Voreilig

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„Also gut, hat einer von euch eine Idee, was wir jetzt machen?", fragte Alex, als wir einige Minuten später zu dritt am Küchentisch saßen. Ich zuckte nur hilflos mit den Schultern, doch Liam entgegnete: „Vermutlich sollte ich so schnell wie möglich versuchen nach draußen zu kommen. Je schneller die Paparazzi bekommen was sie wollen, desto schneller verschwinden sie hoffentlich auch wieder." Alex nickte zustimmend. Zum Glück war eine simple Entschuldigung von Liam genug gewesen, um die Auseinandersetzung der beiden vorerst zu beenden. „Theoretisch gut, aber wie genau willst du da lebend durchkommen? Du hast ja nicht einmal ein Auto hier in der Nähe stehen, oder?" Liam hatte bereits sein Handy in der Hand. „Ich sag kurz einem unserer Security-Männer Bescheid. Die können mir helfen." Sobald er die Küche verlassen hatte, wandte Alex sich an mich. „Alles wieder okay zwischen euch beiden?" Er klang aufrichtig besorgt. Nach kurzem Zögern nickte ich. „Wir haben schon so viel durchgemacht, da ist so eine kleine Auseinandersetzung nach ein paar Tagen wieder vergessen." Sonderlich überzeugt wirkte Alex nicht. „Bist du dir sicher?" Ich warf einen kurzen Blick in Richtung Flur, aber Liam telefonierte noch immer. Seufzend schüttelte ich den Kopf. „Ich bin nicht sauer auf ihn oder so, aber Liam... er trifft sehr gerne voreilige Entscheidungen. Er bildet sich seine Meinung, ohne vorher richtig darüber nachgedacht oder mit jemanden gesprochen zu haben. Deshalb haben wir uns damals ja auch getrennt. Weil er auch da schon voreilig gehandelt hat, ohne mit mir zu reden. Ich wünschte einfach, er würde sich das endlich abgewöhnen." - „Paul ist in zehn Minuten hier." Erschrocken zuckte ich zusammen und drehte mich um. Liam stand im Türrahmen, sein Handy nicht mehr am Ohr und wich meinem Blick aus. Alles deutete darauf hin, dass er den letzten Teil unseres Gespräches mitgehört hatte. Alex stand auf. „Okay, ich geh dann am besten jetzt schonmal. Die da draußen wissen ja nicht in welcher Wohnung du bist, von daher dürfte ich ohne Problem von hier weg kommen. Und ich muss wirklich dringend los." Abwesend nickte ich. „Klar, bis nachher." Ich folgte ihm aus der Küche und beobachtete dann aus dem Fenster, wie die Fotografen kurz hochschreckten als er das Haus verließ, und sich dann wieder enttäuscht auf dem Fußweg niederließen. 

„Was passiert als Nächstes?", fragte ich Liam, der leise neben mich getreten war. Für eine Weile sah er nur stumm aus dem Fenster. Dann erwiderte er: „Naja, erst einmal wird überall im Internet stehen, dass ich eine neue Freundin hätte. Aber vermutlich wird es nicht lange dauern, bis die Reporter herausfinden, dass ich bei dir war und dass wir wieder zusammen sind. Und dann müssen wir einfach versuchen, uns nicht auf den Müll zu konzentrieren, der überall zu lesen sein wird." - „Was ist mit Jack? Und dem Rest deines Managements?" Liam zuckte mit den Schultern. „Die haben gar nichts mehr zu sagen, was meine Beziehungen angeht. Das haben wir letztes Jahr ein für alle Mal geklärt." Erleichtert atmete ich auf. Eine Sorge weniger. „Also... du bist dir sicher, dass du das noch willst?" Irritiert sah ich Liam an. „Dass ich was noch will?" - „Mich. Diese... Beziehung." Ich spürte wie mein Mund weit aufklappte. „Ja, natürlich!", entgegnete ich sofort. „Das mit der Presse kriegen wir schon hin, haben wir letztes Mal schließlich auch." Aber Liam schüttelte den Kopf, ohne mich anzusehen. „Das meinte ich nicht, Mia. Ich hatte eher den Eindruck, du seist etwas... genervt von mir." - „Genervt von dir?", wiederholte ich seine Worte fassungslos. „Wie kommst du darauf?" Wieder zuckte Liam mit den Schultern. „Immerhin hast du dich bei Alex darüber beschwert." Natürlich. Natürlich hatte er unser Gespräch mitgehört und natürlich hatte er es vollkommen falsch aufgenommen. „Ich habe mich nicht beschwert! Er hat lediglich gefragt, ob zwischen uns wieder alles in Ordnung ist, was ich bejaht habe. Und dann habe ich ihm nur erzählt, dass du manchmal... etwas voreilig handelst. Aber das hast du ja offensichtlich gehört." - „Habe ich.", bestätigte Liam und sah wieder aus dem Fenster. Für einen kurzen Moment beobachtete ich ihn einfach nur. Seine fest zusammen gepressten Lippen, die zu Schlitzen verengten Augen... „Du merkst es nicht, oder?", fragte ich ungläubig. Verwirrt drehte er den Kopf in meine Richtung. „Was?" Lachend schüttelte ich den Kopf. „Du tust es schon wieder." - „Von was sprichst du?" Zu der Verwirrung mischte sich nun offensichtliches Misstrauen. „Voreilige Schlüsse ziehen. Nur weil ich eine Sache erwähnt habe, die du dir einfach nicht abgewöhnen kannst, denkst du sofort, dass ich sauer auf dich bin oder keine Lust mehr auf diese Beziehung habe. Anstatt in Ruhe mit mir darüber zu reden und so vielleicht zu erfahren, dass ich mir wünsche, dass du es dir niemals abgewöhnst." Ihm war anzusehen, dass ich es geschafft hatte, ihn komplett zu verwirren. „Liam, du bist doch schon perfekt genug. Viel zu perfekt, um ehrlich zu sein. Jeder Mensch macht Fehler, also darfst du auch welche machen. Alles was ich meinte, als ich mit Alex gesprochen habe, ist, dass ich hoffe, dass so ein voreiliger Schluss nicht noch einmal dazu führt, dass du von einer Sekunde auf die andere verschwindest." Ganz langsam schüttelte Liam den Kopf. „Den Fehler mache ich ganz bestimmt nicht noch einmal." Erleichtert lächelte ich. „Gut. Denn ich liebe dich und könnte es nicht ertragen, dich wieder zu verlieren." - „Also ist definitiv alles gut zwischen uns beiden?", fragte Liam und sah mich fast etwas ängstlich an. Voller Überzeugung nickte ich. „Es könnte nicht besser sein." Endlich erschien auch auf seinem Gesicht ein Lächeln. „Allerdings...", fuhr ich fort, was sein Lächeln sofort gefrieren ließ, „Könntest du mir vielleicht erklären, wieso du jetzt schon gehst und offenbar ohne mich? Ich hatte mich wirklich auf dieses Wochenende gefreut!" Seufzend strich Liam mir über die Wange. „Ich mich auch, glaub mir. Aber je länger die Presse nicht weiß, dass ich wieder mit dir zusammen bin, desto länger hast du noch deine Ruhe." Ich runzelte die Stirn. „Also bin ich jetzt quasi hier eingesperrt?" - „Nein, natürlich nicht... Ich hoffe einfach, dass die da unten abhauen, sobald ich hier weg bin. Und dann kannst du selbstverständlich zu mir kommen." Ich dachte kurz über seine Worte nach. Natürlich hatte Liam Recht. Aber war mir ein paar Stunden, vielleicht Tage, mehr Ruhe wirklich mehr wert, als Zeit mit ihm zu verbringen? „Eine Frage." Neugierig hob er die Augenbrauen. „Ja?" - „Es geht hier um mich, oder? Wie sich mein Leben wieder verändert, wenn alle über unsere Beziehung Bescheid wissen." Nach kurzem Überlegen nickte Liam. „Ja. Ich werde sowieso überall hin verfolgt und ständig fotografiert. Ich möchte nur, dass du dich nicht... unwohl fühlst." Damit stand mein Entschluss fest. „Alles klar, dann komme ich mit dir mit." Komplett verblüfft starrte Liam mich an. „Du machst was?" - „Naja, früher oder später kriegt die Presse sowieso mit was läuft. Ob sie nun tagelang vor meiner Wohnung warten und ich nicht rausgehen kann, oder ob sie uns direkt zusammen fotografieren macht auch keinen Unterschied. Und so können wir problemlos Zeit miteinander verbringen, müssen uns vor niemandem verstecken." Ich hielt kurz inne. „Es sei denn, du möchtest nicht mit mir gesehen werden. Dann-" Weiter kam ich nicht. Liam hatte mich hochgehoben und drehte sich im Kreis. Schreiend klammerte ich mich an ihm fest. „Liam, hör sofort auf, mir wird schwindelig!", bat ich ihn, woraufhin er lachend zum Stehen kam, mich jedoch nicht zu Boden ließ. „Weißt du eigentlich wie sehr ich dich liebe?" 

Don't let me go..Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt