31

37 3 0
                                    

Als ich Zuhause im Flur stand, sagte ich ganz offen:„Das mit Pearl und mir ist nicht mehr was es einst war."
Schlechter hätte ich es nicht ausdrücken können.
„Vater, ich habe niemanden den ich heiraten möchte und ich will mich nicht binden aus Gründen, die meinen Gefühlen nicht entsprechen."
„Du weißt, dass du sie heiraten wirst, Zenon."
„Nein! Werde ich nicht. Ich bin alt genug—"
„Um endlich zu heiraten! Zenon diese Verlobung wurde vor drei Wochen besprochen und du hast zugestimmt."
„Zugestimmt?! Wann in Gottes Namen tat ich das?!"
„Zenon! Ende der Diskussion! Du wirst Signora Rossis Tochter heiraten!"
Ich lachte bitter und ging ohne ein weiteres Wort.
Danke Toni, aber der Rat war zwecklos.
Die salzige Luft peitschte um mein Gesicht und ich fröstelte. Vielleicht sollte ich mich einfach in den Tod stürzen. Gott, wieso war es so kompliziert. Wieso konnte ich nicht der sein, den meine Eltern sich wünschten?

Und ich wollte es tatsächlich sein. Ich wollte nicht der sein, der blind seinen Gefühlen folgte. Ich wollte nicht der sein, der heiraten als Akt der Liebe ansah. Ich wollte nicht der sein, der aus Ungehorsam geschlagen wurde.
Ich wollte stark sein. Nein... ich wollte dass mein Vater mich so sah.
Und ohne dass ich etwas anderes hätte tun können wurde am Abend besprochen was alles folgen sollte. Ein Abendmahl zur Vorbereitung und Feier zur Verlobung.
Die Hochzeit war sicher aber ich in diesem Moment nicht.
Wendepunkt.
Der Moment in dem sich alles drehte. Mein Einspruch. Meine Kraft... doch sie ließ auf sich warten. Ich könnte nicht bis zur Hochzeit warten. Ich müsste es jetzt tun. Ein für alle mal. Ich müsste schreien und meine Worte so verpacken, dass sie als unwiderruflich galten.
Am Tisch lachten alle. Tranken Wein und gratulierten der zukünftigen Braut. Mit roten Wangen lächelte diese und nahm dankend von ihren Verwandten die Glückwünsche an. Sie war vornehm in eng geschnürten Stoff gehüllt und mit prachtvollem Schmuck beladen.
Doch diese hell leuchtende Welt brach wie eine Welle auf mich herab. Das Atmen fiel mir schwer und mein erstes Wort war kaum hörbar.
„Ich... bitte um Entschuldigung. Ich kann Sie nicht heiraten. Weder in einer Woche, noch in einem Jahr.
Ich bin es nicht wert und sie sind eine Frau, die einen Mann heiraten sollte, der sie tatsächlich umsorgen kann. Das kann ich in dieser Zeit nicht. Das werde ich nie können. Ich lebe nicht, ich existiere und ich wünsche mir für Sie, dass Sie leben können. Lieben können und wahrhaftig fühlen. Ich werde Sie niemals glücklich machen. Ich bin nicht fähig dazu. Ich kann sie nur so weit wie möglich von meinem Leben fern halten und Ihnen das Glück dieser Welt wünschen. Es-es tut mir leid.
Ich. Werde. Sie. Nicht. Heiraten."
Ihre Augen waren riesig aufgerissen. Ihre Atmung schnell und unregelmäßig.
Seltsam aber in diesem Moment war ich ruhiger als je zuvor.
Ein ruhiger Ozean...
„Zenon! Was erlaubst du dir?!"
„Nein, Vater. Das ist mein Leben. Auch wenn du Macht darüber hast. Lass ihr Leben besser werden als meines."
Ein Raunen ging durch den Speisesaal.
Flüstern, erschrockene Gesichter und ich hörte nur Sätze wie:„Er meint bestimmt seine Krankheit." „Solch ein ignoranter Bengel!" „Wie kann er es sich erlauben?" „Besser so. Seine Krankheit frisst das gute Kind sonst noch auf." „Ist das seine Art Verantwortung zu zeigen?"
Die junge Frau vor mir begann vor Scharm rot zu werden und blickte hektisch umher, dann sagte sie:„Ich danke Ihnen für Ihre Ehrlichkeit."
Dann ging sie auf mich zu und flüsterte in mein Ohr:„Ich danke Ihnen. Sie retten mich...—Ich kann nicht atmen."
Ihre eng geschnürte Korsage schnürte ihr womöglich die Luft ab, denn noch im selben Moment sackte sie herab und ich hatte Mühe sie aufrecht zu halten.
Die Menge erhob sich und schaute auf uns herab.
„Sie kann nicht atmen!" Sagte ich hastig.
Schon diese ganzen Wochen hatte sie diese Hüfthalter getragen und nun war ihr das Atmen endgültig untersagt.
So schnell ich handeln konnte fiel ich auf die Knie, legte meine Hände um sie und unter allen aufgeregten und aufgebrachten Anwesenden riss ich ihr Kleid am Rück ruckartig auseinander. Der Stoff war fest und ihre schlafende Gestalt auf meiner Schulter drohte auf den Marmorboden zu fallen. Sie war schwerer als ich gedacht hatte.
„Schmach!! Was tut er dort?!"
„Wie kann er es wagen!"
Dann zog ich an den Bändeln und die Korsage fiel zu Boden. Meine Hände zitterten stark und ihr entblößter Rücken vor allen Augen sichtbar.
Sie atmete wieder schneller. Lauter.
Und ich stieß meine angehaltene Luft erleichtert aus.
Signora Rossi zog ihre Tochter auf die Beine, deren Rücken nur noch vom Unterkleid bedeckt wurde. Völlig neben sich keuchte sie und warf mir einen dankenden Blick zu.
Ich stand auf wackligen Beinen auf und schaute in die Menge, die mich mit verächtlichen Blicken anstarrte.
„Unerhört! Erst stellt er sich gegen seine Zukünftige und dann berührt er sie!"
Alle um mich versammelt und ich sagte aus reinster Reizüberflutung und Raserei:„Halten Sie einfach die Klappe. Hätte ich sie ersticken lassen sollen?! Ich merke es mir. Nächstes Mal werde ich in solch einer Situation einfach den Rücken kehren."

Sirens___Ein tödlicher KussWo Geschichten leben. Entdecke jetzt