Kommunikationsprobleme

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Ich wachte zu einem regelmäßigen Piepton auf. Mit geschlossenen Augen lauschte ich dem Geräusch. Von weiter weg waren leise Stimmen zu hören, doch ich konnte nicht ausmachen, wer sprach und was sie sagten. Leicht verzögert kehrte auch mein Tastsinn zurück. Ich spürte, dass jemand meine Hand hielt. Gleichzeitig fiel mir ein stechender Schmerz auf, der bei jedem Atemzug meinen Brustkörper durchzog. Meine Augenlieder flatterten etwas, bevor ich sie vollständig öffnen konnte. Die Lampen im Zimmer war gedämmt, durch die gestreiften Vorhänge drang kein Licht herein. Die Wände waren weiß und kahl. Ich hob meinen Kopf ein kleines Stück an, um mich besser umsehen zu können. An der gegenüberliegenden Wand stand ein schlichter Holzschrank und neben mir standen einige Geräte, die offenbar meinen Herzschlag und sonstige Körperfunktionen aufzeichneten und kontrollierten. Auf der anderen Seite meines Bettes stand ein Stuhl, auf dem Liam mit geschlossenen Augen saß. Er war derjenige, der meine Hand hielt. Trotz meiner anhaltenden Schmerzen, musste ich lächeln. Ich wusste nicht, wie spät es war, aber es sah so aus, als benötigte Liam den Schlaf. Möglichst ohne viele Geräusche zu machen, ließ ich meinen Kopf wieder auf das Kissen sinken. Anscheinend spürte Liam aber die Bewegung meiner Hand. Er seufzte und öffnete für einen kurzen Moment die Augen, bevor sie ihm direkt wieder zu fielen. Dann riss er sie abrupt wieder auf und beugte sie zu mir vor. „Mia! Kannst du mich hören?" Die Besorgnis in seiner Stimme verringerte meinen Schmerz nicht. Ganz im Gegenteil. „Klar kann ich dich hören.", beruhigte ich ihn lächelnd. Liam atmete hörbar aus und drückte seine Lippen auf meinen Handrücken. „Gott sei Dank. Ich habe mir solche Sorgen gemacht. Wie fühlst du dich?" Ich versuchte mit den Schultern zu zucken, doch im Liegen gestaltete sich das etwas schwierig. „Mein Kopf tut etwas weh und wenn ich atme..." Mir fielen keine passenden Worte ein, um den Schmerz zu beschreiben. Was vielleicht gar nicht so schlecht war, denn Liam wirkte aufgewühlt genug. Als hätte er selbst Schmerzen, verzog er das Gesicht. „Das müssen die Rippen sein.", murmelte er. Ich runzelte die Stirn. „Die Rippen?" - „Gebrochen. Mindestens zwei. Ein paar weitere geprellt." Jetzt wo ich den Schmerz zuordnen konnte, war er auf einmal viel besser zu fassen und überrollte mich nicht bei jedem Atemzug von Neuem. Liam rückte mit dem Stuhl näher an mein Bett heran. „Was ist passiert, Mia? Wer hat dir das angetan?" Ich holte tief Luft und atmete vorsichtig wieder aus. Mit geschlossenen Augen schüttelte ich den Kopf. „Ich weiß es nicht.", flüsterte ich wahrheitsgemäß. „Aber es war kein Zufall.", stellte Liam fest. Obwohl es offensichtlich keine Frage war, schüttelte ich den Kopf. „Nein, es war kein Zufall." - „Bitte sag mir alles,was du weißt. Alles woran du dich erinnerst." Ich presste meine Lippen fest zusammen. Natürlich wollte ich nicht, dass er die Wahrheit erfuhr. Er würde sie unvorstellbare Vorwürfe machen, dessen war ich mir sicher. Aber ich musste es ihm sagen.

„Ich habe eine Vermutung.", teilte ich ihm zögerlich mit. „Auf halbem Weg zum Hotel habe ich ein Video geschickt bekommen. Jemand hatte aufgenommen, wie ich das Studio verlassen habe. Ich glaube diejenigen, die das Video gemacht haben, sind mir zum Hotel gefolgt." Liam sah mich mit gerunzelter Stirn an. „Ein Video? Wie wurde dir das geschickt? Per E-Mail? Von wem?" Die Vielzahl seiner Fragen überforderte mich für einen kurzen Moment. Doch schon bald hatte ich mich wieder gefasst. „Nein, per MMS oder so, ich weiß es nicht. Die Nummer war blockiert." Stöhnend vergrub Liam sein Gesicht in den Händen. Als er wieder aufsah, wirkte er schockiert und weiterhin äußerst besorgt. „Das war das erste Mal, dass jemand dich über deine Handynummer kontaktiert hat, oder?" Schuldbewusst wandte ich meinen Blick ab. „Mia?" Liams Stimme zitterte. „Sag mir, dass das das erste Mal war." Ich spürte, wie sich die Tränen in meinen Augen sammelten. Offenbar war mein Schweigen Antwort genug. Ruckartig stand Liam auf und schob seinen Stuhl zurück. Er verschränkte die Hände hinter seinem Kopf und drehte mir den Rücken zu. Ich ahnte, dass es besser war, wenn ich erst einmal nichts sagte. Fast eine Minute lang verharrte Liam in dieser Position. Dann drehte er sich wieder um und setzte sich zurück auf den Stuhl. Nach meiner Hand griff er jedoch nicht erneut. „Erzähl mir was passiert ist. Von Anfang an." Er klang nicht so, als würde er ein ‚Nein' als Antwort akzeptieren. Wiederstreben begann ich zu erzählen. Von den Briefen, von den Nachrichten, den Drohungen. Liam hörte mir aufmerksam zu. Dabei verengten seine Augen sich immer mehr, bis sie nur noch schmale Schlitze waren. Sobald ich verstummte, schloss er seine Augen komplett. „Du hättest es mir sagen müssen. Direkt." Ein Hauch von Wut klang in seiner Stimme mit. „Wieso hast du es mir nicht gesagt?", fragte er dann und warf mir einen verzweifelten Blick zu. Ich musste den Kloß in meinem Hals hinunter schlucken, bevor ich ihm antworten konnte. „Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst.", murmelte ich leise. Liam schüttelte schnaubend den Kopf. „Und was genau wolltest du stattdessen? Dachtest du, dass hört irgendwann auf einmal auf? Mit derartigen Drohungen ist nicht zu spaßen, Mia!" - „Ich weiß.", entgegnete ich und spürte, wie mir eine Träne die Wange hinunter lief. „Aber du warst eh schon so übervorsichtig. Ich durfte ja nicht einmal alleine nach Hause fahren. Wenn ich dann auch noch-" - „Ja, ich war vorsichtig.", unterbrach Liam mich aufgebracht. „Weißt du auch wieso? Weil im Internet schon vor Wochen Drohungen aufgetaucht sind. Zuerst habe ich das auch nicht ernst genommen, aber Harry hat von Anfang an befürchtet, dass da mehr hinter steckt. Ich habe seinen Rat befolgt und dich so gut es ging im Auge behalten. Offensichtlich nicht gut genug." Entgeistert starrte ich Liam an. „Wieso hast du mir das nicht gesagt?" Von einem spöttischen Lächeln begleitet, hob er die Augenbrauen. „Weil ich nicht wollte, dass du dir unnötige Sorgen machst." Ich konnte mir ein schwaches Lächeln nicht verkneifen. „Das mit der Kommunikation funktioniert wohl doch noch nicht so gut." Liam schüttelte den Kopf. „Nein, offensichtlich nicht." Dann schien ihm eine Idee zu kommen. „Hast du die Nachrichten alle noch?" - „Nur die letzte. Die anderen habe ich gelöscht." Stöhnend lehnte Liam sich im Stuhl zurück. „Wieso das denn? Wie sollen wir jetzt beweisen, dass alle Nachrichten vom gleichen Absender stammen?" - „Die Nummer war sowieso immer blockiert.", rechtfertigte ich mich, woraufhin Liam die Augen verdrehte. „Unser Management mag zwar seltsame Wertvorstellungen haben, aber ein gutes IT-Team gibt es durchaus. Blockiert oder nicht, die finden schnell raus, von wem das Video stammt." Erleichtert schloss ich die Augen. „Wir werden die Leute finden, die dir das angetan haben.", versicherte Liam mir. Nach einer kurzen Pause fragte er: „Meinst du, du würdest sie wieder erkennen?" Ich zögerte, nickte dann jedoch. „Kann gut sein." Ein halbwegs zufriedenes Lächeln erschien auf Liams Gesicht. „Gut." Er beugte sich wieder zu mir vor. „Und Mia, bitte versprich mir, dass du mir solche Dinge von nun an immer sofort erzählst. Sonst kann ich dich nicht beschützen." Ich erwiderte sein Lächeln so überzeugend wie möglich und nickte. Ich brachte es einfach nicht über mein Herz, ihm zu sagen, dass er mich in Zukunft nicht mehr würde beschützen brauchen. 

Don't let me go..Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt