zu verlassen, weckt Zweifel in uns.

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Zeit war vergangen.
Fünf Monate um es genau zu sagen.
Und sie blieb und folgte mir wie ein dunkler Schatten.
Ich könnte mich selbst blasphemisch äußern und sie als Göttin oder Engel bezeichnen, aber dennoch blieb das Paradoxe beider Religionen von griechischen Legenden und Christentum in meinem Kopf und ließ mich im Dunkeln tappen. Ich glaubte an Gott aber mittlerweile schien die Antike ihr Feuer in mir entfacht zu haben.
Ich hatte die dunkle Einrichtung hinter mir gelassen und ging nur zu ausgewählten Momenten dort hin. Nur zu Besprechungen, den Zahlung, zu Untersuchungen meines Verstandes. Mittlerweile war ich vom Gift der Unvernunft befreit. Meine Eltern wären beinahe an die Decke gegangen, als sie mich vor ihrer Tür stehen sahen, Hände haltend mit einer jungen Dame in einem eleganten Kleid. Und Pearl hatte damals nur wenig gesagt:„Wenn Sie einen Schuldigen suchen, wählen Sie mich. Es ist meine Schuld, dass er in diese Anstalt ging, nehme ich an. Es ist ebenso meine Schuld, dass er nun vor Ihnen steht. Also verzeihen Sie ihm. Ich bitte um Vergebung und Nachsicht."
„Und wer sind Sie? Woher erlauben Sie sich das alles?" Meine Mutter schien auf Kohlen zu laufen. Oder sie war die Kohle und wir beide liefen darauf.
„Mein Name ist Pearl. Ich bin seine Begleitung."
Die Augen meiner Eltern klirrten. Seid ihr stolz? Ich habe euch die perfekte Frau gebracht!
Mein Herz schlug so schnell, dass ich beinahe umgekippt wäre. Vielleicht wegen ihren Worten, aber mehr noch wegen den Medikamenten, so war mir.
Es begann zu regnen und mein Vater sagte:„Kommt herein."

Es hatte funktioniert. Alles geriet wieder in seine Bahnen, wie die Planeten der anderen Sphären auf ihren gläsernen Kegelbahnen um die Sonne.
Ich wusste mit meinem Verstand zu interagieren und konnte verstecken was andere nicht verstanden. Vielleicht war es mehr ein neurologisches Phänomen, als eine Krankheit. Vielleicht war ich nicht mein Bruder...

Und nun an diesem Tag saß ich vor meinem Fenster und schaute hinaus, wartend auf Pearl.
Es regnete und der Himmel war trostlos und grau.
Und dann sah ich sie auch schon.
Sie kam von unten und lief die Treppen hinauf zur Klippe. In eine dicke graue Weste gehüllt und das Haar wild wehend erkannte ich sie sofort. Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen, als ich aufsprang und nach unten lief, um sie zu empfangen.
Bevor sie überhaupt klopfen konnte, riss ich die Tür auf, sah eine ausgestreckte Faust (bereit zum Klopfen) und eine leicht erschrockene Pearl. Die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, die blauen Augen heller als der Himmel und die Wangen rot von der Kälte.
„Hallo, Zenon," sagte sie ruhig, nahm die Hand herunter und lächelte.
Makellos.
Ich sagte bloß kindlich:„Morgen."
Sie ging an mir vorbei ins Haus. Ganz selbstverständlich. So als ob es ihres sei. Mittlerweile war es das auch schon, denn jeden Tag kam sie und blieb, oder wir unternahmen etwas zusammen. Ich lief mit ihr durch die kleine Stadt, sie ging mit mir zu all den Terminen die ich dank meines neurologischen Problems wahrnehmen musste. Denn das war die Bedingung gewesen dafür, dass sie meine Zeit in der Klinik verkürzen und mir Freiheit schenken würden.
„Was wollen wir heute unternehmen?"fragte sie und legte den Kopf schief. Ihr welliges Haar fiel sanft an ihrer Taille nach unten. „kann ich dich zeichnen?" fragte ich und bereute meine Frage sogleich.
„Das hast du doch bereits.,"lachte sie und schaute auf die Schublade, in der die Zeichnungen einstaubten.
„Nun...nur aus meinen Gedanken. Aber ich würde dich gerne dabei sehen."
„was willst du zeichnen?"
„Deine Hände."
„Wieso das?"
„Sie sind so filigran dass ich es bis jetzt nicht geschafft habe, ihre Beschaffenheit und Struktur richtig mit Kohle auf Papier wiederzugeben."
„Wenn das so ist,"sie streckte ihre hellen Hände nach vorn und mein Blick fiel auf ihre sauberen Nägel, dünnen Gelenke und hauchfeinen Adern.
„Wie soll ich sie halten?"fragte sie und hielt ihre Hände wie in einem Gebet gefaltet. Dann als wären sie um den Griff eines Schwertes geschlungen.
Ich ließ das Papier los und nahm ihre Hände in meine, um sie sanft in die Position zu bringen, die ich abzeichnen wollte.
Dann setzte ich mich auf das Bett und sie tat er mir gleich, ohne die Hände zu bewegen.
„Gut so?" Fragte sie und lachte leise.
Ich nickte bloß und auch wenn ich die grobe Struktur zufriedenstellend fand war da etwas von dem ich wusste, dass es niemals perfekt sein würde. Was es war wusste ich nicht. Aber es schien zu makellos... fast schon als trüge sie eine Verkleidung über ihrer echten Haut.
Da klopft es unten an der großen Flügeltür und da ich so vertieft in meine Arbeit gewesen war, erschrak ich...nicht nur leicht.
Ich ließ die Kohle fallen aber sie wurde aufgefangen. Zwischen zwei spitzen Fingern von Pearl ruhte die Kohle und färbte ihre Haut.
„Wir sollten runter gehen,"sagte sie und stand auf. Der Himmel war heller geworden und ein Sonnenstrahl viel ins Zimmer.
Oh... das hatte ich vergessen.
Meine Eltern waren diese Tage auf einer geschäftlichen Reise in den Süden Siziliens, ich somit alleine.
Alleine mit Pearl. Ihre Hände haltend, mit ihr zur Musik tanzend auf den Festen des Dorfes...
Es klopfte erneut und als ich die Tür öffnete sah ich zwei große Augen, die mehr als schuldig wirkten.
Dann wurde ich überrannt und fand mich auf dem Boden wieder. Tonino.
„Du bist wirklich wieder da. Gott sei Dank, ich fürchtete mich schon! Dir geht es gut, ja?"
„Ja. Alles gut, Toni." innerlich dachte ich mir schon, dass er nicht ganz unschuldig an all dem war.
Er stand auf, gab mir die Hand und zog mich hoch. Dann hielt er sich sein Herz, als hätte er sich wahnsinnig erschreckt und starrte auf Pearl hinter mir. Sie stand lächelnd dort, noch immer die Kohle triumphierend zwischen den Fingern haltend.
„Hallo," sagte sie und gab ihm die nicht schmutzige Hand.
„Hallo," sagte er und schaute mich aufgeregt an.
„Ich wusste nicht, dass Sie hier sind. Entschuldigung."
„Sie sind Tonino?Freut mich. Mein Name ist-"
„Pearl. Ich weiß. Ich war auf dem Fest vor mehreren Wochen."

Sirens___Ein tödlicher KussWo Geschichten leben. Entdecke jetzt