*100* / Dancing in the sky

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Es regnet schon wieder wie in Strömen und Schritt für Schritt wage ich mich rein. Sanft prasselt er auf meinen Kopf und meine Schultern bevor die Tropfen sich in meine nasse Kleidung saugen. Es ist verdammt kalt, aber so spüre ich dass ich selber noch lebe. Es mag komisch klingen aber es ist so.
Nach einer Weile gehe ich dann aber wieder rein und das grade rechtzeitig, denn Flo kam grade von einem Fehlalarm zurück. <War ein Fehlalarm und immerhin habe ich jetzt Feierabend um für dich da zu sein... Na komm Babe.. Wir gehen wieder hoch, ziehen uns um, schnappen uns dann Levi, setzen ihn bei Marie ab und fahren danach rüber in die Uniklinik.> meint er sofort und legt seine Jacke um meine Schultern. Es hilft nicht sehr viel weil jedes Kleidungsstück an meinem Körper klatschnass ist aber ich ziehe sie trotzdem enger um mich rum. Zustimmend nicke ich und hauche ein leises <Danke!>
Fertig umgezogen und in dicke Sachen von Julia eingepackt stopfe ich meine nasse Kleidung in eine Tüte und schließe danach meinen Spind wieder ab. Seufzend schaue ich in den Spiegel an der Wand und stelle fest, dass selbst Concealer grade nicht mehr helfen würde. Ich sehe einfach nur fertig aus. Egal Schultern zurück, Oberkörper aufrecht und weiter gehts. Ich helfe Keinem wenn ich jetzt zusammenbreche. Am Wenigsten Jonas.
Nachdenklich verlasse ich die Umkleide und gehe zum Aufenthaltsraum. Der Nachtdienst ist anwesend und Flo stellt unseren Sohn grade vor. Levi ist mal wieder wach und grinst in die Runde. Zu knuffig. Ihm merkt man echt gar nicht an, dass er vor wenigen Stunden einen Autounfall hatte. Julia bemerkt meine Anwesenheit und kommt direkt zu mir. Ohne ein Wort zu sagen zieht sie mich in ihre Arme und flüster mir dann etwas ins Ohr <Vergiss niemals dass du nicht alleine bist. Ich bin da, die anderen Ärzties sind da. Die Sanis sind da und auch die Feuries und die Polizisties sind da.. Wir sind für dich da. Jederzeit. Tag und Nacht. Wenn du etwas brauchst ruf mich an. Egal zu welcher Uhrzeit. Ich rufe sonst asap zurück..> verspricht sie und mir brennen schon wieder die Tränen in den Augen. Ich kann nicht schon wieder heulen. <Danke Juli.. Für alles.> erwidere ich und höre dann im Hintergrund, dass Flo sich verabschiedet.
Ne ganze Zeit später (ich habe jegliches Zeigefühl verloren) parkt Florian im Parkhaus neben der Uniklinik. Ich habe während er Levin bei Marie abgegeben hat schon mit der Leon gesprochen und mich angekündigt. Mareike scheint auch da zu sein. Noch lebt mein Bruder aber keine Ahnung wie lange noch. Ungeduldig warte ich bis der Wagen steht und steige dann hastig aus. Flo darf eh nicht mit auf die ICU und wird gleich in der Cafeteria sich noch einen Kaffee holen während er wartet.
So schnell ich kann sprinte ich die Treppen hoch und laufe zur ICU. Da ich Leon von unten aus dem Auto geschrieben hatte wartet vor der Tür zur Intensiv ein Arzt auf mich. Und ich kenne ihn sogar sehr gut, denn wir sind auch schon einige Dienste zusammen gefahren. Und das auch schon während meiner Ausbildung. <Hey Emilia.. Ich weiss, du warst heute mit bei dem Unfall beteiligt und hast deinen Bruder schon gesehen. Zudem arbeitest du in der Notfallrettung und hast eh schon viele Menschen gesehen die auf der Klippe stehen.. Aber vergiss nicht dass es bei Verwandten immer nochmal schwieriger ist als bei Fremden.> sagt Andreas und schaut mich intensiv an. <Ja ich weiss.. Aber mein Gefühl sagt mir, dass er den morgigen Mittag nicht mehr erleben wird und ich würde mir auf Ewigkeiten Vorwürfe machen wenn ich jetzt nicht hier wäre.> erwidere ich tapfer und spiele dabei unentwegt nervös mit meinen Fingern rum.
Wenn auch nicht wirklich begeistert öffnet er die Tür und wir betreten nach einer gründlichen Desinfektion die Intensivstation. <Dein Bruder hat eine schwere Hirnblutung, das aber nachweislich vor dem Unfall. Wir gehen momentan davon aus, dass das der Auslöser für den Unfall war.. Für eine Narkose ist sein Kreislauf zu schwach aber wenn der Hirndruck nicht operativ behandelt wird wird er sterben. Ich möchte Nichts schön reden. Grade bei dir nicht, denn dann wird es mir auf Ewigkeiten vorgehalten.. Vermutlich hat dein Gefühl Recht und er wird bald sterben. Wir sorgen von unserer Seite dafür, dass er keine Schmerzen hat.. Hier ist er.. Sag Bescheid wenn du was brauchst!> meint Andi und öffnet die Tür zu meinem Bruder. Leon und Mareike sitzen rechts vom Bett wobei Leon eigentlich Reike nur Halt gibt. Unsicher betrete ich den Raum und schaue aus Reflex auf den Monitor. Etwas niedrig die Werte aber sonst sehen seine Werte doch ganz gut aus.
<Hey!> sage ich leise zu Leon und Mareike bevor ich mich links neben das Bett setze. Dann widme ich mich Jonas zu und nehme seine Hand. <Hey Joni.. Ich hoffe, dass du mich noch hören kannst wie ich euch immer hören konnte.. Zuerst möchte ich dir sagen, dass es Levi gut geht. Mich kriegt man eh nicht wirklich kaputt.. Du brauchst dir keine Sorgen um deinen Neffen zu machen.. Sie sagen alle, dass du unglaublich stark bist und dem Tod trotzt. Ich bin so stolz auf dich.> erzähle ich ihm, was seinen Puls etwas senkt. Habe ich ihm grade den Frieden gegeben, dass bei dem Unfall keiner wirklich ernsthaft verletzt wurde? Den Frieden den er braucht um zu gehen? Joni ich brauche dich. Wir alle brauchen dich.
Wir dürfen über Nacht bleiben denn mein Gefühl wird nicht besser. Flo habe ich heim geschickt, denn er muss morgen wieder auf den RTW und kann uns hier auch nicht helfen. Levin bleibt bis auf Weiteres bei Papa und Marie, denn Marie hat Urlaub.
Gegen 3 Uhr in der Nacht wird er unruhig. <Ich glaube es wird jetzt Zeit!> sage ich zu meiner anwesenden Familie und Mareike weckt Leon. Ich nehme wieder Jonas linke Hand und halte sie fest in Meinen. Er scheint zu kämpfen. Mit Tränen in den Augen beuge ich mich vor und flüster meine letzten Worte für immer in sein Ohr. <Es ist okey Jonas. Wenn du bereit bist zu gehen dann geh. Wir alle hätten dich gerne noch lange bei uns gehabt aber es soll wohl nicht so sein. Ich wünsche mir zwar dass du kämpfst aber dein Endgegner ist vermutlich leider stärker. Du sollst dich nicht quälen. Wir sind bei dir uns lassen dich niemals alleine. Für immer unvergessen. Grüß Tommi und Sinchen von mir wenn du sie siehst. I love you. Fligh high and rest in paradise bro!> Bei den letzten Worten geht der Monitor in den Alarmmodus über. Sein Herz hat für immer aufgehört zu schlagen. Während meine Tränen beginnen zu laufen stehe ich auf und schalte ihn aus. Auf eine Reanimation wird hierbei aufgrund seiner Patientenverfügung und der schlechten Prognose eh verzichtet.
Als ich mich vom Monitor wegdrehe und zur Tür sehe steht Andi da und nickt mir zu. Ich nicke zurück und lasse mich dann wieder auf den Stuhl fallen. Wie sehr ich ihn jetzt schon vermisse. Und es bricht mir das Herz Mareike so zu sehen. Jonas war der erste und der einziger Mann an ihrer Seite. Sie legt weinend auf seinem leblosen Körper und Leon ist mit der Gesamtsituation einfach überfordert.
<Danke für Alles großer Bruder!> sage ich noch zu Jonas und lasse seine Hand los. Sie war die ganze Zeit kühl aber wirkt jetzt noch kälter. <Ich muss hier weg.. Sorry.> entschuldige ich mich bei den Beiden und verlasse fluchtartig die ICU. Nicht zum ersten Mal in meinem Leben. Dieses Mal laufe ich aber in keinen Arzt rein denn der Weg ist frei.
Natürlich regnet es draußen und sobald ich die Tür des Haupteingangs verlassen habe renne ich los. Ich renne gegen den Schmerz an beziehungsweise versuche ich vor ihm weg zu laufen. Doch er holt mich immer wieder ein. Da ich auch so unglaublich untalentiert bin laufe ich tränenblind genau gegen ein stehendes Polizeiauto anstatt dran vorbei. Mit einem ordentlichen Rumms pralle ich zurück und bin mehr als erschrocken. Dann gebe ich den Kampf gegen mich selber auf und breche weinend zusammen. Julian und Gino saßen in dem Auto und steigen ebenfalls erschrocken aus. <Emilia? Was machst du denn so spät hier?.... Ohje was ist denn los?> fragt Gino während ich schluchzend auf dem matschigen Boden im Regen sitze. Vor Kälte und zu vielen Emotionen zittere ich zu sehr um zu sprechen.
Unter einem hohen Kraftaufwand sind wir aus dem Regen ins Auto umgezogen und Julian hat Flo angerufen. Das Krankenhaus hatte ihn wie ich eben mitbekommen hatte wohl bereits über meine kleine Flucht informiert da Andi sich Sorgen gemacht hatte. <Flo ist auf dem Weg Emmi.> meint Julian dann und schließt die Tür damit die Heizung was bringt. Da er als bester Freund meines Bruder auch irgendwie ein guter Freund von mir ist frage ich ihn leise <Darf ich mich an deiner Schulter anlehnen?> Er nickt und rutscht selber näher. <Möchtest du drüber sprechen?> fragt er als mein Kopf auf seiner Schulter liegt und mir schießen die Tränen wieder in die Augen. <Er war heute Morgen doch noch da und nun ist er für immer fort. Wir hatten doch noch so viel vor!> sage ich nur und schüttel ungläubig den Kopf. Es ist immernoch nicht greifbar, dass er nie wieder kommen wird. Und das auch für mich, die jeden Dienst mit über Leben und Tod entscheidet.

Kapitel 100!!
Dazu auch ein längeres Kapitel mit längerem Nachwort. Glaubt mir so habe ich mir als ich anfing Kapitel 100 nicht vorgestellt doch man weiss nie wo einen die Wege hinführen.
Viele haben richtig bemerkt, dass ich erst Leon hatte. Doch er steckt zu sehr überall mit drin und ich bringe es nicht übers Herz ihn sterben zu lassen. Habe die vorigen Kapitel dementsprechend auch schon angepasst. Zudem habe ich noch vorgeschriebene Kapitel mit Leon welche nur auf ihn passen.
Es war iwi schwer das Kapitel zu schreiben denn es war irgendwie unglaublich emotional. Das Thema Tod ist und bleibt ein schwieriges Thema welches uns aber immer wieder trifft. Wir können ihm nicht ausweichen
Passt auf euch auf und lebt jeden Tag als wäre er euer Letzter. Seid dankbar für eure Gründe zu leben (einer von Meinen seid IHR. all die Menschis die sich die Zeit nehmen und meine Texte lesen. Die liken und gelegentlich kommentieren oder privat schreiben. Die mich dazu ermutigen weiter zu machen!)

Zudem widme ich das Kapitel einem Mädchen, welches viel zu früh von dieser Welt ging. Gurl ich werde dich immer lieben wie man Freunde halt lieben kann. Du fehlst mir immernoch auch wenn du deinen Weg gingst nachdem du mich weggestoßen hattest. Mittlerweile fange ich an zu verstehen. Ich werde dich auf ewig vermissen.

Ich liebe dich
In Liebe
Ich

Ex hoc momento pendet aeternitas - omnia vincit amorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt