Meine Mutter war sichtlich angespannt. Ihre Finger umfassten fest das Lenkrad und ihre Knöchel traten weiß hervor. Irgendetwas muss passiert sein, denn sie war schon in den letzten Tagen ziemlich nervös. Sie verheimlichte mir und meinem Bruder, den das nicht sehr interessierte, etwas. Er freute sich nur, dass er seinen Vater wiedersehen darf. Ich kam einfach nicht darauf, warum sie so aufgeregt war.
Mein Vater wollte nicht in das Restaurant, das meine Mutter vorgeschlagen hatte. Also fuhren wir zu einem Chinesen in seiner Nähe. Hatte es damit etwas zu tun?
Eigentlich mag ich chinesisch nicht sehr gerne, aber für meine Eltern konnte ich da ruhig mal hin. Außerdem gibt es dort bestimmt auch irgendetwas normales.
,,Wir sind da.", sagte meine Mutter tonlos. Ich glaube, sie liebt meinen Vater immer noch. Sie hat sich von ihm getrennt, als sie erfahren hat, dass er sie betrogen hat. Ich kann es wirklich nachvollziehen. Da mein Bruder seinen Vater trotzdem mag, darf er ihn so oft wie möglich besuchen.
Als ich mein Vater sah, erschrak ich kurz. Aber nur kurz. Er hatte seinen Drei-Tage-Bart weggemacht und sah so mindestens zehn Jahre jünger aus. Ok, fast. Wow.
,,Was ist wow?", fragte mein Vater amüsiert. Oh man. Ich habe wohl wieder meine Gedanken laut ausgesprochen. ,,Ach, nichts.", antwortete ich stattdessen. ,,Wie geht's euch denn?", fragte mein Vater freundlich und setzte Jonas wieder ab, den er auf den Arm genommen hat.
,,Suuuuupeeeeeeer!", antwortete mein Bruder voller Freude. Etwas leiser hätte auch gereicht. Ich würde meine Trommelfelle lieber noch behalten. ,,Und dir, meine Große?" - ,, Ja, ganz gut. Können wir jetzt bestellen?" Ja, ich war hungrig. Meine Mam hat mir verboten zu essen. Meine letzte Mahlzeit war heute morgen. Und außerdem hatte ich keine Lust auf Smalltalk.
Als wir fertig gegessen haben, fing meine Mam an zu stottern. ,,Also, was willst du uns sagen?", unterbrach ich sie nach kurzer Zeit. ,,Nicht ich will euch was sagen, sondern wir." - ,,Mam, das ist mir egal, ich möchte nur wissen, was los ist!", sagte ich leicht genervt. Deshalb war mein Vater so gut gelaunt.
,,Sie möchte nicht mehr in Deutschland bleiben.", antwortete er. ,,Aha, und jetzt?" Musste man ihnen wirklich alles aus der Nase ziehen?
,,Wenn ihr nicht mit wollt, könnt ihr bei mir wohnen. Ich habe genügend Platz für euch.", schlug schon wieder mein Vater vor. Er hatte wirklich genügend Platz. Sein Haus war mindestens doppelt so groß wie unseres. Und auch unseres war schon sehr groß.
Aber ich mit meinem Vater unter einem Dach? Das konnte nicht lange gutgehen. Ich weiß, er ist mein Vater, aber das, was er meiner Mam angetan hat, werde ich ihm wahrscheinlich nie verzeihen können.
,,Wenn ihr wollt, könnt ihr auch mit.", meldete sich nun auch mal meine Mam zu Wort. Als ich sie etwas verwirrt anschaute, weil ich endlich wissen wollte, wo 'nicht in Deutschland' ist, antwortete sie: ,,Du weißt doch, dass ich die englische Sprache mehr mag als die deutsche?" Also geht's nach England?! ,,Nein, nur ein englischsprachiges Land." - ,,Und wo??", fragte ich sichtlich genervt. ,,Los Angeles. Ich habe dort schon ein Haus. Zumindest mein Freund. Wir kennen uns schon seit knapp einem Jahr und wollen, da ich eh in die USA will, zusammenziehen. Er hat einen Sohn in deinem Alter und einen, der schon ausgezogen ist. Du musst nicht mitkommen, wenn du nicht willst.", plapperte sie auf einmal los. Erst schweigen und dann so viel auf einmal. Egal.
,,Du hast seit fast einem Jahr einen Freund in Los Angeles und ihr wollt zusammenziehen? Warum hast du mir nichts davon erzählt?" - ,,Ich hab ja selber nicht gedacht, dass das was ernstes ist oder überhaupt irgendwas. Aber ich glaube, du hast recht. Ich hätte es dir früher erzählen sollen. Tut mir leid."
,,Ich bin gleich wieder da." - ,,Ich weiß, du brauchst Bedenkzeit und so. Du kannst jederzeit nachkommen. Du musst dich nicht sofort entscheiden." Jetzt war ich etwas verunsichert. ,,Wann willst du denn fliegen? ", fragte ich zögerlich, denn das hörte sich an, als ob sie in einem Monat schon fliegen würde.
,,Nächte Woche am Mittwoch." Doch nicht in einem Monat. Heute ist Sonntag, das heißt in zehn Tagen? Okaaay, das musste ich erstmal verkraften...
,,Ich muss jetzt wirklich mal.", sagte ich meiner Mam, die mich ja aufgehalten hat.
Ich stand vor dem Spiegel und betrachtete mein Spiegelbild. Ich muss mich in zehn Tagen entscheiden, wie mein weiteres Leben verläuft? Etwas früher wäre besser. Deine Mutter muss das doch auch planen... Ja ja, schon klar. Wie soll das funktionieren? Was ist mit meinen Freunden? Und mein Bruder?!
,,Bleibt Jonas hier?", fragte ich ein paar Minuten später. ,,Ja. Er kann doch kein Englisch." Ach ja. Ich muss mich einfach entscheiden... ,,Stress dich nicht zu sehr in die Sache rein. Du kannst doch bei mir wohnen.", antwortete mein Vater. Upps.
,,Ich kann dir seine Nummer geben, dann kannst du dich schonmal mit ihm anfreunden.", schlug meine Mam vor. ,,Hää?? Mit deinem Freund oder was? Wen meinst du?", ich war etwas verwirrt. ,,Ach so, tut mir leid. Ich meine deinen Bruder, also deinen zukünftigen Bruder." -Aha.
Ich speicherte ihn etwas später unter Bruder ein. Etwas kreativeres ist mir nicht eingefallen. Wie heißt er überhaupt? Na toll, ich bekomme einen neuen Bruder und weiß nicht mal seinen Namen.
Ich tippte auf meinem Bildschirm rum. Sollte ich ihn überhaupt anschreiben? Nein, ich frag morgen einfach mal Laura, sie weiß bestimmt irgendeinen coolen Spruch. Ich tippte auf sein Profilbild. Er sah zwar gut aus, aber ... ich weiß nicht, wie ich das jetzt beschreiben soll.
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Also gut. Im nächsten Kapitel ist ein Bild von ihm dabei :D
Hoffe, es hat euch gefallen, dann könnt ihr vielleicht mal voten oder Kommis hinterlassen :b Danke :)

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Dream About A Bad Boy
Teen Fiction,,Tja. Ich kann dich halt dauernd auf's Neue überraschen." Ich erinnerte mich an den Tag in der Turnhalle, an dem meine Abschiedsfeier stattfinden sollte. Als er jemanden erschossen hat. Als ich zusammengebrochen war. An den Tag, an dem ich nach ein...