*17* / komischer Donnerstag

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<Habe mich beim Obst schneiden erschrocken, bin abgerutscht und habe mich mit dem Messer geschnitten. An sich blutet es nicht heftig aber ich kann nicht mehr.> erzählt sie und Ralf schaut sich um. Im Flur steht ein Stuhl und er meint <Na komm setzen Sie sich mal hier auf den Stuhl. Wir schauen uns das mal an.> Unsicher auf den Beinen steht sie auf und folgt seiner Anweisung. Vorsichtig lösen wir das Handtuch und ich kann keine Blutungsquelle mehr feststellen. Etwas erleichtert atme ich durch und sage dann zur Patientin <Hat schon aufgehört zu bluten.. Wir säubern das erstmal und sehen dann weiter. Schaut momentan aber eher oberflächlich aus.> Sie nickt und Ralf öffnet den Rucksack damit er Kompressen und ne NaCl rausholen kann. Während er sucht frage ich die Patientin <Was sollte es denn für Obst geben?> <Banane.> gesteht sie und errötet dabei. Ich bin verwirrt und hake nochmal genauer nach <Geschnitten? So quer oder?> Dann kommt sie aus den Puschen und erklärt mir was sie vor hatte <Ja ich wollte halt die Banane mit Schoki füllen und in der Mikrowelle erhitzen. Wie vom Grill im Prinzip.> <Achso.> meine ich und grinse vor mich her. Klar ist es nicht schön sich zu schneiden aber die Art sich zu schneiden habe ich noch nie gehört.
Mein Kollege säubert grade den Arm und der Patientin scheint es langsam besser zu gehen. Ihre Hautfarbe wird wieder rosig und ihre Atmung geht auch ruhiger. Manchmal hilft Psychologie doch immernoch mehr als unsere Behandlung. Wir besprechen gemeinsam unser Vorgehen und kommen zu dem Entschluss, dass sie daheim bleiben kann. Es ist wirklich nur oberflächlich, hat schon anfgehört zu bluten und wir haben es ordentlich verbunden. Ich habe eben den Bericht angefangen und frage sie nach ihrer Versicherungskarte. Während sie diese holt trage ich schonmal die Adresse und die Diagnose ein. Hier ist es mehr als offensichtlich, dass sie eine Schnittwunde am Unterarm hat. Da brauche ich kein Arzt für sein um das zu erkennen.
Ralf redet nochmal mit unserer Patientin und gibt ihr ein paar Verhaltenstipps für diesen Tag. Als das Gespräch beendet ist verabschieden wir uns und verlassen die Wohnung wieder. Unten am RTW verstaut er den Rucksack und ich schreibe noch was in den Bericht. Unter Anderem was wir verbraucht haben und die Basis Daten zum Einsatz. Heißt jetzt eigentlich nur noch die Abfahrtszeit. Ich begründe noch wieso wir keinen Transport ins Krankenhaus vornehmen und hake den Bericht dann ab. Bei Transporten ist das Tablet besser geeignet. Bei Einsätzen wie Diesem reicht auch der Bericht auf dem Papier da wir keine Vitalparameter brauchten.
Ich gehe nochmal ein paar Schritte weg und funke mit der Leitstelle. <Der 1RTW3 für die Leitstelle.. Wir haben den Einsatz beendet, denn der Cut war in der Tat nur oberflächlich. Haben es gereinigt sowie verbunden und die Patientin aufgeklärt. Nachdem sie gesehen hatte, dass es wirklich oberflächlich ist war sie auch beruhigt und der Kreislauf wurde besser.> melde ich und bekomme schnell eine Antworte <Okey gut.. Dann fahrt zurück zur Wache. Haben aktuell keinen neuen Einsatz für euch.> <Korrekt danke.. Kaffee ich komme.> beende ich dann den Funk und steige wieder ein.
Zurück auf der Wache befüllen wir natürlich zuerst den Rucksack und ich tänzel schon auf der Stelle rum. Habe heute schon 3 Kaffee intus und irgendwann drückt die Blase. <Ich beende das hier schon. Geh pinkeln.> kommtiert Ralf es lachend und schneller als er schauen kann laufe ich los. Zum Glück kann ich mit Adiletten fast genauso gut rennen die mit Sneakern und sprinte die Treppe hoch. Während ich den Gang lang laufe zur Umkleide/ Wc krame ich schon meine ID Karte aus der Hosentasche.
Wieder entspannt gehe ich danach in die Küche und hole mir erstmal Kaffee Nummer 4 bevor ich damit rüber in eins der Büros gehe. Wir müssen den Bericht trotzdem digitalisieren damit er abgehakt werden kann. Ich logge mich eben ein und öffne das Programm für die Berichte. Da wir uns ja auch immer mit unserem Namen einloggen bekommen wir auch Berichte zum Unterschreiben auf das Programm. Der Einsatz von heute Morgen muss noch von uns unterschrieben werden und ich lege meinen Mittelfinger auf den Sensor. Automatisch wird meine Unterschrift eingefügt und ich nicke zufrieden. <Hey Em. Na fleißig am Arbeiten? Vermutlich eh nicht.> höre ich dann Dustin sagen und er wirft sich hinter den anderen PC in diesem Raum. <Oh hey Dustin.. Wie viele Menschen hast du heute schon gequält?> frage ich ihn grinsend und schaue ihn über die Monitore hinweg an.
Er kommentiert es mit einem Mittelfinger und ich lache auf. Freundschaft am Arbeitsplatz ist doch was Nettes. Zumindest wenn wir uns grade nicht anzicken. Währenddessen öffne ich ein neues Protokoll und tippe den Bericht ab.
Er tippt etwas aggressiv auf die Tastatur ein und ich schaue ihn wieder an. <Was ist dir denn geschehen?> frage ich dann schmunzelnd und er kommentiert nur <Wurde im letzten Einsatz kurz bevor wir am Krankenhaus waren derbe angereihert. Welcher normale Mensch ist an einem Donnerstag um die Uhrzeit schon so hacken stramm dass er reihern muss?> <Ohje.. Keine Ahnung. Studenten oder sowas? Vielleicht auch Alkoholiker. Obwohl die ne gewisse Gewöhnung haben und seltener reihern müssen.> überlege ich und beende meinen eigenen Bericht mit meinem Fingerabdruck. Selbst für die polizeiliche Identifikation habe ich meine Mittelfinger registriert, da zum Zeitpunkt als das eingeführt wurde meine Zeigerfingerkuppen dezent zerstört waren.

Diese Story ist am Sonntag (traurigerweise) tatsächlich ungefähr so passiert. Perfekte Vorlage für ne Story 😂😂.. Als Physio habe ich schon viele Narben und Wunden gesehen, mir 4 Operationen live im Op angesehen und an sich bei mir selber auch sonst nie Probleme bei der Wundversorgung. Außer an diesem Tag. Da war ich echt out of order. Da ich ne Stunde vorher schon ne Panikattacke hatte und die Situation auch erst wieder wegen einem Schrecken passiert ist, war wirklich die Sorge, dass mein Kreislauf keine Lust mehr hat und ich kollabiere. War halt natürlich auch schön alleine daheim. Also safety first und erstmal Notruf wählen. Danach habe ich heulend meine Mama angerufen und mich über ihr verdammtes Messer beschwert. Wieso sind die Dinger auch so verdammt scharf? Das ist natürlich ne rhetorische Frage.
Es war wirklich die psychologische Betreuung relevanter als die Wundversorgung denn als es sauber war und ich es mir ansehen konnte wurde es echt besser. Der Sani meinte ich soll mir die Banane aber unbedingt noch machen damit es sich wenigstens gelohnt hat. Ruhrgebietler sind so herrlich offen und unkompliziert. Habe sie mir schlussendlich auch gemacht damit ich ein positiveres Bild von der Aktion habe (ja auch das ist Psychologie)
Empfehlung des Tages: bitte Brettchen verwenden

Und mal wieder die Frage: gibt es Verbesserungsverschläge?

Ex hoc momento pendet aeternitas - Amor tollit timoremWo Geschichten leben. Entdecke jetzt