Mein Bruder

428 22 2
                                    

Ich saß auf einem der Küchenstühle, starrte auf die Fließen und schwieg. Ich trug meinen schwarzen Mantel den ich so mochte und hatte auch schon die Stiefeletten an. Meine rote Reisetasche stand da und wartete darauf mitgenommen zu werden. Ich hörte das Ticken der Küchenuhr – welche anzeigte das es halb zwölf war – und meinen eigenen Atem. Sonst nichts. Mein Blick war trüb. Bei den Gednaken an die Bilder des Absturzes blinzelte ich wie wild um nicht erneut zu weinen. Über eine Woche ist es jetzt schon her. Die Suche nach den Überlebenden wurde eingestellt. Ich lauschte meinem eigenen Atem.

Nachdem ich zugestimmt hatte zu meinem Bruder zu fahren von dem ich nichts wusste war Caro di erste die es erfruhr. Und schließlich rief ich auch meine Großeltern an. Doch mehr nicht.  Immerhin war mein Bruder der nächste Sorgeberechtigte für mich. Er hatte sogar einmal angerufen. Aber das war ein komisches gespräch gewesen. Er hatte kaum etwas gesagt. Nur, dass ihm leid tut was passiert ist und er mich heute abholen würde. Ich fuhr mir durch die langen blonden Haare. Ich weiß das ich einfach zugestimmt hatte, als Rita mir von ihm erzählte. Doch ich bekam doch ein schelchtes Bauchgefühl. Wie war er? Was wenn er gewaltätig war? Und warum wusste ich nichts von ihm? Mochte er mich? Auf der einen seite war ich froh einen nahestehenden in meiner nähe zu haben und nicht mehr in diesem Haus zu wohnen. Es war so verdammt leer. Doch ich kannte ihn gar nicht. Alles was ich wusste war, dass er neunzehn war und Jonas hieß. Nervös knetete ich meine Hände.

Als das schrille Klingeln die Stille durchbrach zuckte ich erschrocken zusammen. Er war da. Jetzt war keine zeit mehr um über ihn nach zu denken. Jetzt würde ich ihn live kennenlernen. Ich nahm meinen Mut zusammen und lief mit der Tasche zur Tür. Ich drehte mich nocheinmal um, sah durch die offene Tür in die Wohnstube, holte tief Luft und öffnete die Tür.

Vor mir stand ein Junge mit blonden Haaren. Es war das selbe Blond das ich auch hatte, das selbe Blond das meine Mum hatte. Hatte. Er trug eine dicke Jacke. Es war kalt obwohl es langsam wieder wärmer werden sollte. Er hatte beide Hände in die Jackentasche gesteckt und überragte mich einen Halbenkopf. Seine blauen Augen sahen direkt in meine Augen. Er hatte ein zartes Lächeln aufgesetzt.

„Hey.“, er streckte mir die Hand aus.

Äh… „Hi.“ Zögernd ergriff ich die Hand und wurde plötzlich in eine Umarmung gezogen. Einen Moment lang spannte ich mich an, dann entspannte ich mich wieder. Er war immerhin mein Bruder. Ich löste mich wieder von ihm. Er nahm mir die Tasche ab und führte mich zu seinem Auto. Ein schwarzer Mercedes. Ich bleib vor dem Wagne stehen, während er meine Tasche im Kofferraum verstaute. Ich hatte nur das nötigste mitgenommen.

„Setzt dich ruhig schon rein.“, meinte Jonas.

Wie als hätte ich nicht gewusst was zu tun war, öffnete ich jetzt die Autotür und setzte mich auf den Beifahrerstitz. Ich schloss die Tür mit einem kräftigen Ruck und befand mich einen Moment in der Stille des Autos wieder. Bis die Fahrertür geöffnet wurde und man für einen kurzen Moment den Wind und die Autos hören konnte. Ich schnallte mich an und Jonas fuhr los. Eine weile sah ich einfach nur auf meinen Schoß, bis ich ihn schließlich von der Seite musterte. Es gab keinen Zweifel das wir Verwandt waren. Doch wieso wusste ich davon nichts? Ich sah erneut auf meinen Schoß. Niemand von uns sagte etwas und auch das Radio war aus. Fragen schadet ja nicht…

„Wieso weiß ich von dir nichts?“

Als Jonas schwieg, dachte ich schon ich hätte zu leise gesprochen. Doch dann antwortete er doch noch.

„Deine… also, unsere Mutter hielt es für besser wenn du nichts von mir weißt.“

Ich runzelte die Stirn. „Wieso?“

Er seufzte. „Ich bin eigentlich nicht dein Bruder sondern dein Halbbruder. De…unsere Mutter war vor deinem Dad mit meinem Dad zusammen. Als sie Schwanger war wurde mein Dad, nunja, problematischer. Er wurde Drogenabhängig. Ich weiß nicht wieso genau er das gemacht hat. Jedenfalls hat meine Mum ihn schließlich verlassen. Und mich nicht mitgenommen.“ Das hätte sie doch niemals gemacht! Oder doch? Ein Kind bei einem Drogenabhängigen gelassen? „Ich war die ersten vier Lebensjahre in einem Kinderheim. Jedenfalls so etwas in der Art. Mein Dad machte einen Entzug und mit fünf lebte ich bei ihm.“

„Aber… wieso hat sie mir nie von dir erzählt? Du wusstest doch von mir, oder?“, fragend sah ich ihn an.

„Ja, sie hat es mir in einem Brief geschrieben. Oder eher meinem Dad. Das sie einen neuen hat und eine Tochter. Und das sie nicht will, dass ihre Tochter durch ihn oder mich in schlechten Einfluss gerät.“

Mir viel der Mund auf. Schelchter einfluss? Wie könnte ein großer bruder – ob halbbruder hin oder her – ein schlechter Einfluss sein! Ich atmete tief durch, so wie ich es in den letztne Tagen gelernt hatte und beruhigte mich wieder. „Wohnst du noch bei deinem Dad?“

Jonas schüttelte den Kopf. „Er ist verschwunden.“

„Verschwunden?“, wiederholte ich verwirrt.

Ja!“, zischte er und ich zuckte zusammen. Sein Dad war anscheinend kein gutes Gesprächsthema. Ich sah aus dem Fenster und beobachtete wie die Häuser vorbei rauschten. Menschen liefen durch die Straßen. Lachende Kinder mit ihren Eltern. Freundeskreise.

„Sorry.“, murmelte Jonas. Ich sah ihn an. Sein Blick war die ganzezeit weiter auf die Straße gerichtet.

„Schon…“, begann ich und wurde unterbrochen.

„Nein, tut mir leid. Ich schnautz immer alle an wenn es um meinen Vater geht. Ich muss mir das echt abgewöhnen. Du hast wohl von allen das Meiste recht es zu erfahren.“

„Jonas, ich…“, erneut lies man mich nicht ausreden.

„Als ich achtzehn wurde wohnte ich schon in einer WG. Normalerweise ruft er immer an, aber an diesem Tag hat er nicht angerufen. Ich war am nächsten Tag bei ihm Zuhause und es war keiner da. Keiner der Nachbarn konnte mir sagen wo er war. Ich erreichte ihn nicht mehr auf dem Handy. Er war einfach…weg.“

Ich schwieg und meine Augen hatten wieder meinen schoß gefunden. Vielleicht war er auch tot? Dann gäbe es nur noch uns. Wieso wurde immer gesagt er sei mein bruder? Niemand hat etwas von HALBbruder gesagt. In Gedanken vertieft stoppte Jonas plötzlich und schnallte sich ab.

„Wir sind da.“, sagte er und stieg aus. Ich tat es ihm nach und starrte das Haus an. Es hatte große Fenster, zwei Etagen und sah ziemlich groß aus. Ich folgte Jonas, der schon meine Tasche ind er Hand hatte, in das Haus und kam nicht mehr aus dem staunen raus. Der ‚Flur‘ war riesig. Durch die offene Tür sah ich eine Flatscreen an der Wand hängen und mit jedem Meter den wir weiter gingen sah ich noch mehr teure dinge.

„Du kannst deinen Mantel hierhin hängen.“, sagte Jonas und ich sah wieder zu ihm. Er zeigte auf goldene Hacken an der Wand. Ich nickte und machte es schnell.

„Komm. Ich zeige dir dein Zimmer.“, sagte er dann und lief die Treppe hoch. Ich folgte ihm. Oben gab es ziemlich viele Zimmer. Schließlich öffnete Jonas eine Tür und führte mich hinein. Ich sah mich um. Ein riesiges Bett stand an einer Wand. Ein breiter Schrebtisch, ein Schrank und eine kleine Fernsehecke.

Mit offenem Mund sah ich mich um.

„Gefällt es dir?“, fragte Jonas.

„Ja! Aber woher hast du so viel Geld?“

„Ich... das Haus gehört meinem Dad. Nach seinem Entzug war er erfolgreicher Geschäftsmann und hat das alles hier aufgebaut. Und als er weg war bin ich hier eingezogen.“ Er schwieg. Wahrscheinlich war ihm das ein wenig unangenehm. Ich nickte.

„Verstehe. Es ist wirklich schön.“

Ein lächeln zog seine Mundwinkel nach oben. „Du kannst ja erstmal deine Sachen auspacken. Ich mach uns was zu essen.“ Damit verließ er das Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Einen Moment stand ich da und starrte die Tür an. Mein Bruder

Jonas - neues Leben (Pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt