*80* / how could a heart like yours..

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Dustin bleibt die ganze Zeit an meiner Seite und hilft mir wo er nur kann. Im RTW hält er durchgehend meine Hand und redet auch gefühlt die ganze Zeit durch mit mir. Das Gespräch ist allerdings sehr einseitig, da ich Löcher in die Luft starre. Keine Ahnung wieso ich grade so reagiere aber ich hasse es einfach nur. Denn mit dieser Stimmung kommen oft die Zweifel. So natürlich auch heute. Sätze wie "Ich bin eine schlechte Mutter" und "Vielleicht hättest du mit 17 einfach springen sollen" schwirren in meinem Kopf. Selbst wenn ich grade Worte hätte könnte ich es Dustin nicht erzählen da er im Dienst ist und sowas anders behandeln muss als privat. Dabei muss ich doch heim zu meinen Kindern.
Eine einzelne Träne bahnt sich ihren Weg über meine linke Wange und ich habe Angst davor, gleich mit Flo zu sprechen. Er wird es so oder so erfahren weil ich heute ja vermutlich eher heim komme und eigentlich ja aus dem Krankenhaus abgeholt werden muss. Wenn ich ganz viel Pech haben werden sie auch bereits Papa angepiept haben, weil er als Elternteil schneller als Blutspender in Frage kommen wird. Habe ja schließlich die selbe Blutgruppe und zu 50% die selbe DNA wie er.
<Wogegen kämpfst du grade Em?> fragt Dustin mich irgendwann und ich zucke zusammen. Erst jetzt merke ich, dass ich seine Hand grade komplett zerquetsche und lasse die Anspannung nach. <Gegen zu viele Dämonen in meinem Kopf welche mich grad alle zusammen fertig machen wollen.> erwidere ich kurz und knapp doch er versteht mich. <Kämpf dieses Mal aber bitte nicht alleine. Dein Körper ist seit Monaten ständig am kämpfen und eigentlich war es nur eine Frage der Zeit. Du weisst ich meine das nicht böse Hasi... Aber du hast schon wieder so viel überstanden und dabei fast immer nur an die Anderen gedacht... Wir sind bei dir und zusammen sind wir stärker als jeder Dämon. Tu besonders Flo den Gefallen und lasse ihn nicht außen vor bei dem aktuellen Kampf.> erwidert er und dann hält der RTW an.
<Wir sind da!> ruft Yannick von vorne und ich schaue Dustin müde an. Ich bin nicht nur körperlich müde sondern allgemein müde. Der Urlaub, welcher meine Reserven eigentlich füllen sollte hat mir im Endeffekt noch mehr geraubt. Mit zwei kleinen Kindern daheim kann man seine Batterien auch nicht wirklich auffüllen. <Ich bin so unendlich müde.> erzähle ich meinem besten Freund und schließe dann meine Augen, da ich sie wirklich nicht mehr offen halten kann.
Erschrocken ruft Dustin meinen Namen und rüttelt ne ganze Zeit an meinen Schultern. Doch ich habe einfach keine Kraft mehr für irgendeine Reaktion egal welcher Art. Selbst die Ohrfeige und der Schmerzreiz am Kiefer bleiben ohne Erfolg. Bin grade so abgedriftet vom Leben, dass ich nicht einmal mehr Schmerzen empfinde. Aber hey. Egal was geschieht ich bin zu jung um zu sterben. Such dir nen anderen Gegner lieber Tod! Ich kann nicht sterben bevor ich nicht mindestens meine Kinder hab heiraten gesehen. Enkel werden überbewertet aber ich möchte sehen, wie meine wundervollen Kinder ihre eigene kleine Familiengeschichte beginnen werden.
Tief in mir drin bin ich noch wach und höre Alles, was sie sagen. Während die Jungs meinen doch sehr regungslosen Körper in die Notaufnahmen bringen redet Dustin wieder fast durchgehend. Das tut er immer wenn er aufgeregt ist. <Ich erhöhe die Durchflussrate der Ringer. Sie braucht definitiv Volumen.> erzählt er Yannick und ich frage mich wie er bei fremden Patienten so entspannt bleiben kann. Ich mag ihn aber er würde sich jetzt Eine fangen wenn ich nur Kontrolle über meinen Körper hätte. Es macht mich wahnsinnig. Ist ja nicht so, dass mein Kopf nicht eh schon Karussel fährt und sich dabei so anfühlt als würde ein ausgewachsener Elefant drauf sitzen.
<Was ist geschehen?> höre ich Frederick fragen und Yannick antwortet <Emilia musste irgendwie zu Dr Holzer und ne ganze Zeit später wurden wir dazu gerufen um sie hier her zu transportieren. Anfangs war sie zwar ziemlich apathisch aber sie redete mit uns. Seit ungefähr 3 Minuten bekommen wir keine Reaktion mehr von ihr. Sie scheint uns allerdings zu hören und nicht ganz out of order zu sein. Den Blutdruck müssten wir nochmal messen. Schock Index positiv und da sie ja schon eine bestätigte Hypovolämie hat haben wir ihre Beine schonmal hochgelagert. Stabilisierte den Blutdruck auch ein bisschen. Puls 147 und Sättigung 73%. Sie bekam bis jetzt je einen Liter Ringer und Stero sowie Sauerstoff per Maske. Das aber erst seit eben. Sie hat je einen Schnitt an den Außenseite des Halses welche laut Dr Roscher immernoch bluten würden. Glaube links mehr als rechts.. Oder doch anders herum? Verdammt ich habe es vergessen.> <Ab mit ihr in Schockraum 1. Oli steht bereit zur Kreuzprobe und das Blut liegt auch dort auch schon wenn sie es annimmt.> mein Fred noch und ich höre die automatische Türöffnung...

Als ich ein paar Stunden später aufwache fühle ich mich wie vom Trecker überfahren. Doch irgendwer hält meine Hand und es fühlt sich mehr als vertraut an. Es ist, als würde Wärme und Energie von dieser Hand in meine strömen und damit meinen Körper wieder beleben. Ich will und ich werde leben. Egal was kommt. Schwerfällig öffne ich meine Augen und schaue zu Flo. Er sitzt direkt neben dem Bett auf einem Stuhl und tippt mit einer Hand eine Nachricht auf dem Handy. Ich beobachte ihn eine ganze Zeit lang schweigend, bis er merkt dass ich wach bin.
<Hallo Schatz.> sagt er sanft und lächelt immernoch genauso wie er es früher schon tat. <Du bist hier.> stelle ich (wenn halt auch sehr zeitverzögert) fest und grinse erleichtert. <Natürlich bin ich hier. Der größten Liebe meines Lebens gehts nicht gut. Wo sollte ich sonst sein?> fragt er schmunzelnd und ich meine unsicher <Sauer auf mich bei unseren Kindern daheim vielleicht.> Flo schaut mich erst verwirrt an und lacht dann wirklich los. Keine Ahnung was daran so komisch ist.

Ich muss euch wirklich danken. Hätte nie mit dem positiven Zuspruch gerechnet, welcher mich gestern Abend und heute erreicht hat. Ich hatte wirklich Tränen in den Augen aber vor Erleichterung. das Kapitel ist für euch <3
Viel mehr gibt es dazu heute auch nicht zu sagen, denn ich bin wirklich müde. Die Entspannung vom Urlaub ist letzte Woche leider wieder verflogen und ich habe viel zu viel vor für viel zu wenig Zeit. ABER was uns nicht umbringt macht uns nur stärker. In dem Sinne: egal was ist bleibt stark

Ex hoc momento pendet aeternitas - Amor tollit timoremWo Geschichten leben. Entdecke jetzt