*9* / Streit zwischen Freunden

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Zurück auf der Wache (wir haben die ganze Fahrt über kein Wort miteinander gesprochen) parke ich in der Halle ein und ziehe dann den Schlüssel. Tief durchatmend lasse ich mich gegen die Rückenlehne vom Sitz fallen und seufze mal wieder. Ich glaube echt, so oft habe ich in so kurzer Zeit noch nie geseufzt. An sich würde ich ja gerne mit jemandem über meine Wut sprechen aber ich habe fast nur Freunde bei der Feuerwehr und die dürfen diese Story nicht mitbekommen.
Alex schaut mich eindringlich von der Seite an und überlegt vermutlich ob er nochmal was sagt. Doch ich komme ihm zuvor und sage <Es ist nicht so dass ich nicht reden möchte. Aber es würde zu vielen Personen hier schaden. Ich kann es einfach nicht.> <Du weisst, dass ich solange ich arbeite an die ärztliche Schweigepflicht gebunden bin mit der Ausnahme es geht um eine Straftat. Theoretisch darf ich nämlich gar nicht drüber sprechen was du mir hier im Vertrauen erzählst.> meint er grinsend und auch ich schmunzel schon wieder. Er versucht echt Alles um rauszufinden was geschehen ist.
<Vielleicht später.> lenke ich halbwegs ein und steige dann aus. Unsere Medikamente, Spritzen, Nadeln und sowas füllen sich nicht von alleine wieder auf. Alex tut es mir nach und wirft mir den Zettel mit den verbrauchten Sachen zu. Ich schaue kurz drüber, stecke dann das Stromkabel ins NEF und gehe übergangslos weiter ins Lager um die Sachen zu holen.
Mit einem vollen Korb komme ich zurück und Alex hat alles schon zum wieder Befüllen vorbereitet. Schnell räumen wir den Rucksack und das Ampullarium zusammen wieder ein und ich hake die Liste nebenbei ab. Nebenbei bemerke ich, dass ich dringend Kaffee brauche. Während ich die Taschen wieder ordentlich verstaue hat Alex sich das Tablet genommen und beendet den Bericht. <Die in der Uniklinik meinten übrigens auch, dass unsere junge Patientin von eben eine Lungenembolie hat. Sie kam nachdem ich gegangen bin direkt ins CT.. Bin ja mal gespannt ob wir nochmal was hören..> erzählt Alex mir und hält mir dann das Tablet zum Unterschreiben hin. Naja unterschreiben auf dem Tablet ist gut. Wir bestätigen es eigentlich nur mit unserem Fingerabdruck.
Wir fahren noch 6 Einsätze und sind grade dabei das NEF für die Übergabe vorzubereiten. Eigentlich sind wir aber schon im Feierabend. Papa und Franco übernehmen es gleich für den Spätdienst und ich habe das Auto von Papa draußen schon gesehen.
Als unser NEF wieder einsatzbereit ist schließe ich die Kofferraumklappe und nicke zufrieden. Dann nehme ich mir meine Jacke vom Sitz raus und überlege ob ich mir Adiletten anziehen soll. Definitiv ja. Während ich meine Haix ausziehe kommt Dustin und fragt <Können wir nochmal reden Em?> Ich zucke mit den Schultern, nicke und folge ihm dann in den Hof.
<Ich habe über deine Worte nachgedacht.> fängt er an und ich kommentiere direkt mit <Das mein Freund ist auch besser so.> <Em halt mal bitte für einen kurzen Moment einfach mal die Klappe! Ich möchte mich bei Caro entschuldigen. Mir liegt viel an ihr. Sehr viel.> gesteht er und wird rot. Das ist ja süß aber ich bin trotzdem sauer auf ihn. Dieser Wut muss ich auch nochmal Luft lassen.
<Ich weiss, dass du gut aussiehst und bei Frauen auch gut ankommst. An sich ja kein Problem. Auch das mit uns damals überhaupt kein Problem. Es war für uns Beide ne 607 Geschichte und, so sehr ich dich als Buddy schätze, wissen wir Beide, dass zwischen uns nie ne Beziehung laufen könnte. Gut ich bin auch glücklich verheiratet und Mama aber du weisst was ich meine. Wegen Typen wie dir hätte ich mir damals fast mein Leben genommen. Okey nicht nur aber es spielte dazu. Es lief nichts in der Richtung aber wäre was gelaufen wäre das die selbe Situation gewesen wie jetzt bei Caro. Und der emotionale Teil bleibt der Selbe. Man fühlt sich nicht gut genug für irgendwas.. Caro ist eh ein Zweifler.. Ob sie nicht ohnehin n bisschen jung ist lassen wir mal so stehen. Ist es wahre Liebe okey aber wenn nicht lass jüngeren Typen die Chance...> fange ich sackig an und er zieht den Kopf betreten ein. Ich schaue an ihm vorbei hoch zum Gebäude und sehe, dass ein paar Kollegen uns beobachten. Es wird sehr viele Fragen geben.
<Man Emilia. Ich weiss es doch.. Und trotzdem habe ich so gehandelt.> antwortet er und ich rede weiter <Ist ja nicht so, als hätten wir Letztens nicht noch drüber gesprochen als wir draußen waren... Ich lasse dich bald nur noch mit Babysitter raus... Und wenn du Caro das Herz brichst breche ich dir auch was.. Vermutlich die Nase oder sowas.. Sie ist eine wundervolle junge Frau mit einem großen Herz.. Genau das was wir in unserem Beruf brauchen.> <Nicht nur ihr Herz ist groß!> schmeißt er dazwischen und merkt dann wie dumm es war. Denn genau mit dem Satz hat er das Fass zum überlaufen gebracht.
Ich bin ja absolut gegen Gewalt aber jetzt muss ich ihn an den Schultern nehmen und wirklich durchschütteln. Nicht brutal aber so, dass sein Gehirn mal wieder mehrdurchblutet wird. <Geh von mir aus hoch zur Toilette und machs dir selbst aber komm bitte wieder auf dein Leben klar. Spiel mit anderen Frauen die nicht mehr wollen aber nicht mit Caro!! Und überleg dir endlich Mal was du überhaupt willst! 607 oder doch ne Familie!> sage ich energisch und werde dann von zurück angemotzt.
<Woher willst du wissen was in mir vorgeht? Ich will ne ja Familie aber ich habe Angst davor.. Angst meine Familie irgendwann zu verletzen.> motzt Dustin jetzt und schubst mich von ihm weg. Irritiert taumel ich die paar Schritte zurück und schüttel mich. Es wird heute zum ersten Mal zwischen uns eskalieren. Dabei könnte er doch mit mir reden. Also normal meine ich. Ich gehe wieder in meinen Angriffsmodus und frage ihn genau das <Wieso kommst du dann nicht einfach Mal normal rum und redest mit mir? Ich habe es dir so oft angeboten!> <Weil du dich doch um deinen Sohn kümmern musst.> argumentiert er und ich lache auf. <Alles klar. Nur weil ich ein Kind habe kann man nicht mehr mit mir reden? Ist mir ja neu.. Das Kind schläft entweder und sonst ist er so groß dass er sich auch mal alleine beschäftigen kann.. Ich sage dir doch immer dass du rumkommen kannst. Also zieh Levin verdammt nochmal nicht mit rein.> widerspreche ich ihm und schüttel den Kopf.
So bekommt man Aggressionen aus eigentlich friedlichen Menschen. <Aber es ist doch so, dass...> versucht er doch ich unterbreche ihn sofort <Komm mir jetzt nicht so an. Schieb es auf mich und gib wenn mir die Schuld aber niemals meinem Sohn. Er kann da überhaupt Nichts zu.> schreie ich schon fast und balle meine Hände neben dem Körper zu Fäusten. <Und was war als ich dich letztens gefragt hatte ob wir n Kaffee trinken gehen? Da konntest du nicht weil irgendeine Babygruppe war.> wirft er mir vor und ich stoße ein abwertendes <Pff.> aus bevor ich ich böse anfunkel. <Es war ein Termin für den wir vorher bezahlt hatten. Dann nimmt man den in der Regel auch wahr... Außerdem hatte ich angeboten, dass wir danach wenn Flo daheim ist Essen gehen.> weise ich den Vorwurf dann ab und es bilden sich schon wieder Tränen der Wut und Enttäuschung. Wie kann er mir sowas nur vorwerfen? Bin ich wirklich so eine schlechte Freundin geworden? Aber ich habe mich doch regelmäßig auch ohne Kind mit meinen Freunden getroffen. <Aber 4 Stunden später brauchte ich dich nicht mehr.. Keine Ahnung wieso ich grade mit dir rede wenn du mich eh nicht verstehst.> sagt er noch und wendet sich mit dem Gesicht ab.
Seine Worte trafen mich wie ein Schwert am Kopf und Gefühle übernehmen meinen Körper. Nun schießen mir die Tränen aus den Augen und laufen mir die Wangen hinab. <Du weisst dass ich Alles tun würde damit es meinen Freunden gut geht.. Aber besonders in den letzten 6 Monaten gab es auch Mal Augenblicke an denen es mir nicht gut ging. Und trotzdem habe ich es auch dir unermüdlich angeboten.. Einfach damit es euch gut geht. Wenn du es ausschlägst kann ich da nichts für. Und Levin erst recht nicht!> sage ich immernoch aggressiv und wütend rausgepresst. <Aber Telefonate reichen nicht immer.> meint er und ich schubse ihn aus dem Affekt heraus nach hinten an die Wand. Dann gehe ich hinterher, sodass unsere Gesichter uns nah sind. <Dann sag mir das doch verdammt.. Vier Worte hätten genügt und ich wäre zu jeder Uhrzeit zu dir gefahren. Das war bevor ich schwanger wurde doch auch schon so. Ich habe dich nachts aus irgendwelchen Bars und Clubs geholt, selbst wenn ich am nächsten Tag Frühdienst hatte.> erwidere ich und boxe ihm dann weinend gegen die Schulter. Es ist nicht fest aber auch irgendwie mehr Ausdruck meiner Verzweiflung.
Das aber auch nur so lange, bis mich jemand nach hinten wegzieht und festhält. Zeitlgeich gehen auch noch Omar und Matthias dazwischen. <Emilia beruhig dich!> sagt Franco und ich möchte aus seinem festen Griff raus. <Lass mich los Franco.> bitte ich ihn halb flehend und komme zeitgleich nicht mehr auf meine Gefühle klar...

Jetzt nicht grade das netteste Kapitel aber für ein auf Kohle geborenes Kind ist das noch nett.. Ich kann nichts dafür, ich wurde so geboren (also mit ner großen Klappe). Jedenfalls sind wir noch nicht am Ende des Tages.

Ex hoc momento pendet aeternitas - Amor tollit timoremWo Geschichten leben. Entdecke jetzt