Eines Nachts verschwand ein Fischerboot mitsamt des Fischers.
Spurlos.
Ich stand am Strand wie viele andere und beobachtete, wie der Wind raue Wellen formte. Wir alle standen dort starr, die Augen nach vorn gerichtet.
Solch ein Fall war nicht selten.
Beinahe jede dritte Nacht wurden Fischer vermisst aus benachbarten Dörfern und Küstenregionen aber dieses Mal war es anders. Paranoia und Gruselgeschichten waren hier weit verbreitet und doch war es unmöglich auf das Fischen zu verzichten. Denn unser Dorf lebte davon. Und selbst wir, wo wir weiter weg in einer reicheren Gegend wohnten, waren vom Fischfang abhängig. Warum die Fischer nachts verschwanden, wo sich schon kaum einer mehr traute alleine aufs Meer zu blicken war niemanden klar. Aber schließlich ging es mir, in der schicksalshaften Nacht in der mein Bruder starb, nicht anders.
Manchmal schien das Meer einen mit süßen Stimmen zu sich zu locken.
Manchmal wirkte es, als streckte es seine langen Finger nach jedem von uns aus um uns zu verschlingen.
Niemand wusste was mit den Fischern geschah.
Niemand wusste, warum weder Boote, noch Menschen je wieder kamen und dies so regelmäßig passierte.
Niemand konnte sich reimen, warum das sonst so einfache Fischen bei uns ein Spiel mit dem Teufel und gegen die Zeit war.Aber dieses Mal war es anders.
Das Boot wurde nach drei Nächten an den Strand gespült und während ich mit den Erinnerungen an meinen Bruder kämpfte zitterte Toni neben mir am ganzen Leib.
Denn das angespülte Boot war nicht leer.
Es war voller Kratzspuren, blutigen Flecken und inmitten des Botes lagen zerrissene Kleider und die Hälfte des Oberkörpers des verschwundenen Fischers. Die Augen des Mannes waren weit aufgerissen und der Mund stand weit offen, als setzte er zu einem Schrei an.
Die nackte und zerschundene Haut war so aufgequollen und weiß, dass es aussah wie eine wächserne Puppe mit Murmeln als Augen und einem Schlund zur Hölle, der weit geöffnet war.Ich wich zurück und Toni, der sich an meinen Arm geklammert hatte flüsterte voller Entsetzen:„Was zum Henker?!"
Seine Lippen zitterten und er starrte mich mit glasigen Augen an.
Ich schüttelte bloß den Kopf und musste mit mir selbst kämpfen, dass ich mich nicht übergeben würde.
„Wie? Wer oder was würde so etwas tun?"
Dann hörten wir schmerzerfüllte Schreie. Schreie die so verzweifelt schienen, dass ich so tiefes Mitgefühl empfand, wie nie zuvor.
Eine Frau lief durch die Reihen und als sie das Boot erblickte schrie sie herzzerreißend auf, sackte zu Boden und im Sand sitzend raufte sie sich die Haare, während sie immer wieder und wieder rief:„Wieso musstest du ihn mir nehmen, Gott?! Wieso?! Wieso jetzt schon? Wieso auf so grausame Weise?!"
Neben der braunhaarigen Frau fielen zwei kleine Kinder in den Sand und weinten mit ihr.
Die Familie des Fischers. Die Familie des Mannes, der nun leblos und zerfleddert im Boot lag.
An diesem windigen Tag spürte ich erneut welche Furcht uns Menschen alle erfasste. Die Furcht vor dem was wir nicht kannten.
Und ich hatte Angst. Mein ganzer Körper zitterte. Meine Augen waren wie gebannt auf das grausam reale Schauspiel vor mit gerichtet und mein sonst so geliebtes Meer wirkte wie eine Mörderin, die lachend um das Boot brauste.
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Die Zeit nach dem Unglück war trüb. Denn dieser Fischer sollte nicht das einzige Unglück bleiben. Warum gerade jetzt so viele Menschen verschwanden war nicht klar und warum die Menschen sich voller Angst an das Land klammerten und dennoch nachts auf Booten gesichtet wurden, ebenso.
Diese Macht, diese lüsternsten Stimmen die uns trieben waren so unaufhaltsam wie die Gerüchte, die umherzogen.
Bald war es wie ein Rausch.
Die Menschen, die überlebten oder dies vorgaben, erzählten von dunklen Ungeheuern. Kreaturen des Meeres, die mit riesigen Mündern alles verschlingen.
Und selbst mich erreichte dieser Aberglaube. Besonders dann, wenn ich daran dachte, dass mein Bruder in genau solch einer Nacht gestorben war. Genau dann, wenn ich an die Frauen dachte, die mir mitten im Meer begegnet waren. Kurz nachdem ich waghalsig Pearl vor dem Ertrinken retten wollte. Oder auch nicht... manchmal glaubte ich an diese Wesen und an anderen Tagen konnte ich nur lachen über jene, die daraus Geld machten. Aber es war schließlich eine Tatsache, dass jetzt jeder hellhöriger wurde und es war ebenso Tatsache, dass viel mehr Menschen verschwanden. Oder starben.
Starben sie denn alle?
Ein Fluch?
Eine Hexerei, die uns den Tod brachte?
Ich würde es am liebsten vergessen. Genauso wie ich dieses Mädchen gerne vergessen hätte.
Und immer öfter konnte ich in der Stadt diese Menschen sehen, die ihr immer mehr glichen.
Das Mädchen, welches ich unabsichtlich zu Boden gestoßen hatte und die Frau am Blumenstand. Sie schienen überall zu sein und mit jedem zu reden. Egal wohin ich blickte. Und jeder Mensch den ich sah erinnerte mich immer mehr an sie. Schon so sehr, dass ich mich in mein Zimmer schloss um alleine zu sein, oder in die Bibliothek ging, um nach Informationen zu suchen. Pearl hatte ich nicht mehr gesehen, also wollte ich mich wenigstens ablenken, indem ich wie alle anderen nach einer Lösung suchte. Nachts achteten alle darauf, früher zu Bett zu gehen, wie ängstliche Hasen, die sich in ihren Höhlen verkrochen.In der Bibliothek suchte ich mit Tonino nach Büchern über Hexen, Mordfälle und geschichtliches Wissen. Über Flüche fanden wir nur ein Kinderbuch und über Morde nur Hai-Theorien.
Ich hoffe euch gefällt das Kapitel ^-^
LG JCsirens
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Sirens___Ein tödlicher Kuss
FantasiWesen aus alten Legenden. Älter als manche Götter und reiner als die See. Weiser als Gelehrte und tödlicher als Schwerter. Verführerisch und eisig wie das Meer. Sirenen... -Informationen im ersten Kapitel - ^-^ Viel Spaß beim Lesen. LG JCsirens ...