Ophelia
Mein Blick huschte durch mein Zimmer, das durch die frühe Morgensonne erhellt wurde. Das große, dunkelbraune Holzregal, welches direkt quer neben dem Fenster stand, spendete mir einwenig Schatten. Zumindest so viel, das ich mich ohne weiteres aufsetzen konnte, ohne das die Sonne mich blendete. »Steh auf Ophelia.« mein großer Bruder riss meine Zimmertür auf und stand direkt in meinem Zimmer. »Du Arschgesicht! Was wäre, wenn ich nackt geschlafen hätte?« zischte ich, sprang aus meinem warmen, kuscheligen Bett und schubste Alec aus meinem Zimmer. Mit Schwung knallte ich die Tür zu und drehte den Schlüssel um. Mein Gott. Ich seufzte zufrieden aus und ging zu dem großen Schrank, der ein paar Meter von meiner Zimmertür entfernt seinen Platz gefunden hatte. Ich zog mir eine schwarze Jeans und einen grauen Pulli an, bevor ich zu meinem Bücherregal rüber ging und mir das Buch Fahrenheit 451 heraus nahm, um es in meine Schultasche zulegen. Heute würden wir endlich mein Lieblingsbuch lesen und darauf musste ich tatsächlich schon Jahre warten. »Ophelia bist du jetzt fertig?« schrie mein Bruder und klopfte voller Verzweiflung an die Tür. »Ja warte.« ich nahm mir die Jeansjacke von dem Schreibtischstuhl, der vor dem Schreibtisch, direkt hinter dem Regal stand. Ich zog sie mir über, schwang den Rucksack auf meinen Rücken und verließ mein Zimmer. »Wurde auch mal Zeit.« zischte der Junge vor mir. Er war so ungeduldig. »Ich muss auch noch Amara abholen.« genervt wandte er sich ab und trappte die Treppe herab. Amara war die Freundin meines Bruders. Letztes Jahr hatten sie sich gefunden, getroffen, verliebt und vermutlich waren sie schon bald verlobt. Sie waren perfekt für einander. Wenn es einen Mann für mich gab, der perfekt für mich war, dann würde ich diesen gerne schnell treffen. Aber sehr wahrscheinlich würde ich erst einmal an Arschlöcher geraten. Frustriert atmete ich aus und folgte ihm die Treppe runter, in die Küche, in der meine Mutter stand und Brote für meinen Vater schmierte. Mein Vater arbeitete im Krankenhaus und meine Mutter war die Zahnärztin ihrer eigenen Praxis, die montags immer geschlossen war. »Kleines.« mein Vater drängte sich von hinter an mir vorbei und gab mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange. »Wir sind jetzt weg.« Alec zeigte gereizt auf die Tür und hob seine Augenbrauen. »Ciao Mum.« ich lächelte ihr zu und trat aus der Küche, um direkt aus dem Haus zu gehen. »Du bist wirklich nervig.« ich setzte mich in das Cabrio meines Bruders und lehnte mich zurück. Der Wagen hielt nach ein paar Minuten vor einem riesigen Pferdehof, mit einem großen Haus. Die Freundin meines Bruders war ausgesprochen vermögend und besaßen viele, gute Rennpferde. »Amara.« mein Bruder lächelte die hübsche Blondine an, die auf das Auto zukam. Sie war bildhübsch. Abgesehen von ihrer Nase, die mich irgendwie störte, aber es war ja nicht meine Freundin. Obwohl Amara und ich in die gleiche Stufe gingen, hatten wir nichts miteinander zutun. Sie war halt die Oberschicht. Sie gehörte zu den beliebten, wobei ich eher zu den Strebern gehörte. Obwohl der Ausdruck Streber mich nervte und mir sichtlich nicht gefiel, war ich froh in der Unterschicht zu sein. Ich stieg aus und setzte mich nach hinten, wobei die blauäugige sich nach vorne, neben Alec setzte. »Na.« sie grinste und lehnte sich zu meinen äußert attraktiven Bruder vor, der seine Lippen lächelnd auf ihre legte. Bei ihr war er immer glücklich. Ich hatte eigentlich nichts gegen Amara, aber seit sie da war, hatte sich das Verhältnis zwischen Alec und mir verschlechtert. »Leute.« ich stöhnte genervt auf und zog meine Knie an meinen Körper. »Füße runter, Zwerg.« mein Bruder warf mir einen warnenden Blick zu. Ich ließ meine Füße sinken und starrte auf die Villen, die an uns vorbei zogen und immer kleiner wurden. Auf dem Parkplatz der Schule angekommen, parkte Alec und stieg ebenso wie Amara aus. Ich schlüpfte an ihnen vorbei und ging auf meine beste Freundin zu, die sich mit Samara unterhielt. »Ruby, Samara.« Ich grinste und stellte mich zu ihnen. Beide ignorierten mich und redeten aufgeregt über jemanden, der anscheinend in echter Scheiße gesteckt hatte. Ich lauschte einen Moment, doch entschied mich dann, mir die Information anders zu besorgen. »Hallo? Was ist los?« ich stöhnte genervt auf und rollte mit meinen Augen. »Travis.« Es war nur ein Name, der ein Zittern durch mich hindurch jagen ließ. Travis. Meinte sie etwa, der Travis? Meine Augen huschten zu dem Jungen, der am Rande des Schulhofes stand und die Menschen beobachtete. Wie ein Löwe seine Beute. Travis konnte man schon nicht mehr als Junge bezeichnen. Er sah eher aus wie ein Mann. »Genau der.« Ruby grinste freudig und wackelte mit ihren Augenbrauen. »Was ist mit ihm?« meine Augen glitten über seinen muskulösen Körper, hoch zu seinen dunklen Haaren, die verwuschelt über seiner Stirn lagen. Er trug dunkle Kleidung und eine Lederjacke, die seine Muskeln perfekt hervor hoben. Er könnte jedes Mädchen auf diesem Schulhof haben. Keine würde sich auch nur einen Moment von ihm abwenden. Ihm gehörte sowieso die Aufmerksamkeit, der gesamten weiblichen Schülerinnen. »Er war wohl das Wochenende in Haft.« flüsterte meine beste Freundin und warf ihm ebenfalls einen Blick zu. Ich nickte vorsichtig und kramte mein Buch aus der Tasche. »Ich werde das Buch zu Alena bringen.« ich zeigte ihnen als Verdeutlichung mein Buch und schaute zu Samara, die ebenfalls im Buchclub war. »Ich bringe es später mit.« sie grinste breit und musterte den muskulösen Jungen am Rande noch einmal. Verstehend nickte ich und ging an den beiden vorbei, zu der Eingangstür. »Hey, Phelia.« Die helle Stimme der Buchclub Präsidentin, drang zu mir durch. »Allison.« ich lächelte und bog um die nächste Ecke, da das Straßenköterblonde Mädchen mir folgte. »Ich begleite dich. Du bringst das Buch doch in den Raum, oder?« sie deutete auf mein Buch und bekam von mir bloß ein Nicken als Antwort. »Alena wartet sicher schon.« ich biss mir auf meine Unterlippe und bog um die letzte Ecke. Tatsächlich stand das Mädchen mit den grau gefärbten Haaren und den vielen, auffälligen Piercings im Gesicht schon vor der Tür. Sie musterte mich kritisch als ich an der Tür ankam und wandte ihren Blick dann zu Allison, die sich nicht einschüchtern ließ. »Wir müssen da rein und ich sollte mal mit Mr. Wilson reden, dass ich endlich einen eigenen Schlüssel bekomme!« ein Zischen entkam dem Mädchen neben mir, was mir ein schmunzeln entlockte. Vielleicht nahm sie die Sache manchmal einwenig zu ernst, aber der Buchclub war das einzige Gute an dieser Schule. Das einzige was ich wirklich liebte. »Ist klar.« Alena rollte mit ihren Augen und kramte einen Schlüssel aus ihrer Tasche, mit dem sie die Tür aufschoss »Ich rede selber mit Mr. Wilson. Ihr Bücherwürmer nervt mich langsam.« sie ging Kaugummi schmatzend an uns vorbei. Grinsend riss ich die Tür des Raumes auf und nahm augenblicklich den Duft der alten Bücher in mich auf. wie ich diesen Raum liebte. Kein Ort an dieser Schule war ruhiger als dieser und kein Ort war so beruhigend. Ich strich mit einer zarten Handbewegung über das Papier des Buches und legte es dann in das Fach auf dem Ophelia stand. Erschrocken zuckte ich zusammen als die Klingel schrill durch das Gebäude schallte. Unterricht. Ich seufzte, schenkte Allison noch ein Lächeln und trat dann aus dem Raum in den, schon beinahe, leeren Flur.
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Travis
Jugendliteratur»Ich muss dadurch.« flüsterte ich und spürte die Nervosität, die mich von Kopf bis Fuß einnahm. Wieso kam er mir so nahe und wieso hatte das so eine Auswirkung auf mich? Seine Nähe fühlte sich verdammt gut an. Ein breites Grinsen legte sich auf sein...