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"Du bist doch nicht alleine, Wooyoung. Wir sind doch alle für dich da. Ganz besonders jetzt, werden wir alle zusammenhalten. Es tut mir so leid wegen deiner Familie..."
Wir hielten uns aneinander fest und ich weinte mit ihm, strich ihm immer wieder über den Rücken.

"Bitte versprich mir, dass du nicht auch noch stirbst." seine Stimme klang so kraftlos.
"Ok, wir machen einen Deal, wenn du nicht stirbst, sterbe ich auch nicht." versprach ich ihm, ohne zu wissen, ob ich das überhaupt einhalten konnte.
Aber in diesem Moment war das egal, ich wollte ihn nicht noch trauriger und verzweifelter sehen.

Irgendwann schlief er in meinen Armen ein und ich bettete ihn vorsichtig mit dem Kopf auf ein Kissen und deckte ihn zu. Dann ging ich in die Küche, wollte zur Ablenkung etwas kochen. Von den ganzen Tränen hatte ich Kopfschmerzen bekommen und nahm mir erstmal ein Glas Wasser.

Ich hörte Geräusche hinter mir und sah Mingi, der auf dem Boden saß und seine Knie mit den Armen umschlang.
"Warum sitzt du denn hier alleine auf dem Boden rum?" fragte ich ihn und setzte mich neben ihn, lehnte mit dem Rücken an der Küchentheke.

Er sah mich verzweifelt an und legte dann seinen Kopf auf seinen Beinen ab, bevor er stockend zu erzählen begann.
"Ich habe gerade erfahren, dass meine Familie die Impfung erhält."
"Aber das ist doch gut, kein Grund, alleine depressiv in der Küche zu sitzen." freute ich mich für ihn, doch er schüttelte traurig den Kopf.

"Ja schon, aber ich kann den anderen nicht mehr in die Augen schauen, ihre Familien sind tot, oder sie erreichen sie nicht und wissen nicht was mit ihnen ist, während ich das Glück hab, dass meine Familie nicht sterben wird. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich fühle mich so schlecht, warum habe ich das verdient und sie nicht?" er begann leise zu weinen.

"Oh Süßer, das ist weder deine Schuld, noch hast du das so ausgesucht, sie werden dir das doch nicht übel nehmen. Ich bin mir sicher, sie freuen sich für dich. Es ist doch schlimmer, wenn man trauert, dann noch mehr schlechte Nachrichten zu hören. Ich denke die anderen würden mir zu stimmen. Du musst dich dafür nicht schuldig fühlen."

Ich legte einen Arm um seine Schultern und er ließ sich von mir drücken.
Diese ganze Situation war so surreal, brachte uns alle an die Grenzen unserer Belastbarkeit. Mein Verstand schottete sich ab, versuchte die Außenwelt und den Wahnsinn, der sich nun in der Welt abspielte, auszublenden.

Da ich keine Familie mehr hatte, konzentrierte ich mich nur auf die Jungs und Juhee, sonst zählte für mich nichts mehr. Die Welt da draußen war für mich nicht so wichtig, wie die Personen hier drinnen und ich versuchte für jeden da zu sein, so gut es ging meine Freunde waren alles was ich hatte und ich würde sie mit allem beschützen, was ich hatte. Auch mit meinem eigenen Leben, wenn es nötig wäre.

Dornröschen-SyndromWo Geschichten leben. Entdecke jetzt