Diese gefährliche...

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Vielleicht würde ich später Dichter werden.
Schließlich suchte ich seit dreißig Minuten nach einer plausiblen Erklärung für meine Träume und die erschreckende detaillierte Landschaft, die sich immer weiter zu entfalten schien. Vielleicht war ich auch einfach verrückt...das wäre einfacher, als nach einer Lösung zu suchen.
Aber aus diesen Gedanken wurde ich bald schon gerissen, als ich die Rufe des altes Mannes hörte, der einige Zimmer weiter lebte. Der verwahrloste Mann von meinem ersten Tag. Der Mann, der mit mir geschrien hatte.
Wurde er entlassen?
War er geheilt?
Oder war das Geld bloß verschwunden?
Ich hörte Rufe und Klänge, die noch sehr nach „Irre" klangen, also tippte ich auf den Geldmangel.
Ich hatte ihn fast vergessen, nun aber da ich ihn rufen hörte schien der Nebel sich zu lichten.
Wenigstens etwas...
Ich stand auf und legte meinen Kopf gegen die Tür, um besser lauschen zu können.
„Sie sind besonders! Sie sind am Leben! Ich gehe jetzt zu ihnen... ich werde jetzt endlich zu ihnen gehen!"
Er war frei...
Ich wollte das auch! Ich wollte doch auch um jeden Preis zu ihnen. Zu ihr...
Seine Geschichte war vorbei, er hatte Frieden gefunden. Meine war noch mitten im Chaos, mitten in den Qualen des jüngsten Gerichtes.
Oh Gott, wo warst du in diesen Tagen?
Diese Tage, die so lang wirkten, als würden sie niemals enden.
Und nun hatte ich sogar eine Sitzung. Wieder. Wieder ein hoffnungsloser Versuch von Manipulation.

„Zenon," was grinste er so dämlich?
„Wie geht es dir?"
Ich lachte heiser und massierte mir die Schläfen. Irrationaler Hochstapler.
„Wie geht es Ihnen?"fragte ich und schaute hoch. „Gut. Aber das tut hier leider nicht zur Sache. Ich will das es dir gut geht."
Er rückte seine neue Brille zurecht und stützte sich auf den rechten Ellenbogen.
Also eines konnte man sagen, Überleitungen gelangen ihm stets.
„Gut," sagte ich sarkastisch und lächelte.
Meine Augen erreichte das Lächeln nicht.
„Das ist schön." Er schaute mich an und es folgte eine Minute in der niemand etwas sagte, was mir seltsam und unpassend vorkam.
„Also..."
Also konnte er noch immer sprechen. Erstaunlich...
„Wir kommen so nicht weiter, Zenon. Du wehrst dich gegen jede unserer Versuche dir zu helfen. Und wir sind hier, um zu helfen."
„Ja klar," das klag zu sarkastisch und ich
bereute es sofort.
„Genau davon rede ich. Lasse diese Heilung bitte zu."
Ich hätte gerne die Augen gerollt.
„Ich möchte und werde das aber nicht. Entschuldigung, aber ihre Mühen sind vergeblich. Lassen Sie mich doch einfach heraus."
„Das können wir leider nicht."
Himmel!
„Warum?"
„Wie soll die Gesellschaft wissen, wie sie mit dir umgehen soll?"
Gesellschaft, das ich nicht lache.
„Die Gesellschaft ist, was ich am meisten hasse. Ich will meine Freunde umarmen. Ich will zum Meer, ich will Bücher lesen, oder durch die Wälder mit Tonino rennen.
Ich will durch die Stadt laufen, glücklich sein und schwimmen gehen. Ich will Pearl besuchen und sie meinen Eltern vorstellen. Ich will den Wind spüren. Ich will mich ins Gras legen und schlafen. Ich will Zuhause sein. Ich will lachen."
Meine Augen füllten sich mit Tränen. Aussichtslosigkeit erfüllte mich. Angst, nie mehr hinaus zu kommen lähmten mich.
„All das wirst du können, wenn du wieder gesund bist."
„Ich bin gesund! Ich weiß nicht, was ihr heilen müsstet? Ich war es als ich hier her kam und bin es noch immer. Mein Kopf tut weh. Meine Augen brennen. Ich will diesen Ort verlassen!"
Lächelte er?
Er lächelte?!
Was war dieser Ort, den nichts mehr von der Hölle unterschied? Ich zweifelte nicht an dem Talent der Ärzte. Nur an der Heilung meiner nicht vorhandenen Krankheit.
„Das ist eine Sucht, Zenon. Das Verlangen nach Bindung. Die Krankheit von surrealen Bildern. Die Gesellschaft wird solche Phänomene nicht aufnehmen können. Also bleib hier."
„Versteckt, damit die ach so tolle -Gesellschaft- ja nicht sehen kann, dass nicht alles so perfekt ist!" fauchte ich.
„Du kannst die Gesellschaft nicht verändern."
„Also soll ich aufgeben?"
„Das ist das einfachste. Konzentriere dich auf dich selbst und auf deine eigenen Probleme."
Und das machte Sinn.
Es war logisch.
Plausibel.

Sirens___Ein tödlicher KussWo Geschichten leben. Entdecke jetzt