*47* / der Schock

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*mal wieder Wochen später* -> Triggerwarnung!! spreche das Thema Suizidalität mal wieder an

Es sind nur noch offiziell sieben Wochen bis zum errechneten Termin und ich bin grade mit den zukünftigen Paten unseres kleinen Mädchens, Miri und Marco sowie Julian, Dustin, Jacky, Julia und Phil in der Stadt zum Shoppen unterwegs. Flori hat leider Tagdienst und so das gemeinsame Mittagessen verpasst. Es war wie immer mega aber mit Baby im Bauch ist die Möglichkeit den Magen zu füllen nicht mehr ganz so extrem. Eher bekomme ich Magenschmerzen oder muss erbrechen. Also hieß es für mich kontrolliert zu essen. Jedenfalls haben wir das Essen hinter uns gebracht und sind grade aus dem Rewe raus in dem wir einen Zwischenstopp einlegen mussten. Julia meint ich trinke zu wenig und so musste ich mir Wasser kaufen. Ich sag ja hab mal Ärzte und Sanis als Freunde. Voll anstrengend aber ich liebe sie abgöttisch.
<Mädels wir machen einen Abstecher zu Jack & Jones.> meint Phil aus dem Nichts und zieht Dustin und Julian sofort mit sich. Mir persönlich reicht es ja wenn ich die Pullis und Shirts von Flo klaue. Der kauft auch gerne in dem Laden ein (Mädels bin ich die Einzige die auf diese Pullis steht???). Da ich aber auch nicht mit rein möchte stelle ich mich mit an den Rand und beobachte Menschen. Langsam wird Baby Wehr Nummer 2 ziemlich schwer und mein Rücken mag auch nicht mehr so ganz. Wir haben zwar vermutlich schon einen Namen für die Kleine, verraten ihn aber wieder nicht falls wir uns doch spontan noch umentscheiden sollten. Man weiss ja nie.
Während wir die Menschen in der Fußgängerzone beobachten BAK-en (beobachten, analysieren und kritisieren) lege ich sanft meine Hände auf den Bauch. Madame hat grade Turnstunde und langsam wird der Platz doch immer geringer. Laut aktuellem Kopfumfang wird sie bei der Geburt aber kleiner und leichter als Levin sein. Beruhigt mich ja schon so ein kleines bisschen. Bin eh noch nicht komplett motiviert dafür. <Was ist los Em?> fragt Jacky irgendwann wie aus dem Nichts und ich schrecke zusammen. War grade in einer gedanklichen Kommunikation mit meiner Tochter und total abwesend mit meinen Gedanken. <Madamski Wehr turnt nur und ich probiere es mit beruhigender Gedankenübertragung.> antworte ich dann lachend und Julia murmelt neben mir etwas was zustimmend klingt. Dass ich mich aber emotional etwas komisch fühle verschweige ich den Beiden allerdings. Es würde die Situation nur anstrengender machen denn Julia ist seit meinem kleinen fehlgeschlagenen Ausflug übervorsichtig mit mir.
Die Jungs kommen wieder aus dem Laden raus und Dustin ist voll bepackt. Wie hat er das jetzt alles so schnell gefunden und anprobiert? Oder vertraut er einfach darauf, dass es gut sitzen wird? Naja egal. Er grinst zufrieden und wir gehen weiter während die Jungs uns von ihrer Ausbeute erzählen. Schnell sind wir beim nächsten DM angekommen und sind uns mal komplett einig. Lachend betreten wir den zum Glück recht leeren Laden und ich schnappe mir einen Einkaufswagen. Ich fahre morgen mit Flo in den Babymarkt da wir eh die Möbel holen und das meiste werde ich dort noch mitnehmen. Trotz allem hole ich hier schonmal ein paar hübsche Fläschchen. Brauche eh noch ein paar Fruchtriegel und Quetschies für Levin und den Stracciatella Brei zum selber Anrühren für mich. Beste Erfindung ever. Lachend, da Phil grade eine mega lustige Geschichte erzählt laufen wir durch das Geschäft und jeder nimmt sich nach und nach seine Sachen mit. Natürlich ist das was ich brauche ganz unten und ich lege meinen Kopf direkt schon grinsend auf die Schulter von Dustin. <DUUUSSSTTIIINN?> frage ich grinsend und sehe ihn mit meinen Bambi Augen an. <Welche Sorten und wie viel?> antwortet er sofort und lacht auf. Er kniet sich davor und wirft das was ich ihm ansage für mich in den Einkaufswagen.
Als wir Alles haben begeben wir uns zu den Kassen und mein Einkauf ist nichts der Teuerste. Julian schafft es noch mich um 20 Euro zu überbieten. Als ich dann aber grade mit dem Einpacken fertig bin klingelt mein Handy und umständig ziehe ich es aus meiner Hosentasche. Wieso zum Geier ruft Mareike mich an? Schnell verlasse ich den Laden und stelle mich seitlich des Eingangs hin.

E: Ja bitte?
M *weinend* Emilia ich kann das Alles nicht mehr und werde weggehen. Pass auf meine Schätze auf.
E: Reike was kannst du nicht mehr? Wohin gehst du denn dann? Ohne die Kinder?

Ich bin mehr als verwirrt. Nach ihrer Therapie war sie auf einem sehr sehr guten Weg und ich verstehe die Welt grade nicht mehr. Vor lauter Schreck hämmert mir der Kopf und ich lehne mich an die Wand hinter mir.

M: Er fehlt mir zu sehr. Ich kann und will ohne ihn nicht leben.
E: Mareike?? Wenn du das vor hast was ich nach deiner Aussage denke was du vor hast gib mir bitte einen Moment.
M: Es ist zu spät.. Ich werde schon bald an einem besseren Ort sein.

Sie legt auf und ich bin perplex. Hat sie mir grade ihren Freitod angekündigt? Ich probiere es sofort mit der Wahlwiederholung doch werde sofort an die Mailbox weitergeleitet. Als nächstes probiere ich es bei meiner Mama. Wenn hat sie eventuell die Kiddies. Mama geht Gott sei dank auch direkt an ihr Handy.

M: Hallo mein Schatz.
E: *selber total verstört und zitternd* Mama sind Jana, Mo und Luci bei dir???
M: Noch nicht komplett aber gleich wieso? Mareike hat mich gefragt ob ich die Kinder heute nehmen könnte. Sie fühlt sich nicht gut.
E: Hast du nachgefragt wieso?
M: Nein... Verdammt Emilia sag mir was los ist?

In der Zwischenzeit sind Julia und Dustin schon weider aus dem Laden raus und schauen mich verwirrt an. Vermutlich hat die weiße Wand hinter mir grade mehr Farbe als mein Gesicht.

E: Weil sie mich eben angerufen hat und meinte ich solle auf die Kids aufpassen.. Ich mache mir Sorgen dass sie den letzten Weg wählt.
M: *aber nicht zu mir* Markus!?!?! MAAARRKKUUUSSSS!!!! Wir müssen sofort zu der Wohnung von Mareike.
E: Mama ich weiss nicht einmal ob sie da ist. Ich meine das wäre doch viel zu einfach oder?
M: Aber irgendwas müssen wir doch machen!?

Ich reibe mir über die Stirn und denke nach. Dann kommt mir der Einfall. Im Hintergrund konnte ich vorhin eine Bahnhofdurchsage hören.

E: Mama sie ist nicht daheim.. Sie ist am Bahnhof. Der nächste Zug hat Verspätung.
M: Bist du dir sicher Emilia?
E: Nicht 1000% aber ziemlich.
M: Okey. Schatz wir rufen die Polizei und kümmern uns. Bist du alleine?
E: Nein ich bin unterwegs... Mama ruf mich sofort an wenn du was Neues weisst!
M: Mache ich.. Wir kümmern uns drum.

Sie legt auf und ich halte mein Handy wie eingefroren noch eine Zeit am Ohr. Mittlerweile werde ich von der gesamten Truppe angesehen und habe echt das Bedürfnis mein Mittagessen zu verabschieden. Okey reiß dich zusammen Emilia. Du kannst das. Das Gefühl hatte aber mal wieder Recht...

Ich hoffe, dass ist nicht zu stressig für euren Puls.. um noch fieser zu werden: habe mich noch nicht entschieden was geschehen wird.
Ihr wisst mittlerweile, dass ich viel dafür tun möchte um auf psychische Erkrankungen und ihre Folgen aufmerksam zu machen. Ich möchte auch nicht viel dazu sagen außer: nehmt Androhungen bitte ernst und redet sie nicht runter. sucht euch Hilfe. vielleicht habt ihr an eurer Schule ja besser Vertrauenslehrer als ich damals. schweigt nicht. das tut euch auch nicht gut. versucht wenn möglich für die Person da zu sein auch wenn sie euch garantiert wegstoßen wird. auch hier solltet ihr aber den Eigenschutz beachten. nicht nur körperlich sondern mental. suizidale Gedanken kommen oft in Schüben und vergehen oft auch. wenn es gar nicht mehr geht ist es auch okey die Rettung oder die Polizei zu informieren. nicht jeder schafft es alleine aus den gedanken wieder raus und braucht vielleicht wirklich hilfe. selbst die Androhung ist ein Hilferuf.
ich wünsche niemandem, dass er jemals den Suizid von einer geliebten Person miterleben muss.

RIP an alle Engel die ihren Weg zurück nach Hause fanden.

Ex hoc momento pendet aeternitas - Amor tollit timoremWo Geschichten leben. Entdecke jetzt