Klartext

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Zwei Wochen später

LIAMS SICHT

Es war alles vorbereitet. Die Kamera lief, filmte das noch leere Sofa. Es herrschte absolute Stille. Ein an der Wand befestigter Bildschirm zeigte einen Countdown. Noch wenige Minuten. Niemand konnte vorhersagen was dieser Livestream für Folgen haben würde. Teile unseres Management hielten die ganze Sache für eine schlechte Idee. Aber wir hatten lange genug geschwiegen.

Die letzte Minute des Countdowns brach an. Mein Blick traf den Harrys. Er schaute ernst. Wie wir alle vermutlich. Es war wichtig, dass niemand etwas falsches sagte. Unsere Worten wurden live ins Internet übertragen, schon jetzt warteten Millionen Menschen darauf, dass sich das leere Sofa füllte. Noch zehn Sekunden.

MIAS SICHT

Wie gebannt starrte ich auf den Fernseher. Caro saß neben mir, Alex war in der Küche. Wir waren in seiner neuen Wohnung, in der auch in zur Zeit als Untermieterin wohnte. In zwei Monaten würde Alex' Freundin zu ihm ziehen, spätestens dann wollte ich etwas eigenes gefunden haben. Für drei Personen war die Wohnung auf Dauer zu eng. Caro war nur für ein paar Tage zu Besuch und schon jetzt hatten wir morgens Schwierigkeit die Zeit im Badezimmer aufzuteilen. Aber für den Moment war ich Alex einfach nur dankbar für das Dach über dem Kopf.

Der Livestream lief bereits, zeigte bisher jedoch nur ein leeres Sofa. Es war nur eine Frage von wenigen Minuten bis Harry, Niall und Louis auf dem Sofa Platz nehmen würden. Und Liam. Seit dem ersten Telefonat mit Harry, hatte Liam keinen Kontaktversuch unternommen. Ich wusste nicht was genau Harry ihm erzählt hatte. Mit dem hatte ich seitdem regelmäßig gesprochen. Er erkundigte sich immer wieder nach meinem Befinden, mal per Anruf, mal per Nachricht. Von ihm wusste ich auch von dem Livestream. Er hatte mir nicht gesagt worum es ging, nur dass ich auf jeden Fall einschalten sollte. Als Caro Wind davon bekam, führte kein Weg mehr daran vorbei. Sie war der festen Überzeugung, dass es etwas mit Liams und meiner Beziehung zutun hatte. Ich bezweifelte das. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Liam so schnell wieder irgendetwas privates in die Öffentlichkeit tragen würde, schon gar nicht wenn es um mich ging und ich nicht darüber Bescheid wusste. Das war nicht seine Art. Möglicherweise ging es um Zayn. Er würde nicht am Livestream teilnehmen, offiziell war er krank. Aber von Harry wusste ich, dass irgendetwas zwischen den fünf Jungs vorgefallen war.

„Es geht los!", rief Caro in diesem Moment. Und tatsächlich bewegte sich nun etwas auf dem Bildschirm. Nacheinander traten vier Personen ins Sichtfeld der Kamera und nahmen auf dem Sofa Platz. Mein Blick galt nur einer einzigen Person. Liam sah gut aus. Und gleichzeitig sah er fürchterlich aus. Die Ringe unter seinen Augen waren bedrohlich dunkel, sein Bart deutlich länger unrasiert als die üblichen drei Tage. Aber trotz alldem sah er gut aus. Mein Herz schmerzte bei seinem Anblick. Wie konnte man einen Menschen so sehr vermissen?

Alex kam zurück ins Zimmer und nahm auf Caros anderer Seite Platz. Caro nahm meine Hand.

„Hallo zusammen.", sagte Niall und alle anderen hoben kurz die Hand zum Gruß in die Kamera. Niemand lächelte. „Wir sitzen heute hier, weil wir etwas wichtiges mit euch besprechen müssen.", fuhr Niall fort. „Es geht um unsere gemeinsame Zukunft." Ich wechselte einen schnellen Blick mit Caro. Ging es tatsächlich um Zayn? „Wie euch mit Sicherheit schon aufgefallen ist, sind wir heute nur zu viert, aber es geht um uns alle. Um uns und um euch." Mir fiel Louis' Gesichtsausdruck auf. Er hatte seine Lippen fest zusammen gekniffen. Auch wenn dieser Livestream nichts mit Zayn zutun hatte, irgendetwas stimmte nicht zwischen den eigentlich sehr guten Freunden. Nun übernahm Harry das Wort: „Es muss sich etwas ändern. Manche von euch, ein Bruchteil, haben eine Grenze überschritten." Er machte eine kurze Pause bevor er fortfuhr: „Wir sind dankbar für jede Unterstützung. Jedes verkaufte Album, jedes verkaufte Konzertticket, jede Kritik, ob positiv und konstruktiv. Aber wir sind nicht euer Eigentum." Nun mischte sich Louis ein: „Oder etwas weniger drastisch ausgedrückt: die Wahrscheinlichkeit, dass wir jemanden von euch heiraten, ist gering." - „Aber vorhanden.", warf Niall mit einem Lächeln ein. „Was wir damit meinen ist folgendes.", fuhr Harry fort, „Wir sind nun alle Anfang und Mitte zwanzig. Manche von uns führen ernsthafte Beziehungen, wollen möglicherweise mit der Familienplanung beginnen. Wir machen gerne weiter für euch Musik, bis wir alt und grau sind. Aber das kann nur funktionieren, wenn unser Privatleben respektiert wird. Es kann nur funktionieren, wenn die Menschen, die wir lieben, nicht in Gefahr geraten." Ich spürte wie sich Caros Griff um meine Hand verstärkte. Harry wechselte einen kurzen Blick mit Liam, der ihm kaum merklich zunickte. Daraufhin wandte Harry sich wieder an die Kamera. „Vor etwa einem Monat gab es einen Zwischenfall. Wir werden keine Details nennen, aber jemand, der uns allen viel bedeutet, musste genau deswegen etwas furchtbares durchmachen. Menschen, die sich unsere Fans nennen, haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Menschen, die wir lieben, zu bedrohen und so von unserer Seite zu vertreiben. Das darf nicht passieren." - „Wir wollten damit nicht an die Öffentlichkeit gehen.", sagte Niall nun. „Aber das fühlte sich falsch an. Denn diese Menschen sollen wissen, dass sie uns damit Schmerzen zufügen. Dass sie uns keinen Gefallen tun. Diese Denkweise ist völlig absurd." Louis und Harry nickten zustimmend. Nur Liam hielt sich weiterhin aus allem heraus. „Wir wissen, wo unsere Prioritäten liegen.", sagte Louis. „Egal wie sehr wir die Musik lieben, unsere Familien und Freunde stehen immer an erster Stelle. Sollten wir das Gefühl haben, dass sie durch unsere Berufe in Gefahr geraten, müssen wir dementsprechend handeln." - „Sprich, uns zurückziehen.", fügte Harry hinzu. „Wir bitten euch deshalb um folgendes: Behandelt unser privates Umfeld, sofern wir es mit euch teilen, bitte mit Respekt. Wir wissen, dass die Mehrheit von euch rational denken kann und dieser Bitte bereits nachkommt. Aber der Vorfall von vor einem Monat hat uns gezeigt, dass wir ohne eure Hilfe machtlos sind. Nur wenn wir gemeinsam eine große Einheit bilden, können wir weiterhin stark in die Zukunft gehen. Wir haben bisher immer versucht ehrlich mit euch zu sein und das wollen wir nicht ändern. Wir haben nie bewusst Beziehungen vor euch geheim gehalten. Aber was wir in unserem Privatleben mit wem machen, ist allein unsere Angelegenheit. Ihr könnt über niemanden urteilen, den ihr nicht kennt. Wir sind alt genug um zu entscheiden mit wem wir Zeit verbringen möchten." Niall nickte. „Ganz genau. Es tut uns übrigens leid, wenn dieser Livestream etwas unorganisiert und durcheinander wirkt. Wir haben kein Skript, wir haben keinen genauen Plan aufgestellt. Wir wollten einfach nur mit euch reden."

„Wir wissen, dass ihr alle nur unser Bestes wollt. Aber glaubt uns: die Menschen, die wir lieben, wollen auch unser Bestes. Es gibt keinen Grund für Anfeindungen oder Drohungen jeglicher Art.", sagte Harry. Und Louis fügte hinzu: „Eigentlich sollte das ohnehin klar sein, oder?" - „Eigentlich." Es war das erste Mal, das Liam sich zu Wort meldete. Nur ein leises Murmeln, aber ich war mit Sicherheit nicht die einzige, die es gehört hatte. Harry räusperte sich. „Möchte noch jemand von euch etwas sagen?", fragte er in die Runde und sah die anderen drei nacheinander an. Alle schüttelten den Kopf. „Alles klar. Ich hoffe, ihr versteht alle unser Anliegen und fühlt euch nicht fälschlicherweise angeklagt. Bis sehr bald und noch einen schönen Abend." Wieder winkten alle in die Kamera. Dann wurde der Bildschirm schwarz. 

Don't let me go..Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt