte, bevor er weitersprach, "ein Zuhause."
YNs Augen füllten sich mit Tränen und sie suchte seinen Blick, doch er hatte dabei die ganze Zeit in die Leere der Nacht gestarrt. Als ob es ihm unangenehm wäre, fokusierte er einen weit entfernten Punkt am Nachthimmel und schnaubte.

Dass er mir das jetzt erzählt hat, dass er so ehrlich zu mir ist... Das bedeutet mir mehr als alles Andere.

Was sie als nächstes sagen sollte, wusste sie nicht. Es gab kein Patentrezept, wie man sich verhalten sollte, wenn jemand die Tür zu seinem Herzen öffnete und dass ausgerechnet Hisoka, der unnahbare und kühle Draufgänger, YN sein Herz ausschüttete, machte ihr deutlich, dass sie miteinander verbunden waren. Er hatte sich ihr freiwillig ausgeliefert und verwundbar gemacht und das bedeutete, dass sie mit diesem Wissen - sollte es hart auf hart kommen - etwas gegen ihn in der Hand hatte. Sie empfand ehrliche Dankbarkeit dafür, dass er ihr vertraute und sich offenbart hatte.

"Ich brauche niemanden, der perfekt ist, Hisoka, ich brauche jemanden, der echt ist. Es ist mir egal, was du getan hast, solange du einen Grund dazu hattest." Sie nahm seine Hand und umschloss sie wie einen kostbaren Schatz. Dieser Mann hatte sich in zweierlei Hinsicht vor ihr entblößt und das war ihr der größte Liebesbeweis - mehr brauchte sie nicht.

"Ich liebe dich."

Diese Worte, nicht mehr und nicht weniger, das was YN fühlte, hatte Hisoka ausgesprochen. Es waren so gesehen nur drei Wörter, aber sie veränderten alles und obwohl Hisoka der Typ war, der seine Gefühle eher zeigte als sie auszusprechen, war er es gewesen, der sie zuerst gesagt hatte.
In YN drehte sich alles, noch nie zuvor hatte jemand so eine starke Anziehungskraft auf sie ausgeübt und sie konnte guten Gewissens behaupten, dass sie das gleiche Gefühl ihm gegenüber hegte. Und so umarmte sie ihn, vergrub ihr Gesicht an seiner Brust und küsste die nackte Haut. "Ich liebe dich auch."

Sie hätte schwören können, dass Hisoka nach ihrer Antwort erzitterte. "Erinnerst du dich noch an den Tag, als du mich zum ersten Mal in deine Wohnung eingeladen hast?", fragte Hisoka nach einigen Sekunden.

Natürlich, wie könnte ich den Tag vergessen?! Es war Wochen nachdem ich von den drei Kerlen beinahe überfallen worden wäre, ich habe mich zum Lesen auf meine Parkbank gesetzt und dann warst du einfach da. Später saßt du dann auf meinem Sofa und ich habe mir, wie immer, viel zu viele Gedanken gemacht. Zum Beispiel, dass du mir etwas antun könntest. Lächerlich!
Denn ich habe dich einfach so, ohne großartig nachzudenken, in mein Leben gelassen...
Die beste Entscheidung meines Lebens!

Ihr verträumter Blick entging Hisoka nicht und er fing an zu lachen. "Du hast mich mit Fragen gelöchert und du sahst so süß aus, wie du dich mir hochrot entgegengestellt hast. Genauso wie jetzt."
Ertappt schlug YN ihre Hände vors Gesicht, versuchte aber nicht ernsthaft, es zu verbergen. Sie grinste ihn frech an und wollte schon kontern, da ergriff Hisoka erneut das Wort.
"Ich wollte dir keine Angst machen, indem ich dir von mir erzähle. Schon zu dem Zeitpunkt habe ich gemerkt, dass da etwas ist. Etwas, das ich nicht achtlos ignorieren wollte." Erneut wich er ihrem Blick aus, doch YN hatte, seitdem Hisoka an ihrer Seite war, deutlich an Selbstvertrauen gewonnen. Sie legte ihre Hand an seine Wange, drehte sein Antlitz zu ihr und schaute ihm tief in die Augen.
"Hisoka, ich vertraue dir. Du musst dich nicht rechtfertigen, wer du bist." In ihrem Blick lagen Akzeptanz und Loyalität, und mehr konnte Hisoka von einem Menschen nicht verlangen. Daraufhin zog er sie zu sich auf den Schoß, legte seine Arme beschützend um sie und küsste sie hinters Ohr.

"Der Spruch 'Gelegenheit macht Diebe' - Ich habe dir nie gesagt, was ich gemeint habe." Sein Atem kitzelte die Stelle, auf die er traf und ihre Nackenhaare richteten sich auf. Sie schloss ihre Augen und genoss den Moment. Hisoka und sie, in der Dunkelheit der Nacht. "Aber ich denke, das muss ich nicht mehr", flüsterte er verführerisch.

Dass ich sein Herz gestohlen habe?! Dass er mein Herz gestohlen hat?! Damit ist es also offiziell.

In ihrer Brust hämmerte ihr Herz aufgeregt und zum ersten Mal in ihrem Leben konnte sie nachvollziehen, wenn Menschen das Bedürfnis hatten, soetwas in die Welt hinauszuschreien. Sie fühlte sich, als wäre sie am Ende einer langen Reise endlich angekommen, nur dass sie vorher nicht gewusst hatte, dass sie sich überhaupt auf einer Reise befand.

"Wir müssen noch die Nen-adaptiven Karten zusammen fertig stellen, die du mir geschenkt hast." Seine Augen leuchteten erwartungsvoll auf. "Ich weiß auch schon, wie meine Herzdame aussehen wird."

YN seufzte glückselig.

Wir...

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Author's note

Hallo zusammen,

erstmal: Ihr seid doch verrückt. Danke für euer zahlreiches Feedback! Egal, ob Views, Votes oder Kommentare - es erstaunt mich immer wieder, dass es mittlerweile so viele sind.
Zweitens: Ihr seid doch verrückt! :D

Liebe Grüße
Eure MissKitts

Gelegenheit macht LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt