Die ganze Wahrheit

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LIAMS SICHT:

Ich musste nur einen Blick auf Nialls Gesicht werfen, um zu wissen, dass etwas nicht stimmte. „Was ist los, wo ist Mia?“, fragte ich und sah mich suchend im Raum um. Außer uns beiden war niemand hier. „Ich glaube sie ist gegangen.“ – „Gegangen? Wohin?“ Irritiert stellte ich die beiden Wasserflaschen auf einem der Tische ab. Niall wich meinem Blick aus und zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht, vielleicht zurück ins Hotel?“ Ich verschränkte die Arme und sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Was ist passiert, Niall?“ Er schwieg. Und das war kein gutes Zeichen. Denn Niall schwieg nie. „Ich dachte du hättest es ihr gesagt.“, murmelte er schließlich. „Wem soll ich was gesagt haben?“ So langsam verlor ich die Geduld. Niall seufzte und sah mich endlich an. „Mia. Die Sache mit Danielle.“

Vor meinen Augen wurde es schwarz. Gerade noch rechtzeitig konnte ich mich an der Wand abstützen, sonst wäre ich vermutlich umgekippt. „Du… du hast Mia davon erzählt?“ – „Nicht direkt. Ich hab es nebenbei erwähnt, weil ich dachte, dass sie davon weiß, aber dann hat sie nachgefragt und-“ Ich ließ ihn nicht ausreden. Stattdessen ging ich im Laufschritt an ihm vorbei und verließ den Raum. Zum Glück hatte ich Caro erst vor ein paar Minuten gesehen und fand sie somit ohne Probleme wieder. „Caro, weißt du wo Mia ist?“ Verwundert hob sie die Augenbrauen. „Nein. Also ich denke sie wollte zurück zum Hotel, sie hat nach meinem Zimmerschlüssel gefragt. Ist irgendetwas passiert?“ Stöhnend fuhr ich mir mit einer Hand durch die Haare. „Keine Sorge, ich regel das schon.“, murmelte ich und wartete ihre Antwort gar nicht erst ab.

Der Weg zum Hotel war nicht weit, trotzdem hoffte ich, dass Mia nichts passiert war. Immerhin kannte sie sich hier genauso wenig aus wie ich. Im Hotel angekommen warf ich einen kurzen Blick in mein Zimmer, doch schon vorher wusste ich, dass ich Mia dort nicht antreffen würde. Caros Zimmer lag am anderen Ende des menschenleeren Flurs. Ohne zu zögern klopfte ich an die Tür. Ich hatte keine Ahnung was ich Mia erzählen sollte, doch ich bezweifelte ohnehin, dass sie mir aufmachen würde. Tatsächlich rührte sich absolut nichts hinter der Tür. Erneut klopfte ich. „Mia, bitte mach auf. Ich kann es dir erklären.“ Wie ich das anstellen sollte, wusste ich nicht, aber das war momentan nebensächlich. „Lass mich einfach in Ruhe.“ Sie stand direkt hinter der Tür, daran bestand kein Zweifel. „Bitte. Lass uns darüber reden.“ Keine Antwort. „Deshalb warst du doch so sauer auf mich. Weil ich nicht mit dir geredet habe. Bitte mach jetzt nicht das gleiche.“ – „Ich glaube kaum, dass man das vergleichen kann.“, murmelte Mia, doch zu meiner Überraschung öffnete sie langsam die Tür.

MIAS SICHT:

Es war schwer, irgendwelche Emotionen von seinem Gesicht abzulesen. Aber ich glaubte so etwas wie Angst zu erkennen. „Warum hast du es mir nicht gesagt?“ – „Ich weiß, was du von Danielle hältst. Und ich hatte Angst, dass du mir nicht verzeihen würdest, wenn du davon wüsstest.“ Irritiert schüttelte ich den Kopf. „Dachtest du, ich würde es niemals erfahren?“ Liam zuckte hilflos mit den Schultern. „Ich habe es gehofft.“

„Wieso Danielle? Es gibt so viele Menschen auf dieser Welt. Warum ausgerechnet sie?“ Auf einmal verhärtete sich sein Gesichtsausdruck. „Es ist ja nicht so, als seist du nicht geradewegs zurück zu deinem Ex gelaufen.“ Entgeistert sah ich ihn an. „Wie bitte?“ – „Ist doch so. Kaum war ich weg, warst du schon in Lukes Armen.“ – „Genau! Du warst weg! Und ich hatte keine Ahnung wieso. Was hätte ich tun sollen? Für den Rest meines Lebens alleine in meinem Zimmer hocken?“ Wir beide wurden immer lauter. „Das habe ich nicht gesagt.“, entgegnete Liam wütend. „Wir waren nicht zusammen. Luke ist deine Angelegenheit, Danielle meine. Fertig.“ – „Aber ich habe dich nicht angelogen! Du hast von mir verlangt, dass ich dir verzeihe und wieder vertraue, während du mir die ganze Zeit über direkt ins Gesicht gelogen hast.“ Mit grimmiger Miene nickte Liam. „Genau deswegen habe ich es dir nicht gesagt. Weil ich wusste, dass du so reagieren würdest.“ – „Was erwartest du denn von mir? Dass ich es schön finde, von dir angelogen zu werden?“ Er schüttelte den Kopf. „Nein! Aber so schlimm ist es nun wirklich nicht. Es war eine Nacht, verdammt nochmal und es hat mir absolut nichts bedeutet.“

Es war komplett still. Nur in meinem Kopf hallten Liams Worte nach. „Es war nur eine Nacht… Es war nur eine Nacht…“

„Du… du hast mir ihr geschlafen?“, fragte ich, als ich endlich meine Stimme wiederfand. Der Schock stand Liam förmlich ins Gesicht geschrieben. „Ich dachte, du wüsstest… Niall meinte…“ Langsam schüttelte ich den Kopf. Liam öffnete den Mund, als wollte er etwas sagen, doch dann schloss er ihn wieder. „Ich kann das nicht mehr.“, murmelte ich und begann, die Tür zu schließen. Aber Liam hielt dagegen. „Bitte lass es mich wieder gut machen.“, flehte er, doch ich schüttelte den Kopf. „Wie viele Chancen soll ich dir noch geben, Liam? Am Ende bin immer ich diejenige, die verletzt wird.“ – „Wir haben beide Fehler gemacht! Lass uns einfach alles vergessen was passiert ist während wir getrennt waren. Wir könnten komplett neu anfangen, du kannst zu mir nach London ziehen und wir können-“ Weiter kam er nicht. Bevor ich selbst realisierte was ich tat, hatte ich bereits ausgeholt und ihm mit meiner flachen Hand auf die Wange geschlagen. „Lass mich in Ruhe. Für immer.“

LIAMS SICHT:

Die Tür knallte direkt vor meinem Gesicht ins Schloss. Meine Wange brannte, doch der Schmerz machte mir nichts aus. Er wurde überschattet von meiner Wut. Es war nicht Mia, auf die ich wütend war. Auch nicht Niall.

Schnellen Schrittes ging ich zurück in mein Zimmer und schlug die Tür mit voller Wucht zu. Dann entfuhr mir ein Schrei, wie ich ihn noch nie gehört hatte. Wütend trat ich gegen den Schrank, gegen das Bett, schlug gegen die Wand.

Und dann sank ich zu Boden, während die Tränen mein Gesicht hinunter strömten.

Es war alles meine Schuld. Mal wieder hatte ich alles zerstört. 

Don't let me go..Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt