23 | Suchtfaktor

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Die Umarmung dauert für meinen Geschmack zu lange, weshalb ich das missmutige Grummeln angestrengt zurückhalten muss. Sie sind Freunde, Davis, mahne ich mich und blicke auf meine Hände. Unruhig reibe ich die Handflächen aneinander, denn ich habe eben eine Bombe vor die Füße meines Freundes geworfen und muss jetzt auf die Detonation Acht geben.

Rejas Hände kraulen sacht seinen Rücken, locken die Erinnerung an die letzte halben Stunde wieder hervor und ich zwinge mich den Blick nicht wieder zu ihr gleiten zu lassen. Diese Frau geht mir dermaßen unter die Haut, dass es mir körperliche Schmerzen bereitet. Was hat sie nur an sich?

»Ich muss gehen«, verkündet Adam plötzlich. Wie vom Blitz getroffen steht er mitten im Wohnzimmer und hebt die Hände über den Kopf, verschränkt sie und platziert sie auf seinem Scheitel, ehe er sie wieder sinken lässt. »Sie ist bestimmt noch wach. Reja, was meinst du? Ist sie noch wach?«, plappert er gehetzt und durchwühlt seine Hosentaschen. Mit gerunzelter Stirn beobachte ich ihn.

»Adam, du solltest sie vielleicht nicht so überfallen. Lass mich mit ihr reden, bevor du ...«

»Vergiss es! Du hältst mich davon sicherlich nicht ab«, unterbricht er sie und schüttelt den Kopf.

»Ich denke trotzdem nicht, dass es eine gute Idee ist«, versucht Reja ihn zu überzeugen. Jedoch scheint es so, als hätte Adam sich selbst Scheuklappen aufgesetzt und würde nur noch den Tunnel sehen. Verstehen, wieso er so schnell verschwinden möchte, kann ich durchaus, dennoch bin ich der gleichen Ansicht wie Reja. Er sollte es langsam angehen.

»Überstürz besser nichts«, mische ich mich ein. Adam schießt einen wütenden Blick in meine Richtung und verzieht die Stirn, jetzt würde nur noch ein tiefes Knurren und die Streifen fehlen und er ist der leibhaftig gewordene Tiger von Silverpine. »Guck mich nicht so an. Wir versuchen immerhin dir zu helfen, weil du nicht dazu in der Lage bist es selbst zu lös—«

»Davis«, unterbricht Reja mich harsch. Warnend sieht sie mich an und ich presse die Lippen auf einander. »Du solltest dir vielleicht überlegen wie du dieses Gespräch angehen möchtest und nichts überstürzen.« Ihr Vorschlag stößt vorerst auf taube Ohren, denn Adam schweift ab und schenkt ihr keinerlei Aufmerksamkeit.

Eisblaue Augen huschen über den kratzigen, dunklen Holzboden meines Wohnzimmers, welchen wir vor drei Jahren gemeinsam verlegt und befestigt haben, nachdem der dunkle Teppich des Vorbesitzers endlich verschwunden war. Seine Mundwinkel zucken von links nach rechts, ebenso wie seine Hände rutscht auch sein Körper unruhig auf der Couch herum. Wenigstens lenkt er mich so von der tobenden Wut in meinem Körper ab, welche ich empfunden habe, als er einfach ins Haus spaziert ist.

Bislang hatte ich keine Probleme mit seinen späten Besuchen, heute allerdings kommt es wirklich ungelegen, obwohl ich nicht bestreiten kann, es ist besser gewesen Reja und mich zu unterbrechen. Unsere Bekanntschaft wäre in eine gänzlich andere Richtung verlaufen, wenn ich in ihren Körper vorgedrungen und alles von ihr genommen hätte, was ich mir seit unsrer ersten Begegnung durch den Kopf gehen lasse. Ich will aus der Quelle ihrer Seele trinken, ihre Glückseligkeit verschlingen und mir die Finger nach ihrer Begierde lecken, woran Adam mich gehindert hat - zum Glück. Es ist nicht richtig. Es wäre falsch gewesen und unpassend.

Sie kennt mich nicht, muss sich erst in die Geschichte die meine Familie und mich in dieser Stadt umgibt herein finden. Im Augenblick ist es mir gänzlich unmöglich einzuschätzen, wie sie auf die grenzenlose Wahrheit reagieren wird, wie sie mich dann anschauen wird und ob sie überhaupt noch einen Ton mit mir wechseln wird. Jetzt geht es nur darum sie so oft zu Gesicht zu bekommen, wie es mir möglich ist, kaschiert durch lockere Konversationen und belanglose Gespräche, ehe wir in die tiefen Gewässer der Wahrheit vordringen. Sie hat es verdient zu erfahren, wer ich bin - wer meine Familie ist - bevor wir unsere Beziehung vertiefen. Aber was für eine Beziehung strebt sie überhaupt an? Will sie sich überhaupt näher mit mir befassen oder ist sie auf lockere Affären aus? Reja wirkt nicht wie eine Frau die sich nur auf bedeutungslose Liebschaften stürzt. Sie will Liebe, begehrt werden. Ununterbrochenes Verlangen nach dem Herz einer anderen Person, gemeinsame Kämpfe und die Findung von Stärken eines Teams, empfinden. Ein Gefecht um die bedeutungsvollen Emotionen der Person die man am meisten liebt. Das Ringen der Leidenschaft, des Genuss und unzählige kleine Tode.

Die Gesetze deiner Liebe Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt