Dunkelheit und Finsternis verschlingen Dich.
Am Abgrund stehst Du und wartest. Ein Schritt nach vorn und Du fällst.
Aber auch dort vor Dir ist Licht.
Springe nun, Seele der Dunkelheit!
Fliege durch Wogen und Schaum Deiner Ängste und steige hinauf auf den Berg.
Fühlst Du es? Diese Kraft in Deinen Venen? Schreie hinaus Deine Ängste. Schreie und trockne Deine Tränen. Frei bist Du nun. Frei! Die Welt vergibt Dir Deine Sünden.Damika grinste höhnisch. Ihre Klauen hielten mich gefangen.
Ich schreckte aus meinem Schlaf und hielt mir meine Brust, unter der mein pochendes Herz zu sterben drohte. Meine Sinne waren geschärft auf jedes kleine Geräusch und meine Nachtkleider klebten an meiner nassen Haut. Wellen preschten an den Stein, auf dem ich lag und meine offenen Haare peitschten im Wind.
Die salzige Luft ließ meine Augen tränen und orientierungslos blickte ich mich um. Der Mond über mir glitzerte gelb wie die Zitronen Sorrents. Außer diesem zarten Schein war alles dunkel. Langsam richtete ich mich auf und tastete mit meiner Hand über den nassen und rauen Fels. Um nicht ins Wasser zu fallen zog ich meine nackten Beine an und blieb ganz still.
Das Meer war rabenschwarz und dunkel, wie es dort lauerte und zaghaft über den Stein schwappte.
Da fühlte ich etwas nasses an meiner Nase und den eisenhaltige Geschmack von Blut in meiner Kehle. Langsam berührte ich meine Lippen und wischte das in gelben Mondschein dunkel glitzernde Blut von ihnen.
„Pearl?" Meine Stimme war heiser und leise. Dass ich mich so ängstlich und fragil anhörte wurde mir erst da bewusst.
Wie kam ich hierher? Ich erinnerte mich nicht, mein Zimmer verlassen zu haben. Noch, ob ich ein Boot genommen hatte, oder geschwommen war.
Ich richtete mich weiter auf, um ins Wasser zu blicken.
Die Dunkelheit jedoch lähmte meine Glieder.
„Pearl? Warum bin ich hier?"
Doch Pearl sah ich nirgends.
„Willst du, dass ich sterbe?" Fragte ich nun Damika und setzte mich endgültig auf.
Ich will, dass du siehst wozu wir im Stande sind.
Ich seufzte und wischte das neue Blut von meinen Lippen. Am ganzen Körper zitterte ich und meine nasse Kleidung klebte an mir wie eine zweite Haut.
„Ich wäre auch mitgekommen, ohne dass du mich von innen heraus bluten lässt." Meine Stimme wirkte in meinen Ohren nun ein wenig stärker.
Du hast es Pearl nicht erzählt.
„Sie weiß es ohnehin."
Sie weiß nur, dass du nicht schlafen kannst. Nicht, dass du stirbst.
„Dann sage es ihr nicht. Ich will sie in Sicherheit wissen."
Du bist ein guter Junge, aber du bist nur ein Mensch. Vergreife Dich nicht an meiner Tochter. Wisse Deinen Platz.
Ich nickte zaghaft.
„Heute ist Blutmond."
Dieses Mal bekam ich keine Antwort. Die Wellen um mich herum rauschten und die Dunkelheit der Tiefe nahm zu. Der eigelbe Mond lief langsam blutrot an. Als würde der Tod höchstpersönlich Eimer von Blut über ihn gießen. Ich wich zurück und begann zu zittern.
Oh Gott...
Oh Gott...
Das weiße Hemd flatterte wie ein Totenkleid im Winde und meine knochigen Hände suchten vergeblich Halt an dem rauen Stein.
Inmitten tausender Sirenen, deren Herzen es nach Blut dürstete.
„Pearl?" Noch einmal rief ich nach meiner Liebe und dieses Mal schien sie es gehört zu haben, denn sie tauchte neben mir auf, sprang und schloss mich in ihre Arme. Ihr Körper bebte und erst da bemerkte ich, dass sie weinte. Ihre kleine Nase war rot und ihre Augen geschwollen.
„Zenon. Oh Zenon!"
Ihre Stimme war zart und wirkte hilflos, ja fast verloren.
Ihre roten Augen glitzerten voller Tränen und ihre Hände liebkosteten meine Wangen.
„Bitte rühre dich nicht in dieser Nacht. Bitte bleib ganz ruhig. Bete wenn du kannst. Bitte um ein Wunder dass sie dich nicht sehen. Oh Gott. Oh Gott! Wieso Mutter?! Wieso?! Mhh..." sie kniff die Augen zusammen:„Zenon ich muss gehen—."
„Pearl?"
Salzige Tränen glitten nun auch meine Wangen herab.
„Egal wie laut wir singen... bleib hier. Überlebe diese Nacht."
Wir vernahmen die ersten Rufe in der Ferne.
„Ich muss gehen."
Ein letzter verzweifelter Blick und sie verschwand in der Dunkelheit. Und ich war alleine.
Hilfe...
Hilfe...
Noch nie hatte ich mich so sehr in meinem Leben gefürchtet. Noch nie hatte ich solche Panik vor dem Meer verspürt.
Der leise Gesang wurde vom Wind zu mir herüber getragen und alle Haare stellten sich mir auf. Mein Hals war trocken und das Blut lief ganz langsam über meine Lippen.
Ganz eng hielt ich meine Arme um mich und schaute nach vorn, dort wo Pearl hin verschwunden war. Entsetzliche, grelle Schreie leuteten die Jagd ein.
Und dann mit einem Mal sah ich es. Das was ich für Wellen und Strömung gehalten hatte, waren hunderte Sirenen, welche sich in eine Richtung wie zuvor Pearl bewegten. Dunkle Schatten huschten wie Delfine durchs Wasser und ihre Schuppen funkelten wie Schwerter. Ein riesiger Schwarm, dessen lange Fischschwänze manchmal die Oberfläche brachen und tödliche Flossen preisgaben. Mit weit geöffneten Augen und rasendem Herzen saß ich wie eingefroren dort.
Langsam ließ ich mich zur Seite fallen. Zog Arme und Beine an mich heran und lag dann dort. Still. Die Wellen küssten sanft den Stein und unter ihnen bewegte sich der Tod. Sie alle sahen gleich aus. Dunkel, mächtig, wunderschön.
Mein Blick war wie gebannt auf das Wasser gerichtet und immer wieder hielt ich die Luft vor Schrecken an.
Eine Sirene löste sich aus den Reihen und schwamm auf den Stein zu. Ihr Kopf brach durch die Wasseroberfläche und ihre roten Augen fixierten mich. Sie fauchte und entblößte eine Reihe messerscharfer Zähne.
Langsam glitt ihre Hand den Stein hinauf.
Konnte ich mich mit einer Sirene anlegen?
Ich zuckte zusammen, doch Gott sei Dank musste ich mir darüber keine Gedanken machen, denn da begann der Gesang.
Sie sangen laut und unmenschlich. Rufe füllten die See und ein bestialischer Gestank nach Blut breitete sich wie Nebel über dem Meer aus.
Die Sirene machte Kehrt, reihte sich wieder ein und schwamm mit dem riesigen Schwarm weiter.
Mein Herz begann wieder zu schlagen und das Blut aus meiner Nase sammelte sich in den kleinen Kuhlen im Stein.
Es hatte begonnen. Nun würde es kein zurück geben.
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Sirens___Ein tödlicher Kuss
FantasyWesen aus alten Legenden. Älter als manche Götter und reiner als die See. Weiser als Gelehrte und tödlicher als Schwerter. Verführerisch und eisig wie das Meer. Sirenen... -Informationen im ersten Kapitel - ^-^ Viel Spaß beim Lesen. LG JCsirens ...