Ankunft

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„Als was genau gehen wir eigentlich zu dieser Hochzeit?“, fragte ich Liam, nachdem wir bereits eine gute halbe Stunde unterwegs waren. Laut Liam würde es auch noch einige Zeit dauern, bis wir unser Ziel erreichten. Von der Seite sah ich, wie er die Stirn runzelte. „Als was wir gehen? Wie meinst du das?“ - „Naja, hast du vor, mich als deine Freundin vorzustellen? Oder bin ich eher so etwas wie eine entfernte Cousine?“ Liams Gesichtsausdruck entspannte sich. „Ich hoffe doch sehr stark, dass du das nicht bist.“, sagte er lächelnd. Doch sobald er fortfuhr, wurde das Lächeln schwächer. „Ehrlich gesagt habe ich mir darüber noch überhaupt keine Gedanken gemacht. Rein theoretisch gesehen, bist du ja nicht mehr meine Freundin. Ich könnte sagen, dass wir einfach… gute Freunde sind.“, schlug er vor und sah mich kurz fragend an, bevor er seinen Blick wieder auf die Fahrbahn richtete. „Vermutlich die beste Idee.“, stimmte ich ihm zu. 

Irgendwo auf dem Weg musste ich eingeschlafen sein, denn als ich die Augen aufschlug, war es draußen bereits dunkel und der Wagen bewegte sich nicht mehr. Durch die Windschutzscheibe konnte ich die Umrisse eines Gebäudes erkennen, einige Fenster waren hell erleuchtet. „Du bist wach.“, stellte Liam fest. Sofort wandte ich meinen Blick in seine Richtung. „Wie lange sind wir schon hier?“, fragte ich verwirrt. Er zuckte mit den Schultern und warf einen Blick auf seine Uhr. „Nur ein paar Minuten. Ich wollte dich aufwecken, aber du… du sahst so friedlich aus, deshalb dachte ich, ich warte noch ein bisschen.“ Ein nervöses Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Ebenfalls lächelnd senkte ich meinen Blick. Liams Nervosität zeigte mir, wie ernst ihm diese ganze Angelegenheit war. „Wollen wir reingehen?“, fragte ich, um unser Schweigen zu durchbrechen. Sofort nickte Liam und öffnete seine Tür. Auch ich stieg aus und ging zum Kofferraum. Doch als ich nach meiner Tasche greifen wollte, schüttelte Liam demonstrativ den Kopf. „Kommt gar nicht in Frage.“, murmelte er und nahm sie mir aus der Hand. Obwohl er nun beide Taschen trug, schaffte er es irgendwie auch noch, den Kofferraum wieder zu schließen. 

Je mehr sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnte, desto mehr konnte ich auch erkennen. Außer dem Haus, dass ich bereits von Auto aus gesehen hatte, gab es noch einige weitere, die den Parkplatz zu umschließen schienen. Doch wir ging auf das größte Haus zu. Ich beschleunigte meine Schritte etwas, sodass ich die Tür vor Liam erreichte und sie ihm aufhalten konnte. Er bedankte sich grinsend und ging an mir vorbei zur Lobby. „Guten Abend und herzlich Willkommen in unserem Haus. Ihr Name bitte?“ - „Liam Payne.“, entgegnete er. Der Mann an der Rezeption fuhr mit dem Zeigefinger über eine Liste, die vor ihm lag. „Ah, Mr. Payne. Ein Einzelzimmer, richtig?“ Liam runzelte die Stirn. „Wäre es möglich, dass zu ändern? Könnten wir noch ein zweites Zimmer haben, oder wenigstens ein Doppelzimmer?“ Der Mann schüttelte den Kopf. „Nein, tut mir leid. Bedauerlicherweise sind wir komplett ausgebucht.“ Seufzend drehte Liam sich zu mir um. „Ist das okay für dich? Zur Not kann ich auch-“ Ich hob die Hand, um ihn zu unterbrechen. „Mach dir keinen Kopf, Liam. Es ist ja nicht so, als hätten wir noch nie zusammen in einem Bett geschlafen.“ - „Ja, aber-“, begann er, doch wieder unterbrach ich ihn. „Wir kriegen das schon hin.“, beruhigte ich ihn. Er nickte und drehte sich wieder um. „Alles klar, dann das Einzelzimmer.“ Der Mann reichte ihm einen Schlüssel. „Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende. Bei Fragen stehe ich Ihnen selbstverständlich jederzeit zur Verfügung.“ 

Unser Zimmer lag im Erdgeschoss, weshalb wir an der breiten Wendeltreppe vorbei und stattdessen einen recht schmalen Flur entlang gingen. „Wahrscheinlich hätte ich Sarah sagen sollen, dass wir zwei Zimmer brauchen… tut mir leid.“, murmelte Liam. Für einen Moment wollte ich ihm zum wiederholten Male versichern, dass es kein Problem sei, doch dann entschied ich mich dagegen. Denn etwas anderes hatte mein Interesse geweckt. „Sarah? Das ist die Braut, richtig?“ Ich konnte mich vage daran erinnern, ihren Namen schon einmal von ihm gehört zu haben. Liam nickte. „Ja. Wir waren jahrelang Nachbarn und sie gehört noch immer zu meinen besten Freunden. Unglaublich, dass sie morgen tatsächlich heiratet…“ Er warf einen Blick auf den Schlüssel in seiner Hand und deutete dann auf eine, ein paar Meter entfernte, Zimmertür. „Das müsste es sein.“, stellte er fest. „Und der Bräutigam? Bist du mit dem auch befreundet?“, fragte ich und folgte ihm zu unserem Zimmer. Er schloss die Tür auf und ließ mir dann den Vortritt. „Naja, ich kenn Tom nicht sonderlich gut, wir sind uns erst ein paar Mal begegnet, weil ich ja in den letzten Jahren ziemlich viel unterwegs war. Aber er ist ein netter Kerl.“, entgegnete Liam, während ich mich im Zimmer umsah. Es war größer als ich erwartet hatte. Größer, als ein reguläres Einzelzimmer. Neben einem Doppelbett gab es sogar noch ein Sofa, inklusive Couchtisch. „Perfekt.“, murmelte Liam und stellte unsere Taschen am Fuß des Bettes ab. „Du nimmst das Bett, ich das Sofa. Okay?“ Unsicher runzelte ich die Stirn. „Du kannst auch im Bett schlafen. Ich denke da ist genug Platz für uns beide.“ - „Ich glaube nicht, dass das so eine gute Idee ist.“ Er warf mir ein kurzes Lächeln zu und trug seine Tasche zum Sofa. „Und wieso nicht?“ Liam seufzte, bevor er sich wieder zu mir umdrehte. „Ich muss sagen, dein Verlangen nach meiner Nähe schmeichelt mir.“ Für einen kurzen Moment hoben sich seine Mundwinkel zu einem Grinsen, doch dann sanken sie wieder. „Aber Mia… ich möchte, dass das hier funktioniert. Unsere Beziehung. Und ich habe das Gefühl, wir kriegen das nur hin, wenn wir es dieses Mal langsamer angehen lassen… langsamer als in Südamerika.“ Eine Zeit lang sah ich ihn nur stumm an. Dann nickte ich langsam. „Okay. Aber sollte es dir da drüben doch zu ungemütlich werden…“ Ich machte eine einladende Geste in Richtung Bett. „Ich glaube das ist es mir wert.“, erwiderte Liam grinsend. 

„Möchtest du noch etwas essen?“, fragte er ein paar Minuten später. Nach kurzem Überlegen schüttelte ich den Kopf. „Nein, ich bin nicht mehr wirklich hungrig. Aber wenn du-“ Ein Klopfen an der Tür ließ mich mitten im Satz verstummen. Verwundert sah ich zu Liam, doch auch der zuckte ratlos mit den Schultern und ging dann zur Tür. Wenige Sekunden später war ein Freudenschrei zu hören. Ein junge Frau mit langen blonden Haaren schloss ihre Arme um Liam, welcher die Umarmung genauso innig erwiderte. Sofort spürte ich einen Hauch von Eifersucht. Natürlich wusste ich, dass dieses Gefühl absolut unbegründet war. Denn ich war mir ziemlich sicher, dass es sich bei der Frau in Liams Armen um die morgige Braut handelte. Nach einer gefühlten Ewigkeit, löste Liam sich aus der Umarmung und trat einen Schritt zurück. „Ich kann nicht glauben, dass du tatsächlich hier bist!“, stellte Sarah kopfschüttelnd fest. „Ich habe es dir versprochen.“, entgegnete Liam lächelnd und drehte sich zu mir um. „Sarah, ich würde dir gerne jemanden vorstellen.“ Doch bevor er oder ich genau das tun konnten, schlug Sarah sich eine Hand vor den Mund und sah mich mit geweiteten Augen an. Etwas überrumpelt erwiderte ich ihren Blick, unfähig irgendetwas zu sagen. Dann ließ sie die Hand wieder sinken. In ihrem Gesicht war ein Hauch von Faszination zu sehen. „Du bist das Flugzeug-Mädchen!“

Don't let me go..Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt