*82* / die Brücke

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Flo ist schon seit 5 Stunden wieder auf der Arbeit und ich habe eben unseren Vorratsraum im Keller eingeräumt und aufgefüllt. Praktisch für Tage, an denen wir nicht einkaufen gehen wollen. Zufrieden mit meiner Arbeit gehe ich in den Flur und schließe die Tür hinter mir. Dann geht es allerdings auch sofort weiter mit der Wäsche, weil die Waschmaschine direkt nebenan piept.
Nachdem ich auch die Handtücher in den Trockner geworfen und eine neue Maschine mit Klamotten angeworfen habe verlasse ich auch diesen Raum und gehe wieder hoch. Ich finde ja, dass es Zeit für Kaffee Nummer 2 ist. Zudem wollte ich Kaffee vorkochen und dann abkühlen lassen für Eiskaffe. Summend zum aktuellen Lied im Radio gehe ich in die Küche und werfe die Kaffeemaschine an. Dann stelle ich ein großes Glas drunter und drücke den Knopf für einen mittleren Kaffee. Dann entscheide ich mich aber um und sehe auf die Uhr. Werde jetzt erstmal mit dem Fahrrad in die Stadt fahren und dann ne Runde am Rhein spazieren gehen. Ja gut und ich werde danach in der City shoppen gehen. Aber hauptsächlich erstmal spazieren.
Als der Kaffee fertig ist ziehe ich mir Schuhe an und schnappe mir einen Turnbeutel von der Garderobe. Ist momentan eher ein Taschenhalter. Wir wissen noch nicht wohin damit, so dass es weder stört, noch zu umständlich ist eine Tasche wiederzufinden. Schnell werfe ich mein Portmonee sowie Taschentücher und eine Flasche Wasser hinein und schultere den Turnbeutel dann. Ich verlasse das Haus und gehe rüber in die Garage um mir mein Fahrrad rauszuholen. Hier herrscht noch ein absolutes Chaos.
Nach dem das Tor hinter mir zu ist fahre ich los und höre über meine Bluetooth Kopfhörer Musik bis ein Anruf es unterbricht.

E: Hallo??
A: *weinend* Hey Em. Ich bins Alessia.... Ich wollte mich nur verabschieden... Du bist ein guter Mensch und bleib bitte weiterhin so ja?
E: Ale??? Egal was du vorhast tu es nicht.. Wo bist du?
A: DIE Brücke.
E: Alles klar.. Bitte gib nicht auf. Bin in weniger als 10 Minuten bei dir.
A: Ich weiss nicht ob ich das schaffe...
E: Du hast schon so viel mehr geschafft Girl.
A: Ich weiss... Aber es ist zu viel.
E: Ich beeile mich auch und dann finden wir eine Lösung!

Ich trete kräftig in die Pedalen und versuche meinen persönlichen Rekord zu brechen. Gosh ist mir warm eh. Aber ich kann Alessia nicht aufgeben. Sie ist grade einmal 22. Also mein Alter. Viel zu jung um zu sterben. An der letzten Kreuzung bevor ich fast an der Brücke bin nietet mich fast eine Polizeistreife um. Ich weiche auf den Grünstreifen am Rand aus und steige unelegant vom Rad. Andere würden sagen, ich flog vom Rad. Schnell stehe ich wieder auf und ziehe mein altes Rad hoch. Dann lehne ich Dieses an den nächsten Baum und renne los. <Emilia warte doch mal!> schreit Julian mir hinterher doch ich muss versuchen ein Leben zu retten.
Ich renne zum Aufgang der Brücke und muss kurz meine eigene Angst besiegen. Nach dem letzten Vorfall war ich nicht mehr hier oben gewesen. Zu groß die Angst. Doch jetzt atme ich einmal tief durch und laufe dann weiter. Schnell sehe ich Alessia in der Mitte der Brücke auf der Brüstung sitzen. Ich renne nochmal los und rufe ihren Namen. Sie schaut mich an und zögert einen Moment. Ich bin grade da, als sie ihr Gewicht nach vorne verlagert. Schnell mache ich einen Satz nach vorne und kann so eben noch ihre Hand erreichen. <Ich lasse dich nicht los!> sage ich bestimmt und versuche sie alleine hochzuziehen. Unmöglich. Julian wo bleibst du wenn man dich einmal braucht? Oder haben sie mich umsonst fast zu Hackfleisch verarbeitet?
In der Ferne höre ich einen Güterzug anfahren. Oh ne nicht das jetzt auch noch. Ganz ruhig Ahrends. Du schaffst das.
Endlich höre ich Julians Stimme in gar nicht allzu großer Entfernung. Sie kommt immer näher und langsam erkenne ich, dass er funkt. Doch Gino ist eher da und greift ebenfalls nach dem Arm von Alessia. Grade noch rechtzeitig übernimmt Julian meinen Part, denn der Zug fährt genau jetzt an uns vorbei. Da Alessia sicher an den beiden Polizisten hängt kann ich mich darauf konzentrieren zu atmen und nicht auszurasten. Allerdings sehr schwierig. Zitternd setze ich mich 2 Meter weiter weg hin und halte mir meinen Kopf fest. Die Jungs ziehen Alessia grade hoch und ich senke meinen Blick. <So geschafft.. Ich sehe mal eben nach Em.> höre ich Julian zu seinem Kollegen sagen und der meint <Mach das.. Ich komme klar.> Alessia weint und Ju kommt zu mir. <Ich müsste dich jetzt eigentlich verwarnen und sowas aber aufgrund der Tatsache, dass du ein Leben gerettet hast spare ich es mir. Du weisst aber, dass das so nicht geht... Nun zu den anderen wichtigen Sachen.. Wie gehts dir?> fragt er und hockt sich daneben. Mein ganzer Körper zittert und er legt sanft seinen Arm über meine Schultern. <Bis auf die Tatsachen, dass der verrückte Ex Lebensabschnittsgefährte von der Tante meines Freundes mich vorgestern umbringen wollte, meine Lunge noch hardcore im Allerwertesten ist, eine Freundin sich eben das Leben nehmen wollte und ich diese Brücke hasse ganz oke.> antworte ich sarkastisch und ich höre weitere Stimmen. Ilka und Jule kommen ebenfalls dazu und Gino übergibt Alessia in die Obhut der beiden Polizistinnen. <Ein NEF und n RTW sind auch gleich da.> meint Ilka nebenbei und ich versuche aufzustehen. Da meine Beine immernoch zittern aber sehr schwer. Julian greift mir unter die Arme und schaut mich skeptisch an. <Darf ich Em kurz umarmen?> fragt Alessia die Polizisten und Ilka kommt mir ihr näher. Man vertraut ihr nicht so ganz, da sie sich eben von der Brücke stürzen wollte und es jederzeit wieder tun könnte. Wir umarmen uns und sie weint in meine Haare. <Danke.> flüstert sie dann dort hinein und ich erwider nur <Immer wieder.>
Was beschreibt natürlich mein Glück auf der Südbrücke? Richtig. Es fahren gefühlt durchgehend Züge drüber. Der Nächste ist in der Anfahrt und während sich Ilka und Jule mit Alessia auf den Weg von der Brücke runter machen starre ich mit weit aufgerissenen Augen auf den Zug. Währenddessen berechne meine Fluchtchance. Sie ist gleich 0. Sanft nimmt Julian mich an den Schultern und führt mich zur Brüstung. Er legt meine Hände auf das Gerüst und dann werde ich quasi von den beiden Polizisten eingerahmt. <Wir schauen uns einfach das Schiff da vorne an und interessieren uns nicht dafür was hinter uns geschieht.> meint Gino sanft und ich schaue mir wirklich das Schiff an. Es ist ein Containerschiff und ich versuche Mitarbeiter darauf zu finden. Wirklich erkennen kann ich nicht viel aber es hilft mir, den Zug zu ignorieren. Wenn auch mit Tränen in den Augen. Natürlich nehme ich das Wackeln trotzdem wahr aber nicht so beängstigend wie sonst.
Als der Zug endlich weg ist löse ich meine Hände vom Gerüst und grinse etwas stolz. <Sehr gut gemacht.. Und nun gehen wir mal runter hier.> meint Julian und legt seine Hand wieder an meinen Rücken. Es ist wirklich beruhigend Freunde wie ihn zu haben. Wir gehen gemeinsam zur Treppe und es ist echt anstrengend mit Beinen aus Pudding Treppen zu laufen. Dennoch ist es machbar und unten nimmt Franco mich einmal in Empfang.
Nachdem alle sicher sich, dass es mir gut geht darf ich auf eigene Verantwortung gehen. Gino bietet an, dass wir mein Fahrrad holen und sie mich dann heim fahren. Dieses Angebot nehme ich nur allzu gerne an.

Quelle von einem meiner persönlichen Alpträume: https://www.rhein-magazin-duesseldorf.de/wp-content/uploads/2013-08-10_07-15-53_Ballonfahrt_%C3%BCber_K%C3%B6ln_EH_0613-1078x516.jpg

Ex hoc momento pendet aeternitas - omnia vincit amorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt