Der Morgen im Sender ist völlig chaotisch. Jeder flitzt durcheinander, alle wuseln herum und ich stütze immer wieder schnaubend meine Stirn auf meinen Händen ab. Allmählichen drehen alle durch. Seitdem Jackson die mögliche Beförderung im letzten Meeting bekannt gegeben hat, wollen alle das fleißigste Bienchen im Schwarm sein. Abgesehen von Ruby, Paul und meiner Wenigkeit.
»Hast du vielleicht trotzdem Lust auf die Party am Wochenende zu kommen? Ariu hat mich extra nochmal angerufen«, flüstert Ruby über die Trennwand hinweg. Seufzend hebe ich den Blick und schaue geradewegs ihren in einem Beerenton geschminkten Schmollmund an. Noch immer gibt es nichts Neues von Dot und auch die Plakate und Flyer die ›Sheriff Extraheiß mit Sahne‹ - mein neuer Kosename für den heißesten Sheriff der Menschheitsgeschichte - verteilt hat, haben nichts gebracht.
Allmähliche verliere ich die Hoffnung und in meinen Eingeweiden nisten sich die schrecklichsten Vermutungen ein. Von Dots Ertrinken in einem Wassertank, weil er irgendwann keine Kraft mehr hatte, bis hin zu einem widerwärtigen Exemplar der Menschheit, das ihn zerstückelt und verspeist hat, ist alles dabei. Seitdem ich auf dem Revier gewesen bin, hat sich eine konstante Blässe auf meine Haut gelegt und sogar ich sehe, wie ungesund ich im Augenblick aussehe. Die Blicke meiner Freunde werden immer mitleidiger und besorgtere Fragen mischen sich unter harmlose Erkundigungen.
»Ich bin im Augenblick einfach nicht in Partystimmung. Ruby«, erwidere ich und ringe mir ein Lächeln ab. Wieder lade ich die Seite neu, um sicherzugehen, dass noch keine neuen Informationen in meinem Postfach gelandet sind. Wieder stütze ich das Kinn in die Hand. Wieder beiße ich mir die Innenseite meiner Wange wund. Und wieder drücke ich die Tränen mit meinen Zeigefingern zurück in meine Augen.
»Vielleicht ist es gut, wenn du dich etwas ablenkst?«, meldet sich jetzt auch Jax aus der Freisprecheinrichtung von Ruby's Handy. Tadelnd ziehe ich die Brauen in die Höhe und sehe Ruby geradewegs in die Augen.
»Jax, sie sieht mich mit diesem Blick an. Was soll ich dieses Mal machen? Vielleicht eine Flasche Wein schmeißen? Die Schokoriegel haben gestern nicht gewirkt«, flüstert sie ins Telefon und ich vernehme das Lachen meiner besten Freundin. Genervt, aber leicht amüsiert rolle ich mit den Augen und richte meine Augen wieder auf den Bildschirm. Das bläuliche Flackern schmerzt allmählich in meinen Augen, aber ich muss mich auf meine Arbeit fokussieren. Ich möchte nicht auch noch meinen Job verlieren. Was wäre das für ein toller Zufall des Schicksals? Hund weg, Job weg. Was würde als Nächstes kommen? Haus weg? Und dann? Leben weg? Wieder schnaube ich und lade die Seite erneut.
»Komm schon, Rej. Du kannst dich nicht die ganze Zeit in deinem Haus verschanzen und vereinsamen. Dot wird schon wieder auftauchen oder gefunden werden. Es bringt dich und ihn keinesfalls weiter nur zu warten und tatenlos herumzusitzen«, schießt Jax durch den Hörer. »Du hast es bei der Polizei gemeldet, im Tierheim einige Informationen hinterlassen und jeden Farmer im Umkreis von sechs Meilen abgeklappert. Mehr kannst du nicht tun. Gönn dir ein bisschen Ablenkung.« Ihr Vorschlag lässt die Standhaftigkeit bröckeln, dennoch schüttle ich stumm den Kopf.
»Ariu hat gesagt, er hat einige seine ehemaligen Kollegen aus dem Football-Team der Uni eingeladen«, säuselt Ruby und ich kann ihre Augenbrauen wackeln sehen, ohne hinzuschauen. Ich weiß, dass sie seit geschlagenen sechs Monaten auf meinen besten Kumpel aus Kindertagen fliegt. »Außerdem weiß ich genau, dass auch der hei—«
»Reja!« Jacksons Stimme tönt durch das Großraumbüro und Ruby verschwindet in Lichtgeschwindigkeit hinter der Trennwand. Ich höre sie hitzig in ihr Telefon flüstern, dann herrscht Stille auf ihrer Seite. »Hier ist jemand für dich!«, fügt mein Chef hinzu. In seiner Stimme schwingt gewaltiger Unmut mit und ich runzle die Stirn. Paul rollt mit seinem Bürostuhl ein Stück zurück und sieht mich mit erhobenen Brauen fragend an, ein Kugelschreiber hinter seinem Ohr und die Brille tief auf die Nase geschoben. Hilflos zucke ich die Schultern.
DU LIEST GERADE
Die Gesetze deiner Liebe
RomanceDie Radiomoderatorin Reja Ives leitet eine der erfolgreichsten Shows bei dem Sender Silverpine Fiftyone. Gemeinsam mit ihrem Kollegen ist sie dafür verantwortlich, die aufstrebenden Stars die Silverpine entspringen zu interviewen und ihnen eine Plat...