25. Eine perfekte Frau

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Am nächsten Morgen saß ich zusammen mit meiner Familie am Frühstückstisch. Die Schule fiel heute glücklicherweise aus, weshalb wir nicht um sieben Uhr am Tisch saßen, sondern um kurz vor 11. Meine angepisste Mutter saß neben Alec, der mir wissende Blicke zuwarf und mein Vater hatte sich extra für heute Frei genommen. Er musste Travis ja vor dem Tod retten. Schließlich war er der einzige, der sie irgendwie im Griff hatte. »Also soll ich einen Auflauf machen oder möchte jemand was anderes?« Die arrogante Stimme meiner Mutter hallte durch die Küche. Seit mein Vater sie um das Essen gebeten hatte, war sie die pure Arroganz in Person. Sie wollte Travis nunmal nicht im Haus haben und deshalb wehrte sie sich mit allen Mitteln dagegen. Wenn sie wüsste, dass er schon öfters hier war, dann wäre nicht nur Travis, sondern auch ich Tod. »Auflauf ist okay.« murmelte ich und biss in das Bötchen. »Seine Eltern werden aber nicht kom-« mein Vater unterbrach meine Mutter Prompt. »Schatz.« er seufzte leise und beschmierte sein Brötchen weiter. Manchmal fragte ich mich wie die beiden überhaupt zusammen kommen konnten. Er war so ruhig und kontrolliert und meine Mutter war impulsiv, leicht arrogant und schrie gerne herum. »Es ist nur ein Essen. Wir sollten Travis nicht voreilig verurteilen.« murrte er währenddessen. »Es tut mir leid, aber ich will keinen Kriminellen im Haus haben.« sie klappte das Kochbuch zu und knallte es auf den Tisch. »Mum!« zischte ich sauer. »Nein, Ophelia. Du hast heute nichts zusagen.« ein wütendes Glitzern nahm ihre grünen Augen ein. Verdammt, sie war sehr wütend. Das letzte Mal hatte ich sie so wütend gesehen als Alec heimlich auf eine Party gegangen war, obwohl er Hausarrest hatte. »Mum, er ist nur ein Junge.« Alec wendete seinen Kopf zu unserer Mutter. Diese seufzte theatralisch aus und sprang vom Hocker. »Ich werde ein paar Dinge bearbeiten, danach fange ich an zu kochen.« brummte sie und verschwand in ihrem Arbeitszimmer. »Gibt ihr Zeit. Ihr wisst, dass sie so schlagartige Veränderungen nicht mag.« er schenkte mir ein sanftes Lächeln und sah zu Alec, der verstehend nickte. »Travis ist ganz okay. Mal abgesehen von den kriminellen Dingen, aber ich weiß nicht mal, ob er noch Dinger am drehen ist.« Alec zuckte mit seinen Schultern. »Amara hat gefragt, ob sie auch zum Essen kommen darf.« er schenkte mir ein verlegendes Lächeln. OH, jetzt auf einmal war ihm seine Freundin unangenehm. Jetzt wo es wieder geschwisterlich zwischen uns zuging. »okay.« ich zuckte mit meinen Schultern und schob den Leeren Teller nach vorne. Amara war zwar seltsam, aber sie war ganz nett und außerdem war sie die Freundin meines Bruders. Er war mit Travis einverstanden und ich mit Amara. »Ich bin oben.« murmelte ich, sprang vom Hocker und nahm den Teller zur Hand, um ihn in die Spüle zu legen. Ich trappte die Treppen rauf, direkt in das Schlafzimmer meiner Eltern, um mir eines von Mums Kleidern zu schnappen. Da es heute nur ein Familienessen war, nahm ich mir ein schwarzes Seidenkleid aus, welches nur bis zur Mitte meines Oberschenkels ging. Vermutlich kaufte meine Mutter Kleider für mich mit, die sie aber extra bei sich auf hing. Eine schöne Geste. Ich lächelte leicht und ging dann zurück in mein Zimmer. Ich schmiss das Kleid auf mein Bett und ließ mich auf meinen Schreibtisch Stuhl nieder. Meine Mutter wusste, dass ich nicht gerne betonte Kleider trug. Zumindest bevor Travis kam, denn jetzt fühlte ich mich tatsächlich gut in den Kleidern. »Phel?« mein Bruder klopfte an die Tür und trat Sekunden später ein. »Wartet man nicht eigentlich, bis man ein Ja hört?« fragte ich ihn mit einem frechen Grinsen. »Normalerweise, ja.« meinte er und setzte sich auf das Bett. »Was ist los?« ich zog meine Augenbrauen zusammen und betrachtete meinen großen Bruder einige Sekunden. »Amara denkt, dass du was gegen sie hast.« er lehnte sich an die Metal Stange und sah mich grübelnd an. »Denkt sie das.« Ich lächelte verstehend. Natürlich dachte sie das. Vermutlich hatte sie bemerkt, dass ich das dachte. Ich hatte eigentlich nichts gegen Amara, aber das hieß auch nicht, dass ich sie mochte. Sie war nunmal kein Mädchen, mit dem ich in meiner Freizeit etwas unternehmen würde. Sie gehörte zu der Oberschicht. Zu den beliebten. Zu den Mädchen, die sich zum shoppen verabredeten und dabei über andere lästerten. Ich gehörte zu den Mädchen, die sich sich in Büchern verkroch und lieber für Charaktere schwärmte als für richtige Jungs. Mal abgesehen von Travis, denn momentan schwärmte ich wirklich viel von ihm. »Ich habe nichts gegen sie.« versicherte ich ihm nach ein paar Minuten des Schweigens. »Und ich habe nichts gegen Travis.« er erhob sich und seufzte leise. »Sie mag dich wirklich, Ophelia.« mit den Worten verschwand er aus meinem Zimmer und ließ mich alleine zurück. Sie hatte ja auch gar keinen Grund mich nicht zu mögen. Ich hatte ihr nie etwas getan. Ich hätte auch eine nervige kleine Schwester sein können, die immer bei ihnen reinplatzt und ihnen keine Privatsphäre gab. Oder ich hätte versuchen können mich mit ihre anzufreunden, damit ich zu den beliebten gehörte, doch das tat ich alles nicht. Weil ich es selbst nicht für nötig hielt. Sie war in ihrer Schicht und ich in meiner. Ich erhob mich von dem Schreibtisch Stuhl und ging auf die Tür zu, die ich flink abschloss. Mein Blick flog auf das Kleid, auf das ich zuging und mir nebenbei meine Jogginghose von meinem Körper streifte. Ich spürte die Aufregung in meinem Bauch, die sich langsam ausbreitete. Was war, wenn alles schief ging? Alec brauchte sich darüber ja keine Gedanken machen und Amara erstrecht nicht. Meine Mutter liebte Amara. Vom ganzen Herzen. Sie passte aber auch perfekt ins Bild. Halbwegs gute Noten, angenehmer Style, liebevolle Art und Vorbildliche, dokumentierte Taten. Sie ging nämlich auf Spendengalas und Grundschul' Vorlesungen. Sie half bei den Obdachlosen aus und verpflichtete sich in den Kindergärten. Eine super Frau. Travis hingegen war kriminell, hatte keine perfekten Eltern und hatte nicht gerade Geld. Was für mich kein Problem war, aber meine Mutter schien das ganz und garnicht zu akzeptieren.

TravisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt