*64* / Tag der Tränen

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Ich bin wieder auf meinem normalen Zimmer auf der Privatstation und Flo liegt neben mir auf dem Bett. Ja gut normalerweise macht man sowas nicht aber ich brauche einfach seine Nähe. Leon sitzt auf einem der Stühle am Tisch und beobachtet Levin beim Spielen. Mit Tavor und meiner Familie wurde es mittlerweile besser und ich bin wieder in der Lage ohne zusätzlichen Sauerstoff klar zu kommen. Bekomme grade nochmal Eisen um den Hb eventuell noch etwas zu pushen. Meine Kopfplatzwunde musste nicht genäht werden und hat schon lange aufgehört zu bluten. Nachdem wir wieder hoch auf das Zimmer durften konnte ich mich eben waschen und kuschel seitdem mit Flo. Es tut gut einfach seine Nähe zu spüren und zu wissen dass er einfach nur da ist.
Leon hatte heute auch irgendwie dieses komisches Gefühl und wartet aktuell auf den Rückruf von unserer Mutter. Als ob sie nichts weiss. Sie haben wohl vorhin kurz miteinander gesprochen und um Markus geht es nicht. Sie findet es aber raus da sie das Gefühl auch hatte. Schon komisch, dass wir alle das selbe komische Gefühl hatten. Doch keiner von uns ist der Grund. Sie hatten das Gefühl auch schon vor meinem Zusammenbruch. Endlich klingelt sein Handy und er geht dran. <Mama?? Ja endlich... Mhmm... Ja.. Okey ich sage es ihr. Bin grade eh bei ihr.> sagt er und atmet durch bevor er mich mir Tränen in den Augen anschaut. Oh nein. Wenn Leon schon weint werde ich noch mehr weinen. Ich habe jetzt schon Angst davor was er mir gleich mitteilen wird denn er zögert schon zu lange.
<Em? Alex und Micha hatten einen schweren Autounfall. Ein Traktor hat ihren Wagen komplett gerammt und auf ein Feld geschleudert... *er verliert den Kampf gegen die Tränen* Sie haben es nicht geschafft. Sie haben zusammen ihren Weg zu Jo gefunden.> erzählt er mir dann und ich führe den Kampf gar nicht erst. Während ich einfach nur in leisen Tränen ausbreche zieht Flo mich noch fester in seinen Arm und versucht mir Halt zu geben. Mein ganzer Körper zittert und ich würde gerne einfach nur schreien. <Leon schnapp dir Levin und hol bitte einen der Pfleger oder einen Arzt.> meint Flo hektisch als ich ihm wohl schon wieder zu schnell atme und lässt mich los. Ich höre wie Leon aufspringt und dann fällt die Zimmertür zu. <Emilia kommt schon. Bitte.. Ich brauche dich.> fleht Flo und fängt automatisiert an zu arbeiten.
<Was ist passiert Florian?> höre ich dann Tobias fragen und es wird unruhig im Zimmer. <Sie hat von zwei Todesfällen in der Familie erfahren und hatte vorhin ja schon eine Panikattacke.> erklärt Flo und übt dabei weiter vorsichtig Druck auf meine Rippen aus da das beruhigend wirken soll. Oft tut es das auch aber jetzt in dem Moment hilft gar nichts. <Gut dass du da bist Mike... Sie hatte vorhin erst Tavor also brauchen wir was Anderes.> höre ich Tobi Mike erzählen und möchte mich aus Flos Griff befreien da die Rückenlage grade unerträglich ist. Es dauert aber bis er bemerkt dass er mir grade mehr schadet als das er mir hilft. Ich weiss ja dass Flori mir nichts Böses möchte. <Lasst sie bitte mal los. Wir schaden ihr grade.> bittet er dann für mich und alle Hände verschwinden von meinem Körper. Endlich.

*Sicht Flo*

Nachdem wir realisierten, dass Em grade keine Berührung verträgt lassen wir sie los und warten was geschieht. Meine Traumfrau dreht sich wieder auf die Seite und vergräbt ihr tränennasses Gesicht im Kissen. Doch anstatt nur zu weinen fängt sie an zu schreien. Ich beginne zu verstehen. Ihre komplette Hormonwelt steht auf dem Kopf und es war zu viel. Sie brauchte genau diesen Schrei um irgendwie damit klarzukommen. Es tut mir weh zu sehen, dass sie grade so leidet. Und das ja eigentlich schon seit knapp zwei Wochen. Ich war nicht genug für sie da und habe sie mit ihren Emotionen nicht genug unterstützt. Sie muss viel mehr mit sich rum getragen haben als sie zugegeben hat und ich habe es nicht gesehen.
Testweise setze ich mich neben sie und lege ihr meine Hand auf die Schulter. Sie scheint mich grade wieder zu akzeptieren. Immernoch schluchzend und zitternd liegt sie da und ich weiss nicht wie ich ihr helfen kann. Mike, Tobias und Kathrin ebenfalls nicht, denn sie stehen planlos im Raum und beobachten das Geschehen. Emilia scheint sich aber langsam wieder zu beruhigen, denn das Zittern wird zum Glück immer weniger. Vorsichtig lege ich meine Hand auf den Rücken und werde immernoch akzeptiert. Mein armer Schatz. Wieso haben wir alle schon wieder nicht gesehen wie viel wirklich in ihr vorging.
<Sorry wenn ich störe aber euer Sohn verlangt nach euch.> meint Leon irgendwann schniefend mit einem ebenfalls weinenden Levin auf dem Arm und ich stehe auf. Er versteht das ganze vermutlich noch nicht wie es ist, hat aber schon viel mitbekommen. Zu viel für sein Alter. Vorsichtig nehme ich meinen Sohn auf den Arm und er schmiegt sich sofort an meinen Hals. Ich glaube sobald Nele kräftig genug ist sollten wir für eine Woche einfach nur raus aus Köln und irgendwo hin wo wir Zeit als Familie verbringen können. Keine Ahnung wie ich das mit dem Job machen soll aber irgendeine Lösung wird es wohl geben. So wie es jetzt ist kann es nicht bleiben. Ich habe einfach Angst Emilia zu verlieren.
<Wir lassen euch mal ein bisschen alleine. Wenn ihr was braucht sag Bescheid.> meint Mike und ich nicke ihm dankbar zu. Auch Leon verabschiedet sich erstmal und ich stehe einfach mitten im Raum bis die Tür sich schlussendlich schließt. Dann gehe ich wieder zum Bett, wo Em zwischendurch immernoch schluchzt. Vorsichtig lege ich mich hinter sie und Levin vor sie. Sofort nimmt sie ihn in den Arm und kuschelt mit ihm. Kurz danach dreht sie auch ihr Gesicht wieder aus dem Kissen raus und schnieft so weiter. Ich lege meinen Arm um meine Beiden und meinen Kopf gegen den Hinterkopf von Em. Jetzt fehlt nur noch Nele doch die darf noch nicht von der Neo Intensiv runter. Wird aber irgendwann nachgeholt.

So hier die Auflösung. Konnte sie nicht trennen also mussten sie zusammen gehen.

Eigentlich stand heute ein Filmmarathon mit meiner schwester an aber da es so ein shit Wetter geben soll safety first und ich bleib daheim. Meine Chefin hat Montag schon nen Abgang bei Glatteis gemacht und ich treffe bei sowas grundsätzlich ne Treppe. Ob ich wieder so viel Glück haben würde wie 2019 ist eh fraglich. Ich hasse es ja wenn Pläne sich ändern aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben

Ex hoc momento pendet aeternitas - Amor tollit timoremWo Geschichten leben. Entdecke jetzt