Kapitel 50

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Ich stellte mich auf Zehenspitzen und presste meine Lippen auf seine. Noah beugte sich ein stückweit herunter. Es war wie ein Spiel, ein Hin und Her, mal waren unsere Küsse wild und verlangend, mal zärtlich, und als sich für den Bruchteil einer Sekunde unwillkürlich der Gedanke in meinen Kopf schob, wie ich die kommenden Jahre nur ohne Noah in dieser winzigen, einsamen Zelle überstanden hätte, verlor ich vor Glück fast den Boden unter den Füßen. Ich würde ihn nie wieder gehen lassen. Daran musste ich mich heute und für immer festhalten, damit unsere Beziehung eine Zukunft hatte. Alles würde sich zum Guten wenden. Das musste es einfach.

Noahs Hände verweilten auf meiner Taille. Er küsste die empfindliche Stelle hinter meinem Ohr. Sanft verteilte er weitere Küsse meinen Hals hinab bis zu meinem Schlüsselbein und entlockte mir dabei ein Seufzen. Hitze schoss mir in die Wangen, während Noah seinen Mund erneut auf meinen drückte und sich das Kribbeln in meinem Bauch über meinen ganzen Körper verteilte. Jede noch so kleine Bewegung drückte mich enger an ihn und schloss die allerletzte Lücke zwischen uns, so dass man denken könnte, wir würden vor Leidenschaft miteinander verschmelzen. Außer Atem lösten wir unsere Lippen für einige Sekunden voneinander, ehe Noah mich packte, hochhob und sich in der Bewegung drehte, bis ich den Küchentresen unter mir spüren konnte. Als ich mich herunterbeugte streifte sein heißer Atem meine Lippen. Er ging schnell und unkontrolliert, und mein Herz hämmerte in solch einem Tempo gegen meinen Brustkorb, dass ich unweigerlich das Gefühl bekam, ich würde die Kontrolle verlieren. Meine Stirn berührte seine und wir hielten inne, um uns zu beruhigen. Immer wieder kamen mir Noahs vor Lust funkelnde Augen in den Sinn. Ich konnte nicht anders, als an den Geschmack seiner Lippen und an seine Hände auf meiner Hüfte zu denken, und wie leidenschaftlich sie meinen Körper erkundet hatten. Angestrengt bemühte ich mich, Sauerstoff in meine Lungen zu kriegen. Bloß nicht an Noah denken. Und langsam flaute das Verlangen, ihm auf jede erdenkliche Weise zu zeigen, wie sehr ich ihn liebte, ab.

Vorsichtig hob mich Noah von der Theke. Er distanzierte sich ein wenig, doch das sanfte Lächeln auf seinen Lippen entging mir nicht. Ich lächelte zurück und gab ihm das stumme Versprechen, dass uns irgendwann nichts und niemand mehr voneinander trennen würde.

In diesem Moment klopfte es an die Tür. Ich fuhr vor Schreck zusammen. Anscheinend waren wir so sehr in uns vertieft gewesen, dass wir nicht mal die Motorengeräusche gehört hatten.

Noah lief zur Haustür. Ich folgte ihm, blieb jedoch auf Abstand. Nach einem Blick durch das kleine Fenster in der Tür, öffnete Noah und ließ unseren Besuch herein. Zuerst betrat Miles das Haus. Er steuerte direkt auf Noah zu und gab ihm einen Handschlag. Danach kam Jake herein und als letzter Agent Roberts. Agent Bennett war nicht mehr zu sehen, dafür befanden sich nun allerdings drei große Pappkartons auf der Veranda.

Miles sah sich im Wohnzimmer um. Jakes Augen hafteten auf mir. Verunsichert erwiderte ich seinen skeptischen Blick. Dann wandte er sich mir ab und guckte zu Noah, dessen Haare offensichtlich unnatürlich zerzaust waren. Seine Wangen waren noch immer ein wenig gerötet und die Lippen deutlich geschwollen. Beschämt wich ich Jakes Blick aus. Glücklicherweise konzentrierte sich Agent Roberts auf etwas anderes, als ausschließlich auf uns. Er ordnete an, dass die Kartons ins Haus müssten. Miles lief sofort los und ich folgte ihm eilig.

»Ich bin froh, dich zu sehen.«, sagte Miles.

»Ist alles okay bei euch?«, fragte ich.

Er nickte. »Alles bestens, ... Dank euch.«

Wir stoppten und sahen einander an. Das wohlige und einzigartige Gefühl von Freundschaft erfüllte mein Herz und ich lachte, als Miles schmunzelnd die Kartons begutachtete. »Was da wohl drin ist ...?«

»Sicherlich irgendwelche Unterlagen.«, antwortete ich und bückte mich.

»Lass mich das machen.« Jake schob mich beiseite und hob mit Leichtigkeit einen der Kartons hoch.

Verwundert richtete ich mich wieder auf und blickte ihm nach. Auch Miles wagte es kaum, sich zu bewegen, so verblüfft war er von seinem besten Freund. Erst als Jake kurz darauf zurückkam, setzte sich Miles in Bewegung und nacheinander trugen sie die beiden letzten Kartons ins Haus.

Ich schloss die Tür hinter mir.

»So, Leute!« Agent Roberts klatschte in die Hände. »Wir haben viel zutun!«

In dem ersten Pappkarton befand sich eine Auswahl an Kleidung. Ich sah Jeans, Oberteile und Jacken aus kariertem und schlicht einfarbigem Stoff und Schuhe. Außerdem Hygieneartikel und Lebensmittel, die völlig durcheinander überall zwischen steckten.

Karton Nummer zwei verbarg eine auseinander gebaute Flip-Chart, zwei Akten und einen Hefter, und auch im dritten Karton ging es so weiter. Papierkram und schließlich ganz unten ein alter Schuhkarton.

»Sie werden alles von mir bekommen, was Sie benötigen, solange es sinnvoll ist und im Bereich des Möglichen liegt!«, erklärte Agent Roberts. Er beugte sich herunter zu dem Schuhkarton und nahm ihn in die Hände, bevor er sich wieder kerzengerade aufrichtete und uns einem nach dem anderen eindringlich ansah.

»Ich bestehe darauf, dass Sie eine von diesen hier tragen werden.« Mit diesen Worten öffnete Agent Roberts den Karton und offenbarte vier merkwürdig, elektronisch aussehende Dinge.

Entgeistert sah Noah in die Runde. Er schien genau zu wissen, was diese schwarzen, kreisförmigen Teile zu bedeuten hatten. Ahnungslos guckte ich Miles an, der auch einen leicht verwirrten Eindruck auf mich machte.

»Nein.«, sagte Noah. »Das geht zu weit.«

»Was denn?« Fragend sah ich von Miles zu Noah.

»Das sind GPS Fußfesseln.« Noah schaute zu mir und die Ernsthaftigkeit in seinen Augen versetzte mir einen Schock.

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