"Hiermit erkläre ich Sie zu Mann und Frau..."

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You look so wonderful in your dress

I love your hair like that

The way it falls on the side of your neck

Down your shoulders and back

We are surrounded by all of these lies

And people who talk too much

You got the kind of look in your eyes

As if no one knows anything but us

Should this be the last thing I see

I want you to know it's enough for me

'Cause all that you are is all that I'll ever need

I'm so in love, so in love…

- Ed Sheeran 

LIAMS SICHT:

Es gab viele Dinge, die ich an Frauen niemals verstehen würde. Unter anderem war es mir ein Rätsel, weshalb sie zu glauben schienen, dass sie stundenlang im Bad verbringen mussten, um hinterher gut auszusehen. In Wahrheit waren sie immer wunderschön. Besonders in Momenten, in denen sie überhaupt keine Gedanken an ihr Aussehen verschwendeten. Doch egal wie oft ich Mia das schon gesagt hatte, sie würde ihre Meinung wohl niemals ändern. 

Ich warf einen kurzen Blick auf meine Uhr. In zehn Minuten sollten wir uns spätestens auf den Weg machen. Und noch immer war Mia im Bad verschwunden. Ich hingegen war bereits seit gut einer Stunde bereit zum Aufbruch. Seufzend stand ich auf und klopfte an die Badezimmertür. „Mia? Bist du gleich soweit?“ - „Ja, nur noch eine Minute!“, kam ihre Antwort augenblicklich zurück. Lächelnd schüttelte ich den Kopf. Frauen.

Etwa acht Minuten später hörte ich, wie sich die Tür öffnete. Ich wandte meinen Blick vom Ausblick aus dem Fenster ab und drehte mich um. Im nächsten Moment klappte mein Kinnlade buchstäblich herunter. Natürlich wusste ich, dass Mia ein ausgesprochen schönes Mädchen war. Egal zu welcher Tageszeit, egal wie viel oder wenig Aufwand sie in ihr Aussehen steckte, sie sah immer gut aus. Doch in diesem Moment gab sie dem Wort ‚Schönheit‘ eine völlig neue Bedeutung. Sie trug ein roségoldenes Kleid, welches ihr etwa bis zur Mitte der Oberschenkel ging. Ihre leicht gewellten Haare hingen ihr über die Schultern, waren jedoch an den Seiten hochgesteckt, sodass ihr Gesicht komplett frei lag. Durch meine älteren Schwestern wusste ich genug über Make-Up, um zu erkennen, dass Mia kaum welches benutzt hatte. Und dennoch war es ihr gelungen, ihre Augen komplett in den Mittelpunkt zu stellen. Sie wirkten größer als sonst und schienen förmlich zu strahlen. Ihre Lippen formten ein fast schon schüchternes Lächeln. Mir fiel auf, dass mein Mund noch immer sperrangelweit offen stand, weshalb ich ihn schnell schloss. Dann schluckte ich den Kloß hinunter, der sich in meinem Hals gebildet hatte. Alles was ich in diesem Moment tun wollte war, den Raum zu durchqueren und meine Lippen auf ihre zu legen. Doch stattdessen blieb ich stehen wo ich war. Bewegte mich nicht. Sagte kein Wort. 

Schließlich war es Mia, die die Stille unterbrach. „Wollen wir los?“, fragte sie leise und machte eine Kopfbewegung in Richtung Tür. Stumm nickte ich. Wieder lächelte Mia, als würde sie sich über irgendetwas unglaublich amüsieren.

MIAS SICHT:

Lächelnd wandte ich meinen Blick von Liam ab und ging die wenigen Schritte zur Tür. Es war mehr als offensichtlich, dass Liam mein heutiges Aussehen gefiel. Obwohl er noch immer nichts gesagt hatte, waren seine Blicke aussagekräftig genug. Und genau diese Blicke stärkten mein Selbstbewusstsein enorm. Ich öffnete sie Tür und hielt sie dann für Liam auf. Er trat schweigend neben mich. Liams Mund öffnete sich, als wolle er etwas sagen, doch dann schloss er ihn wieder. Noch immer wirkte er sonderbar fasziniert. Während er unser Zimmer zuschloss, ging ich schon ein paar langsame Schritte den Flur entlang. 

„Mia, warte.“ Ich blieb stehen und drehte mich zu ihm um. Ein durch und durch aufrichtiges Lächeln zierte sein Gesicht. „Du siehst wunderschön aus.“ Seine Stimme war rauer als normalerweise. Ohne Zögern erwiderte ich sein Lächeln. „Danke Liam. Du kannst dich aber auch sehen lassen.“ Und das stimmte. Zwar besaß Liam das Talent, in einfach jeder Situation gut auszusehen, aber der schwarze Smoking setzte dem Ganzen noch eine Krone auf. Grinsend kam Liam auf mich zu und griff wie selbstverständlich nach meiner Hand. „Das wird Sarah nicht daran hindern mich umzubringen, wenn wir zu spät zu ihrer Hochzeit kommen.“

Die Kirche war nicht weit vom Hotel entfernt, sodass wir den Weg zu Fuß bewältigten. Unterwegs trafen wir einige Leute, die ähnlich festlich gekleidet waren wie wir. Ich stellte fest, dass manche von ihnen, Liam und mir äußerst interessierte Blicke zu warfen. Obwohl viele von den Hochzeitsgästen Liam vermutlich von früher kannten, war er dennoch weltberühmt und demnach alles andere als uninteressant. Liam hatte meine Hand losgelassen, sobald wir den ersten anderen Gästen begegnet waren, ging jedoch noch immer sehr eng neben mir. Alle paar Sekunden streiften unsere Arme sich und jedes Mal löste die Berührung eine Gänsehaut bei mir aus. 

Wir nahmen in einer der hinteren Reihen Platz, da fast alle sonstigen Plätze bereits besetzt waren. Es waren viele Gäste in Liams Alter anwesend, vermutlich Freunde von Sarah und Tom. Doch die ersten Reihen waren belegt von Menschen aus allen möglichen Generationen, vermutlich die zwei Familien, die in nur wenigen Minuten zu Einer werden würden. 

Von Sarah war selbstverständlich noch nichts zu sehen, doch nach nur einem Blick in Richtung Altar wusste ich, wer von den dort stehenden Männern der Bräutigam war. Auch von hier hinten konnte ich erkennen, wie aufgeregt und nervös er war. Es schien ihm schwerzufallen still zu stehen. Immer wieder verlagerte er sein Gewicht von einem Bein auf das andere. Bis er sich auf einmal überhaupt nicht mehr bewegte. Wie versteinert stand er neben seinem Trauzeugen. Ich sah über meine Schulter, um die Ursache herauszufinden. Offenbar befanden sich nun alle Gäste in der Kirche, denn soeben hatte jemand die Tür geschlossen. Innerhalb weniger Sekunden kehrte absolute Stille ein. Und dann erklangen die ersten Orgeltöne. Die Tür öffnete sich wieder und herein trat Sarah. Sie sah atemberaubend aus. An ihrer Seite ging ein Mann mittleren Alters, vermutlich ihr Vater. Während die Augen aller Gäste gebannt auf Sarah lagen, die nun langsam in Richtung Altar ging, sah ich zu Tom. Der Ausdruck auf seinem Gesicht war unbeschreiblich. Voller Stolz, voller Liebe sah er seiner zukünftigen Frau entgegen. Sobald Sarah ihn erreichte, legte ihr Vater ihre Hand in die von Tom. Die Trauungszeremonie begann.

In meinem Leben hatte ich noch nicht viele Hochzeiten besucht. Dennoch wusste ich, dass diese hier eine der schönsten war, die ich jemals erleben würde. Selten hatte ich ein Liebespaar gesehen, dass sich derart offensichtlich über alles andere liebte. Für einen winzigen Augenblick fragte ich mich, ob Liam und ich auch eines Tages an ihrer Stelle stehen würden. Aber ich wusste, dass wir davon weit entfernt waren. Als Tom Sarah ihren Ring ansteckte spürte ich, wie eine Träne langsam meine Wange hinunter lief. Schnell wischte ich sie unauffällig weg. Doch aus dem Augenwinkel sah ich, dass Liams Blick nicht mehr auf dem frisch vermählten Ehepaar lag. Aus Angst weitere Tränen zu vergießen, sah ich stur geradeaus. In dem Moment, in dem Tom und Sarah sich zum ersten Mal als Mann und Frau küssten, griff Liam nach meiner Hand und drückte sie. Und genau das war der Moment, in dem ich wusste, dass ich ihn nie wieder gehen lassen würde. 

Don't let me go..Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt