Unerwartet

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Am Abend stand das nächste Konzert der Jungs auf dem Programm und natürlich kam ich dieses Mal wieder mit zum Stadion. Wie immer legten alle fünf eine super Show hin und begeisterten alle 60.000 anwesenden Fans. Dementsprechend gut war die Stimmung auch nach dem Konzert auf dem Rückweg zum Hotel.

„Also Leute, wer ist heute Abend beim Feiern dabei?“, fragte Louis in die Runde. Grinsend verdrehte ich die Augen. Anscheinend brauchten manche Menschen überhaupt keinen Schlaf. Liam saß neben mir und spielte abwesend mit den Fingern meiner linken Hand. „Gehst du mit?“, fragte ich leise, sodass die anderen uns nicht hörten. Doch die unterhielten sich sowieso schon wieder über irgendetwas anderes und schenkten uns keinerlei Aufmerksamkeit. Liam zuckte mit den Schultern. „Ich denk schon. Du auch?“ Eigentlich wäre ich sehr viel lieber im Hotel geblieben, doch ich wollte unbedingt Zeit mit Liam verbringen. Also nickte ich. „Wenn du gehst, geh ich auch. Aber kein Alkohol für mich.“ Grinsend schüttelte er den Kopf. „Vermutlich eine gute Idee.“

Ein paar Stunden später betraten wir alle gemeinsam einen sehr edel und teuer aussehenden Club. Von einer knapp begleiteten Bedienung wurden wir in einen etwas abgelegenen privaten Bereich gebracht. Während die anderen der Reihe nach Getränke bestellten, lehnte ich dankend ab. Auch Liam bestellte nichts. „Warum trinkst du nichts?“, fragte ich ihn verwundert. „Warum sollte ich?“ Mit hochgezogenen Augenbrauen sah er mich an. „Naja, ich dachte du wärst… auf den Geschmack gekommen, in den letzten Monaten.“ – „Ich trinke ab und zu, ja. Aber jetzt gerade möchte ich einfach nur einen schönen Abend haben, an den ich mich auch erinnern kann.“, entgegnete er schulterzuckend. „Dann lass uns diesen Abend unvergesslich machen.“, sagte ich, stand auf und griff nach Liams Hand. Die Verwirrung war ihm deutlich anzusehen, aber trotzdem folgte er mir in Richtung Tanzfläche.

Diese war mehr als gut gefüllt. Der Boden schien zu beben, durch die vielen Menschen, die sich im Takt zur Musik bewegten. Erst als wir mitten in der Menge waren, drehte ich mich zu Liam um. Grinsend begann er zu tanzen und auch ich bewegte mich, wenn auch etwas unsicher, im Einklang mit der Masse. Doch ziemlich schnell realisierte ich, dass es sowieso niemanden interessierte was ich tat, wodurch ich automatisch mutiger wurde. Mein Körper schien eins zu werden mit der Musik, sodass ich meine Bewegungen nicht einmal mehr überdenken musste. Durch die vielen Menschen um uns herum, waren Liam und ich uns näher, als ich ursprünglich beabsichtigt hatte. Obwohl ich seinem Blick beharrlich auswich, konnte ich die elektrische Spannung spüren, die sich langsam aber sicher zwischen uns aufbaute.

Auf einmal stolperte jemand von hinten gegen Liam, woraufhin dieser einen Schritt nach vorne machte und frontal mit mir zusammen stieß. Schwankend versuchte ich mein Gleichgewicht zu halten. Gerade noch rechtzeitig hielt Liam mich an den Armen fest. Ich hob meinen Blick, um mich bei ihm zu bedanken, doch kein einziges Wort kam über meine Lippen. Sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von meinem entfernt, unsere Körper praktisch aneinander gepresst. Er sah zu mir hinunter, seine Augen brannten sich förmlich in meine und ließen all die Menschen um uns herum verschwinden. Es war, als gäbe es nur noch uns beide. Langsam näherten sich unsere Gesichter, doch unsere Lippen berührten sich nicht. Nur wenige Millimeter trennten uns voneinander. Ich schloss meine Augen und bereitete mich innerlich auf das vor, was zweifellos passieren würde. Eine gefühlte Ewigkeit schienen wir in dieser Position zu verharren. Unsere Nasen streiften sich und ich konnte seine unregelmäßigen Atemzüge spüren. Ohne groß darüber nachzudenken, öffnete ich meine Augen. Und begegnete Liams Blick. Ich sah das gleiche, brennende Verlangen, das auch in mir loderte. In diesem Moment schien die Zeit stillzustehen. Und dann lagen seine Lippen auf meinen, verschmolzen mit ihnen, ließen mir keinen Raum zum Atmen. Aber das war sowieso eine Tätigkeit, die überbewertet wurde.

Zu meiner Enttäuschung löste Liam sich bereits nach wenigen Minuten wieder von mir. Dennoch ließ er mich nicht aus den Augen. „Komm mit.“, murmelte er, gerade so laut, dass ich ihn verstehen konnte. Er nahm meine Hand und zog mich aus der tanzenden Menge hinaus. Ich nahm kaum wahr wohin er mich führte. Erst als er schließlich stehen blieb, erkannte ich, dass wir zurück im privaten Bereich waren. Und dass sonst niemand hier war. Im nächsten Augenblick küsste Liam mich erneut, genauso leidenschaftlich wie kurz zuvor auf der Tanzfläche. Doch schon wenig später fuhren wir wieder auseinander. „Uups, tut mir leid.“, sagte Niall, der soeben in den Raum gekommen war. Er sah grinsend zwischen mir und Liam hin und her. Sofort spürte ich, wie mir die Röte ins Gesicht schoss. „Ich hol kurz was zu trinken, möchtest du auch was?“, fragte Liam. Es dauerte eine Weile bis ich realisiert, dass er mit mir redete. „Oh ja, gerne. Wasser.“ Lächelnd nickte er und verließ den Raum. Jetzt war ich mit Niall allein, der mich noch immer breit angrinste. „Ihr habt also alles geklärt?“, fragte er und ließ sich auf das breite Sofa fallen. Zögernd nickte ich und setzte mich ebenfalls. „Könnte man so sagen.“ – „Ich find es gut, dass du ihm noch eine Chance gibst. Das mit Danielle war schon hart, aber zu der Zeit war er einfach nicht er selbst…“ Verwirrt hob ich die Augenbrauen. „Danielle? Die Sache ist doch schon ewig her.“ Niall zuckte mit den Schultern und nahm einen Schluck aus seinem Glas. „Stimmt, ein paar Monate ist es her. Liam meinte nur die ganze Zeit, dass du ihm das niemals verzeihen würdest und all sowas. Aber offensichtlich hat er sich da geirrt.“ Okay. Irgendetwas lief hier gerade komplett falsch. Wovon zur Hölle redete Niall? „Ein paar Monate? Was genau meinst du?“ Niall runzelte die Stirn. „Na, du weißt schon. Die Sache im Club, als die beiden sich wieder getroffen haben.“ Auch ohne einen Spiegel vor Augen zu haben wusste ich, dass ich kreidebleich war. Denn auf einmal machten Nialls Worte einen Sinn.

 „Ich wusste, dass der Liam den ich kannte, so etwas niemals tun würde. Aber ich weiß auch, dass dieser Liam nicht mehr existiert.“ – „So ein Blödsinn!“ Er klang mittlerweile ziemlich wütend. „Achja? Du gehst also nicht jedes Wochenende feiern, betrinkst dich, hast angefangen zu rauchen, lässt dich auf wildfremde Frauen ein?“ Für einen kurzen Moment wirkte Liam zu erstaunt, um zu antworten. Dann seufzte er und schüttelte den Kopf. „Doch. Zumindest teilweise. Das mit den Frauen ist allerdings absoluter Schwachsinn. Seit unserer Trennung habe ich eine andere Frau geküsst. Und alles woran ich dabei denken konnte, warst du. Und wie viel besser es sich anfühlt, dich zu küssen. Nach ein paar Sekunden habe ich es nicht mehr ausgehalten und bin buchstäblich weggelaufen.“

Liam hatte nicht irgendeine wildfremde Frau geküsst. Er hatte Danielle geküsst.

„Ich… ich muss gehen.“, murmelte ich und stand auf. Auch Niall erhob sich und sah mich erschrocken an. „Du wusstest es nicht? Er hat es dir nicht gesagt?“ Ich antwortete ihm nicht, aber ich war mir sicher, dass er sich diese Fragen auch selbst beantworten konnte. Ohne ein weiteres Wort drehte ich mich um und lief zur Tür. „Mia, ich wollte nicht-“ Mehr hörte ich nicht. Denn die Tür war bereits hinter mir zugefallen. 

Don't let me go..Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt